14) Lateinischer Grammatiker, etwa aus der zweiten Hälfte des 4. Jhdts., Verfasser einer noch erhaltenen ars. Über seine Persönlichkeit ist nichts überliefert, ebensowenig über die des Athanasius, dem das ganze Werk gewidmet ist. Die Frage nach der Zeit – erwähnt wird D. von Priscian und dem zeitlich leider ebenfalls schwer zu fixierenden Rufinus; eine Anspielung auf Sacerdos (p. 318, 7) entnahm er seiner Quelle – lässt sich nur vermutungsweise lösen auf Grund der Beziehungen zu andern Grammatikern und grammatischen Werken. Die ars grammatica des D. – dieser Titel ergiebt sich aus Rufinus G. L. VI 568, 12 sowie den Subscriptionen – behandelt den grammatischen Stoff in drei Büchern, ut secundum trina aetatis gradatim legentium spatia lectio probabiliter ordinata crimen prolixitatis euadat taediumque permulceat (299, 10). Das erste Buch enthält die membra uniuersi sermonis, das ist in der Hauptsache die Lehre von den Redeteilen, die Charisius auf seine drei ersten Bücher verteilt hat; das zweite Buch non solum obseruationes quae arti grammaticae accidere solent, sed etiam structuram pedestris orationis, d. h. die sog. ‚Anfangsgründe‘ der Grammatik, mit denen meistens die artes eingeleitet werden (nur die Definition von der oratio findet sich bereits in Buch I), dazu die Lehre von den Fehlern und Vorzügen der Rede; das dritte Buch lehrt pedum qualitatem, poematum genera metrorumque tractatus. Dieser reiche Stoff wird nicht in der Weise behandelt, dass, wie so oft bei Charisius, die einzelnen Quellen im Wortlaut ausgeschrieben und nebeneinander gestellt werden, sondern alles ist in überlegter Weise angeordnet und ineinander verarbeitet, wenn man auch Jeep (Redeteile 57)) zugeben muss, dass der Disposition [828] verschiedene Mängel anhaften. In mancher Hinsicht erinnert übrigens die Anordnung an die des Donat (Jeep a. a. O.). Die Lehre, die D. vorträgt, ist zum guten Teile identisch mit der, die Charisius aus älteren Quellen – vor allen Cominian und Palaemon – excerpiert hat. Diese Übereinstimmung kann nicht durch die Annahme erklärt werden, dass Charisius den D. benutzt habe (vgl. Keil L); ob aber eine Benutzung des Charisius durch D. anzunehmen sei oder eine Ausbeutung derselben Quelle von beiden, ist heute noch strittig. Keil hat für die letztere Annahme sehr beachtenswerte Gründe beigebracht. Die andere Annahme vertritt – um von älteren Gelehrten abzusehen – L. Jeep Rh. Mus. XLIV 47ff.; Redeteile 60ff. und Rh. Mus. LI 401ff. Bei der Möglichkeit, dass die grammatische Tradition in weit zahlreicheren Darstellungen vorlag, als wir jetzt wissen, oder dass Dictate derselben Lehrer Einfluss geübt haben, sehe ich nicht ein, wie die Frage in einer allen Widerspruch ausschliessenden Weise beantwortet werden soll. Nur will ich hervorheben, dass weder das Fundament, von dem Jeep, ausgeht, unumstösslich ist, noch die Consequenzen, zu denen er genötigt wird, geeignet sind, auftauchende Zweifel zu zerstreuen. Auch die weitere Annahme Jeeps, dass eine Benutzung des Donat vorliege, halte ich nicht für gesichert (Redeteile 58). Sicher ist hingegen, dass D. im zweiten Buch dem Terentius Scaurus viel verdankt, wie schwer es auch sein mag, die Grenzen der – doch wohl directen – Benutzung im einzelnen festzustellen. Vgl. darüber ausser Keil (51) Kummrow Symb. crit. in grammat. lat. (Greifswald 1880) 9 und P. E. Meyer Quaest. gramm. ad Scauri artem restituendam (Jena 1885). Genauer wird darüber unter Terentius Scaurus zu handeln sein. Einen besonderen Wert hat für uns das dritte Buch. Die Annahme Jahns (Rh. Mus. IX 629; vgl. Reifferscheid Suet. 370), dass der litterarische Abschnitt (482, 13 – 492, 14) von Sueton herrühre, hat von Steup (De Prob. 190), Usener (S.-Ber. Akad. Münch. 1892, 614ff.) und Bucholz (Jahrb. für Philol. 1897, 127ff.) Widerspruch erfahren. Im metrischen Teile hat der für das sog. ältere System wichtige Abschnitt de versuum generibus (506, 14 – 518, 24) seit der Darlegung von G. Schultz (Herm. XXII 260ff.; vgl. F. Leo ebd. XXIV 281) besonderes Interesse erregt. Die Lehren, die sich hier contaminiert finden, sind an sich alt und wertvoll; ein Teil geht indirect auf Varro zurück. Vgl. Keil LV. Die Abschnitte über den Hexameter sowie über die fünf oder sechsilbigen Füsse finden nur bei den späten Byzantinern Analogien (vgl. Schultz a. a. O.). Der Einfluss des D. auf die spätere Grammatik ist nicht grade bedeutend, da er durch Donat und Priscian in den Schatten gestellt wurde. Nichtsdestoweniger ist die Zahl der Hss. seiner ars verhältnismässig gross; freilich sind sie unter einander so ähnlich, dass sie Keil auf denselben Archetypus zurückführen durfte. Die Hauptvertreter sind zwei Parisini 7493 und 7494, nächst ihnen ein Monacensis. Dazu komme der Harleianus 2773 (vgl. ausser Keil Corp. gloss. lat. II p. XXXIV) sowie der Codex, dessen sich Rabanus Maurus bedient hat. Über die sonstigen Codices und Excerpte vgl. Keil. [829] Die Hauptausgabe lieferte Keil im I. Bande der Grammatici latini; ältere Ausgaben s. u. Grammatici latini.