RE:Licinius 159
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Silvanus Granianus, Q. cos. suff. 106 n. Chr. | |||
Band XIII,1 (1926) S. 459–464 | |||
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159) Q. Licinius Silvanus Granianus, Senator der traianisch-hadrianischen Zeit.
a) Name.
Q. Licinius Q. f. Silvanus Granianus Quadronius Proculus in seiner Ehreninschrift in Baetulo CIL II 4609;[1] im Consulat: [Q. Lici]nius Silvanus Granianus CIL VI 2016[2] = I2 p. 59 (Fasti fer. Lat.): Q. Licinius Silvanus Gr... CIL III p. 232867[3] nr. CIV (Militärdiplom); Q. Licinius Granianus CIL X 5670[4] (Sora). Die griechische Übersetzung des hadrianischen Reskriptes (s. u.) enthält den Namen in der Form Σερηνίου Γρανιανοῦ (Iustin. apol. c. 68, 6) oder Σερενίου Γρανιανοῦ (Euseb. hist. eccl. IV 8, 6. 9, 1; die Varianten der Überlieferung in der Ausgabe von Schwartz Die griech. christl. Schriftst. IX 1, 316); in der Vorlage des Iustinus stand [460] offenbar Silvanus Granianus (nicht ganz ausgeschlossen wäre, daß ein christlicher Schreiber in dem Namen des ,Christenfreundes‘ den Heidengott durch einen ,redenden Namen‘ ersetzt hat). Die Übersetzer und Ausschreiber des Eusebius haben den Namen in der verstümmelten Gestalt übernommen bzw. noch weiter verballhornt (Serennius Granianus Rufin. IV 8, 6. 9, 1 Schw. p. 317f.; Serenus Granius Hieron. chron. ol. 226, 2 ed. Fotheringham p. 281, ed. Helm p. 199; Serenios Eus. arm. a. Abr. 2141 ed. Karst p. 220; Serenus Granius Oros. VII 13, 2; Σερένιος Syncell. p. 658 Dind.; Ἑρέννιος Γρανιανός Zonar. XI 24 vol. III p. 78 Dind.). Möglicherweise zählte seine vollständige Nomenklatur, dem Brauche seiner Zeit gemäß, noch mehr Namen als die uns bekannten (s. u. zur Inschrift CIL II 6084).[5]
b) Leben.
L. war der Sohn des Q. Licinius M. f. Gal(eria) Silvanus Granianus, der in seiner Heimatprovinz Hispania citerior die höchste priesterliche Würde bekleidete und im römischen Staatsdienst zu hohen ritterlichen Stellungen emporstieg (s. Nr. 158). Die Familie, die ohne Zweifel zu den angesehensten und reichsten des Landes zählte, hatte ihren Wohnsitz wohl in der Hauptstadt Tarraco (dies läßt sich aus der Tribus Galeria erschließen, ferner daraus, daß auf dem Denkmal, das die Provinz dem Vater des L. als ihrem Flamen in Tarraco errichtete [Dessau I 2714], die Heimatsangabe fehlt, vgl. Hübner CIL II p. 541.[6] Kubitschek Imp. Rom. trib. discr. 200. Stech Sen. Romani 169), war aber gewiß auch in anderen Städten begütert (z. B. in Barcino, in dessen Nähe die im folgenden erwähnte Ehreninschrift des L. gefunden wurde). L. erlangte, wie dies bei Söhnen hoher Beamter von Ritterrang fast die Regel war, den latus clavus. Über die Anfänge seiner Laufbahn unterrichtet uns die Inschrift einer Statue, die dem jungen Manne ex d(ecreto) d(ecurionum) in Baetulo bei Barcino (einer Stadt der Laeetaner, deren ora maritima sein Vater als Präfekt verwaltete, vgl. Dessau 2714 a) errichtet wurde (CIL II 4609[1] = Dessau I 1028; der Stein ist heute in die Außenwand der Marienkirche in Badalona eingemauert). Wir erfahren, daß L. III vir ad monetam war, demnach von den Stellungen des Vigintivirates die angesehenste erhalten hatte, und daß er seinen Militärdienst als Tribun in der legio VI. Victrix pi(a) f(idelis) leistete (diese Legion lag damals in Germania inferior). Unter Nerva, spätestens in den ersten Jahren seines Landsmannes Traian, wird er durch die Quaestur den Sitz im Senate erlangt haben. In dieser Zeit, in der ein Spanier über das Römerreich herrschte und andere Spanier, wie z. B. sein Gentilgenosse Licinius Sura, zu den höchsten Stellungen emporstiegen, rückte auch L. in die oberste senatorische Rangstufe auf. Er war im Sommer des J. 106 Consul suffectus zusammen mit seinem Landsmann L. Minicius Natalis (CIL VI 2016[2] = I2 p. 59 Fasti fer. Lat.: pr(idie) I(dus) Iu[l. oder Iun.], vom 14. Juli oder 12. Juni: CIL X 5670[4] [Datum nicht erhalten]; CIL III p. 232867[3] n. CIV Fragment eines Militärdiploms aus dem J. 106, vgl. Nowotny Festschrift f. Benndorf 1898, 267f.; als λαμπρότατος ἀνήρ wird L. im Rescript Hadrians bezeichnet, Iustin. [461] apol. 68, 6. Euseb. hist. eccl. IV 9, 1 [clarissimus vir Rufin.]; die Bezeichnung vir adprime nobilis Hieron. chron. ol. 226, 2 ist nur eine mißverständliche Umschreibung des Rangtitels). Unter Hadrian begegnen wir ihm als Proconsul der Provinz Asia (vgl. Waddington Fast. nr. 128, der die Identität des Proconsuls mit dem Consul des J. 106 zuerst erkannte; irrig übersetzt Hieronymus chron. ol. 226, 2 (und ihm folgend Oros. VII 13, 2] ἡγεμών, wie bei Eusebius stand, mit legatus; die armenische Übertragung gibt Karst mit ,der erlauchte Richter‘ wieder; richtig Zon. XI 24). Nach den damals geltenden Regeln des Intervalles zwischen Consulat und Proconsulat wird seine Amtsführung ungefähr in das Jahr 123/124 gehören (Waddington a. a. O.; daß sie Hieronymus dem 10. Regierungsjahr Hadrians, ol. 226, 2, zuweist, während die armenische Übersetzung des Eusebius seinen Nachfolger beim 9. Jahr des Kaisers, a. Abr. 2141, einreiht, fällt wenig ins Gewicht). Im Proconsulat folgte ihm C. Minicius Fundanus, der ein Jahr nach ihm den Consulat bekleidet hatte (s. Μinicius).
Der Proconsulat des L. ist denkwürdig durch den Erlaß des Kaisers Hadrian über die Christenprozesse, der von L. durch ein (wohl gegen Ende seiner Amtsführung) an den Kaiser gerichtetes Schreiben veranlaßt worden war. Dieses Dokument ist in der ,ersten‘ Apologie des Iustinus am Schluß (c. 68) in griechischer Sprache überliefert; doch bleibt fraglich, ob es sich schon in der Originalausgabe dieser Schrift befand oder erst später hinzugefügt wurde. Nach Eusebius (hist. eccl. IV 8, 7. 8) stand bei Iustin der lateinische Urtext, während die griechische Übersetzung, die wir heute dort lesen, dieselbe ist, die Eusebius in seiner Kirchengeschichte gibt (IV 9; vgl. über diese Frage Callewaert Rev. d’hist. et de litt. relig. VIII 1903, 177f.). Rufinus hat in seiner Übersetzung des Eusebius wieder einen lateinischen Text gegeben, aber nicht die originale Fassung, sondern eine freie und tendenziöse Rückübertragung aus Eusebius (so urteilen zutreffend Callewaert 181ff. Schanz Gesch. d. röm. Lit. III2 248 und andere; mit Recht wird z. B. darauf hingewiesen, daß allein schon die unrichtige Namensform Serennius statt Silvanus beweise, daß bei Rufin nicht das Original vorliegen kann). Das Reskript wurde (nach Euseb. hist. eccl. IV 26, 10), kurze Zeit nach Iustin. von Melito von Sardes in seiner an Marc Aurel gerichteten Schutzschrift angeführt. Eusebius hat es auch in der Chronik erwähnt (Ol. 226. 3 Armenische Übersetzung herausg. von Karst S. 220. Hieron. ed. Fotheringham p. 281, ed. Helm p. 199). Die Zitate bei späteren christlichen Autoren gehen auf die Kirchengeschichte des Eusebius (Syncell. p. 658 Dind. Zon. XI 24) oder auf Hieronymus (Oros. VII 13, 2) zurück (die meines Erachtens beste Behandlung des Reskriptes rührt von Callewaert 152–189 her, wo auch die sehr umfangreiche Literatur angeführt ist).
Der Bescheid ist an den Proconsul von Asia Minicius Fundanus gerichtet und besagt im wesentlichen, daß der Kaiser die Berechtigung der Eingabe seines Amtsvorgängers L. einsehe: bei dem Verfahren gegen die Christen dürfe der Richter nicht den Akklamationen und Petitionen [462] der Provinzialen nachgeben, sondern nur auf Grund des in aller Form vor dem Richterstuhl erbrachten Nachweises der Übertretung der bestehenden Gesetze gegen die Christen einschreiten; Denunziationen, die sich als verleumderisch erweisen, seien zu bestrafen.
Die Echtheit dieses Schriftstückes ist vielfach angefochten worden (so von Keim, Baur, Hausrath, Holtzmann, Aubé, Geffcken. Aus der Werdezeit d. Christ. 57 u. a.; vgl. die Literaturangaben bei Schanz III2 248f.), doch mit Unrecht; die für eine Fälschung angeführten Beweisgründe sind nicht stichhaltig (vgl. Ramsay Church in the Rom. emp.3 1894. Mecklin Hadr. Reskript an Min. Fundanus 1899, 15ff. [mir nicht zugänglich], Callewaert 174ff.). Dagegen ist die Inhaltsangabe der Anfrage des L., die sich bei den christlichen Autoren findet (Euseb. hist. eccl. IV 8, 6; chron. arm. und Hieron. ol. 226, 2. Syncell. p. 658. Zon. XI 24), nur aus dem Bescheide des Kaisers erschlossen. Der Erlaß Hadrians bedeutet nicht, wie z. B. Mommsen (Hist. Ztschr. LXIV 1890, 420f. = Ges. Schr. III 414f.; Str.-R. 577) annimmt, daß der Kaiser damit ,die Rechtsgleichheit des Christen ausgesprochen‘ habe: ,indem er anordnete, daß der Christ nur wegen des ihm zur Last gelegten nicht religiösen Verbrechens zur Rechenschaft gezogen werden dürfe und den falschen Ankläger auch in diesem Falle unnachsichtlich die gesetzliche Strafe treffe, gab er den Christenglauben geradezu frei‘, ähnlich bezeichnet Schanz die Urkunde als ,das erste Toleranzedikt zugunsten des Christentums‘, während Harnack (Edikt des Ant. Pius, Texte u. Untersuch. z. Gesch. d. altchr. Lit. XIII 4, 1895, 44f., vgl. jedoch Miss. u. Ausbr. d. Christ. I² 458f.) zwar nicht soweit geht, aber die Tendenz des Erlasses derart formuliert: ,daß das nomen Christianum ipsum ein Verbrechen bedeute, soll nicht als krimineller sondern als polizeilicher Grundsatz gehandhabt werden‘ (auf Grund der magistratischen Koerzition). Indes der Wortlaut des Aktenstückes rechtfertigt diese Auslegungen keineswegs. Dem Kaiser handelt es sich unverkennbar nur darum, daß das ordentliche Gerichtsverfahren vor der korrumpierenden Beeinflussung durch Äußerungen der ,öffentlichen Meinung‘ und durch das Unwesen verleumderischer Angeberei bewahrt bleibe; der Ankläger habe vor Gericht nachzuweisen, daß sich der Angeklagte gegen die Gesetze vergangen habe – der erforderliche Nachweis war eben das Bekenntnis des Angeklagten zum Christentum. Demnach ist Hadrians Reskript nur eine Sanktionierung und Präzisierung der traianischen Instruktion an Plinius (so urteilen mit Recht Callewaert, Linsenmayer Bekämpf. d. Christ. durch d. röm. Staat 1905, 91f., die u. a. auch daran erinnern, daß die Praxis der Christenprozesse des 2. Jhdts. deutlich gegen eine andere Auffassung spricht; irrig meint Seeck Gesch. d. Unterg. d. ant. Welt III 289f., daß mit Hadrians Erlaß das Reskript Traians ,eigentlich aufgehoben‘ war). Der Humanität und dem strengen, weder durch die Autorität der Notabeln noch durch den Fanatismus der Menge beirrbaren Gerechtigkeitsgefühl des L. stellt seine Handlungsweise das [463] beste Zeugnis aus (die Annahme Harnacks Texte u. Unters. 38. 45; Miss. u. Ausbr. 459, daß der Landtag von Asia durch eine Petition an den Proconsul den Anstoß zu dessen Bericht an den Kaiser gegeben habe, ist freilich nicht zwingend; L. kannte übrigens sicherlich den [veröffentlichten] Brief seines consularischen Kollegen Plinius an Traian). Auf seine religiösen Anschauungen läßt sich allerdings kein Schluß daraus ziehen und ebensowenig darauf, ob er die Gefahr erfaßt hat, die den religiösen und politischen Zuständen im römischen Reiche vom Christentum drohte: er wendete sich ja nicht gegen die Repressivmaßregeln gegen das Christentum an sich (wozu er gar nicht die Befugnis gehabt hätte), sondern nur gegen die Ausartungen des Verfahrens (spätere christliche Autoren stempeln ihn freilich zum Verteidiger der Christen; so nennt ihn Orosius VII 13, 2 neben Quadratus und Aristides und spricht von libri de Christiana religione compositi). Immerhin hat sein Vorgehen ohne Zweifel vielen Christen das Leben gerettet, und so ist es nicht ohne symbolische Bedeutung, daß sein Ehrendenkmal heute in einer Kirche seinen Platz gefunden hat.
c) Familie.
Der Sohn seines Amtskollegen im Consulat, L. Minicius Natalis Quadronius Verus, führt denselben Namen Quadronius, den auch L. trug; daraus darf wohl geschlossen werden, daß die beiden im diesseitigen Spanien höchst angesehenen Familien miteinander verwandt waren. In noch näherer verwandtschaftlicher Beziehung zu L. standen wohl der Historiker Granius Licinianus (s. o. Bd. VII S. 1820ff.) und der Consular, dessen Statue und Ehreninschrift in Tarragona gefunden wurde und sich heute im Museum der Stadt befindet (CIL II 6084).[5] Von dem Namen dieses Mannes, der u. a. XV[vir sacris] faciundis, curator [alvei et riparum] Tiberis et cloaca[rum urbis] und Legat von Germania inferior war, ist nur ...al... Gran... Grattius ... Geminius R.... erhalten. Da der Consular, der, wie sein Cursus honorum, die Arbeit der Togastatue und der Schriftcharakter der Inschrift lehrt, in traianisch-hadrianischer Zeit lebte (vgl. Hübner z. Inschr.), gleich L. aus Tarraco stammte, ferner, ebenso wie jener, Proconsul von Asia war, und als Legat die Legio VI. Victrix kommandierte, in der L. als Militärtribun gedient hat, wäre es nicht ausgeschlossen, beide zu identifizieren. Gegen die Gleichsetzung würde weniger sprechen, daß die Inschrift in diesem Falle nicht mit der erhaltenen ersten Zeile beginnen könnte – denn ...al... könnte zur Tribus [G]al(eria) ergänzt werden –, in höherem Grade jedoch, daß in der 12. Zeile wohl [procos.] provinciae Asiae ex[tra sortem] oder ex[cusato] zu ergänzen ist (eher als ex[testamento], wie Hübner vorschlägt, das an diese Stelle kaum paßt): beides trifft aber bei L. nicht zu, da dieser, wie seine Ablösung durch den Consul des folgenden Jahres beweist, im normalen Amtsjahr den Proconsulat von Asia verwaltete. P. Licinius Silvanus, dessen liberti et decuriones famil(iae) sich an der Via Nomentana ein Grabmal errichteten (CIL VI 10257),[7] wird – nach der Fundstelle zu urteilen (vgl. Nr. 73) – Nachkomme eines Freigelassenen der Crassi Frugi, [464] demnach kein Verwandter des Spaniers L. gewesen sein.
Anmerkungen (Wikisource)
[Bearbeiten]- ↑ a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4609.
- ↑ a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2016.
- ↑ a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 2328.
- ↑ a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 5670.
- ↑ a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 6084.
- ↑ Corpus Inscriptionum Latinarum II, 541.
- ↑ Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 10257.