4) Q. Remmius Palaemon, römischer Grammatiker aus Vicetia, lebte in der Zeit der Claudier in Rom (gestorben vor 76, Plin. n. h. XIV 49, dazu Münzer Beitr. z. Krit. d. Ng. d. Pl. 408). Seine Persönlichkeit und sein Lebenswandel erscheinen nach der Schilderung Sueton (de gramm. 23), die durch die Angaben des Plinius (a. O. 50f.) und Hieronymus (ad a. 48) ergänzt wird, in recht üblem Lichte; als Lehrer der Grammatik aber hatte er einen großen Ruf (principem locum inter grammaticos tenuit Suet.; vgl. Plin. und Hieron. a. O. Iuven. VII 215. Sidon. Apoll. epist. 5, 10. Cassiod. Gr. L. VII 214, 24). Zu seinen Schülern gehörten Quintilian (Schol. Iuven. VI 452) und Persius (Vita Persii 4). Außer Versen in künstlichen Maßen (vgl. außer Suet. Mart. II 86, 11, dazu Kießling Philol. Unters. II 65), von denen nichts erhalten ist, schrieb er eine Ars (Iuven. VI 452 m. Schol.), die für die Entwicklung der grammatischen Studien bei den Römern von größter Bedeutung wurde: sie ist nämlich die erste römische Schulgrammatik, gearbeitet in engem Anschluß an die Τέχνη des Dionysius Thrax (Uhlig vor seiner Ausg. des D. Thr. p. VI. Usener S.-Ber. Akad. Münch. 1892, 647). Auch dieses Werk des Palaemon ist nicht erhalten, doch begegnen wir seinen Spuren außer bei Quintilian inst. or I 4ff. (I 4, 20 Palaemon; in welchem Umfange Q. von Palaemon abhängt, ist strittig: vgl. Heinicke De Quintil., Sexti, Asclepiadis arte, Straßb. 1904. Tolkiehn Cominianus, Lpz. 1910, 22 m. Anm. Aistermann De M. Val. Probo, Bonn 1910, 85ff., dazu Woch. f. klass. Phil. 1911, 771) bei den späteren Artigraphen (Charisius, Diomedes, Consentius [s. Goetting De Flavio Capro Cons. fonte, Königsb. 1909, 84ff.], Priscian), von denen Charisius einige beträchtliche Bruchstücke erhalten hat ; mit ihrer Hilfe hat man die Ars des Palaemon in größerem Umfange wieder zu gewinnen versucht, doch bis jetzt kein befriedigendes Ergebnis erzielt; vgl. Tolkiehn Comin. 3 und die daselbst angeführte Literatur (weitere Schriften zur Frage bei Teuffel R. Lit.-Gesch.⁶ § 282, 3). Vielleicht behandelte Palaemon (in einem Anhang zu seiner Ars?) auch Metrik (Kießling a. O. Leo Herm. XXIV 293. Ernst Caesius Bassus, München 1904, 36), und Poetik (Koett De Diomedis arte poet., Jena 1904, 48), doch handelt es sich hier nur um Vermutungen. Zur Kennzeichnung der von Palaemon eingeschlagenen Richtung sei nur noch hervorgehoben, daß er, wie ja beim Verfasser eines praktischen Schulbuches begreiflich, sich von den theoretischen Erörterungen und gelehrten Untersuchungen abwandte und in seinen Zitaten auf die Schulschriftsteller beschränkte (Leo Plaut. Forsch. 28); Vergil ist für ihn zuerst der poeta schlechthin (Schöll Rh. Mus. XXXIV 631). Unechte Schriften: 1) Liber Palemonis de arte im cod. Vindob. (Bob.) 16 s. VIII, in anderen Hss. als ars Victorini bezeichnet, gedruckt bei Keil Gr. [597] L. VI 187ff.; 2) Liber Palamonis de metrica institutione im cod. Paris. 7559 s. X, gedruckt Gr. L. VI 206ff., über beide s. Keil a. O. p. XIXff. Jeep Lehre v. d. Redeteilen 85; vgl. auch Manitius Gesch. d. lat. Lit. d. M. A. I 524; 3) eine Ars Palaemonis im cod. Neap. IV A 34 s. XI oder XII, darüber Keil Gr. L. V 527 Anm.; 4) eine ganz junge Regelsammlung in mehreren Vaticani s. XV ex.; der der Name Palaemons wohl erst von Iov. Pontanus gegeben worden ist, s. Keil a. O. 525ff. Der liber Rhemii grammatici de potestate litterarum beruht nur auf einem Schwindelzitat Tortellis (vgl. Brambach Neugest. d. lat. Orthogr. 29), die differentiae Remi Palaemonis im cod Montepess. 306 auf dem Mißverständnis eines Abschreibers (Beck De differ. script. lat. 9). Im übrigen vgl. noch Schanz Lit.-Gesch. § 475.