RE:Gelimer
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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König des Vandalenreiches 530-533 n. Chr. | |||
Band VII,1 (1910) S. 987–990 | |||
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Gelimer (Γελίμερ, Geilamer, Geilamir, Geilimer), Sohn des Gelaris und der letzte König des Vandalenreiches von 530–533 n. Chr. Er wurde nach dem Sturz des Hilderich, den die mit ihm unzufriedenen Vandalen ins Gefängnis warfen, als der nach dem Hausgesetz des Geiserich Nächstberechtigte auf den Thron berufen. Über die näheren Umstände widersprechen sich die Quellen (Procop. bell. Vand. I 9. Corippus Iohannis III 262. Iord. Get. 33, 170. Vict. Tonnon. z. J. 531 = Mommsen Chron. min. II 198. III 459. Malal. XVIII 459), doch wird es das Wesentliche treffen, wenn man annimmt, daß ,die ehrgeizigen Bestrebungen G.s und der Volkswille einander entgegenkamen‘ (Schmidt 126). Diese Wirren gaben dem Kaiser Iustinian die erwünschte Gelegenheit zur Einmischung; er verlangte zunächst, daß G. das vandalische Hausgesetz wenigstens nicht offen verletze und den Hilderich zum mindesten als Schattenkönig an seiner Stelle lasse. Als G. statt jeder Antwort den Hilderich nur noch strenger bewachen und seinen Vetter Hoamer blenden ließ (falsch Mommsen Chron. min. II 198), folgte ein zweites Schreiben des noch im Osten beschäftigten Kaisers, das G. zwar als König anerkannte, aber dafür die Auslieferung des Hilderich nach Konstantinopel verlangte. Selbstverständlich ging G. hierauf noch viel weniger ein, und es war klar, daß sein stolz abweisendes Schreiben (βασιλεὺς Γ. Ἰουστιανῷ βασιλεί Procop. bell. Vand. I 9) den Krieg mit dem Ostreich bedeutete.
Von vornherein stand die Sache für die Vandalen ungünstig genug. Das Ostgotenreich hatte G. nie anerkannt und erklärte sich jetzt bereit, die Lieferung von Proviant und Pferden für das byzantinische Heer auf Sizilien zu übernehmen [988] (Procop. Vandal. I 14. Malal. XVIII 459). Im Vandalenreich selbst aber nahm ein vornehmer Römer, Prudentius, die Provinz Tripolis, in der sich keine Vandalen befanden, mit byzantinischer Unterstützung für den Kaiser in Besitz, und der sardinische Statthalter Godas (s. d.) fiel von G. ab, nahm den Königstitel an und erbat und erhielt Unterstützung von Byzanz.
Bei Caput Vada (Ras Kabondia, Corippus a. a. O. I 369; vgl. Tissot Géographie d’Afrique II 181) landete das byzantinische Heer unter Belisar nach langsamer Fahrt und Aufenthalt in Sizilien. Ohne Widerstand zu finden, marschierte man weiter, nahm Sullectum in Besitz und war bereits bis zum königlichen Lustschloß Grasse (Sidi Khalifa), nur 75 km von Karthago entfernt, gelangt. Die anscheinende Untätigkeit G.s hatte mannigfaltige Gründe. Zunächst hatte er einen Angriff auf dem Festland anscheinend erst mit Eintritt der kühleren Jahreszeit erwartet (Pflugk-Harttung Hist. Ztschr. XXV) und deshalb kein Bedenken getragen, 5000 Mann auf 120 Schnellseglern unter seinem Bruder Tzazo nach Sizilien zu schicken. Weiter ist es eine sehr wahrscheinliche Vermutung, daß G. damals gerade mit Kämpfen gegen die Mauren in der Byzacena beschäftigt war (Zacharias Rhetor herausgeg. von Ahrens-Krüger 205) und sich deshalb in Hermiane (nicht Hermione, wie Procop. Vandal. I 14, 371 es nennt, vgl. Diehl 14, 4), vier Tagereisen von der Küste entfernt, aufhielt. Von großem Selbstvertrauen zeugte es allerdings nicht, wenn G. jetzt seinen Schatz im Hafen von Hippo Regius einschiffen ließ, um ihn und schlimmsten Falls später sich selbst nach Spanien zu den Westgoten zu retten, bei denen er bereits durch Gesandte Unterstützung erbeten hatte (Procop. Vandal. I 24. II 4). Auch war sachlich kaum etwas damit ausgerichtet, wenn G.s Bruder Aminatas den Befehl erhielt, den Hilderich mit seinem Anhang im Gefängnis zu Karthago zu töten und die dort ansässigen byzantinischen Kaufleute in Haft zu nehmen. Was die Kriegsoperationen betraf, so beabsichtigte G., den Belisar bis Decimum, 15 km von Karthago entfernt, gelangen zu lassen; hier, wo den Byzantinern die Unterstützung durch die Flotte fehlte, sollte sie Ammatas von vorn, Gibamundus (s. d.) mit 2000 Mann von der linken Flanke angreifen, während G. gleichzeitig mit dem Hauptheer den Römern in den Rücken fallen sollte. Wirklich kam es dort am 13. September (Papencordt 152, 1) zur Schlacht, die nach Prokops Bericht (Vandal. I 17–19) weniger durch das zu frühe Eintreffen der anderen als durch G.s wunderbaren Übergang von übermäßiger Hast zu völliger Untätigkeit verloren ging. Soll er doch die entscheidenden Augenblicke mit Wehklagen um den Tod seines Bruders zugebracht haben! Aber da Belisar zunächst Karthago besetzte und die Befestigungen der Stadt erneuern ließ, so fand G. Gelegenheit, noch einmal seine Truppen bei Bulla Regia (Hammam-Darradji, Tissot II 259) zu sammeln, und es gelang ihm sogar, die Mauren, welche schon Gesandte an den römischen Feldherrn geschickt hatten, zur Neutralität zu bewegen. Ja, nicht wenige von ihnen schlossen sich wiederum den Vandalen an, und vor allem wurde Tzazo, der inzwischen in [989] Sardinien seinen Auftrag durchgeführt hatte, zurückberufen. Weiter wurden die römischen Kolonen, welche von der kaiserlichen Herrschaft wenig Gutes zu erwarten hatten, durch Aussetzung von Belohnungen auf den Kopf jedes ermordeten Byzantiners aufgereizt. Als nun Tzazo nach schneller Beendigung der Fahrt bei G. eingetroffen war, fühlte sich dieser so stark, daß er es wagte, vor den Mauern von Karthago zu erscheinen; an eine regelrechte Belagerung der Stadt konnte er freilich nicht denken und begnügte sich damit, eine wichtige Wasserleitung zu zerstören und die Hauptzufuhrstraßen abzuschneiden. Besondere Hoffnung setzte er darauf, daß es ihm gelungen war, die Massageten im römischen Heere durch Bestechung zu dem Versprechen zu bewegen, wahrend der nächsten Schlacht zu ihm überzugehen. Belisar seinerseits arbeitete den Bestechungsversuchen des Feindes, soweit er konnte, entgegen und wartete im übrigen seine Zeit ab. Erst als er sich völlig sicher fühlte, ging er gegen den Feind vor, der bei Tricamarum stand (30 km von Karthago, unbekannter Lage). Erst gegen Abend gewannen beide Teile, nur durch einen kleinen Bach voneinander getrennt, Fühlung miteinander. Am nächsten Tag wurden die Vandalen geschlagen und zogen sich in ihr allerdings unbefestigtes Lager, das auch die Weiber und Kinder barg, zurück. Aber alles war erst verloren, als Belisar gegen Abend nach Ankunft seiner Infanterie, die noch gar nicht am Kampfe teilgenommen hatte, gegen das feindliche Lager vorging und G. nun feige sein Volk im Stich ließ und floh (Mitte Dezember 533).
Während Belisar in den nächsten Tagen seinen Sieg ausnützte, erhielt Iohannes der Armenier den Befehl, den König, der auf der Straße nach Hippo Regius geflohen war, mit 200 Mann zu verfolgen. Nur der plötzliche Tod des Iohannes bewirkte, daß G. zunächst entkam. Als nun Belisar mit gesamter Macht die Verfolgung des Flüchtigen aufnahm, erfuhr er, daß dieser nach dem abgelegenen Gebirge Pappua an der Grenze von Numidien (über die Lage Schmidt 145, 1) geflohen sei und in der maurischen Stadt Medeos Zuflucht gefunden habe. Da der Winter immer näher rückte, so kehrte Belisar um und beauftragte den Pharas mit einer kleinen Schar, den König eingeschlossen zu halten. Allmählich tat, nachdem ein Scheinangriff mißlungen war, der Hunger sein Werk. Freilich, noch auf des Pharas Aufforderung, sich gegen reiche Geld- und Landanweisungen sowie die Verleihung des Patriciats zu ergeben, soll G. nach dem Bericht des Prokop (Vandal. II 6. 7) abweisend geantwortet und nur um drei Gaben gebeten haben: ein Brot, um seinen Hunger zu stillen, einen Schwamm, um seine Tränen zu trocknen, und eine Leier, um dazu sein Leid zu klagen. Aber nach dreimonatlicher Belagerung wurde der König schließlich doch weich – angeblich hätte er es nicht mehr sehen können, wie einer seiner kleinen Neffen und ein Maurenknabe sich um ein Stück Brot balgten – und ergab sich, nicht ohne sich durch Pharas die früheren byzantinischen Versprechungen garantieren zu lassen (Anfang April 534).
G. wurde zunächst nach Karthago verbracht und dort in sanfter Haft gehalten; bekannt ist, [990] wie er, das erstemal vor Belisar erscheinend, in ein leises Lachen ausbrach, das von den Römern als Zeichen des Wahnsinns gedeutet wurde, während G.s Freunde ihm einen philosophischen Sinn unterschoben. Darauf gelangte G., vermutlich im Sommer mit der heimfahrenden byzantinischen Flotte, nach Konstantinopel. Am Triumph Belisars mußte er im Purpurmantel teilnehmen und im Hippodrom neben seinem Überwinder dem Kaiser durch Kniefall seine Ehrfurcht bezeigen, nachdem ihm vorher der Purpur abgenommen worden war. Während der ganzen Szene soll er nichts als die Worte des Prediger Salomonis I 2 ,Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel‘ wiederholt haben. Daß G.s Gattin und Kinder im Triumphzug mit aufgeführt wurden, wird von mehreren Quellen ausdrücklich erwähnt (Malal. XIII 478. Lydus de magistrat. III 55. Zonar. XIV 7, 3, 4), während Prokop davon schweigt. Über noch vorhandene Stücke des vandalischen Königsschatzes, der natürlich auch nach Konstantinopel gewandert war, vgl. Schmidt 147, 1 und Mommsen Histor. Schriften I 565. Später erhielt G. Grundbesitz in Galatien vom Kaiser, während ihm der Patriciat vorenthalten wurde, da er seinen arianischen Glauben nicht aufgab. Über G.s Persönlichkeit ist es vielleicht nicht so schwer, ein Urteil zu gewinnen, wie es gewöhnlich scheint. Eine gewisse Umsicht und unleugbare persönliche Tapferkeit paart sich mit Zügen des Fatalismus und einer durch eine sonderbare Philosophie gedeckten Gleichgültigkeit, die doch von Egoismus nicht frei ist. So hat man den Mann meist entweder für pathologisch angesehen oder jene sonderbaren Züge, wie sein Auftreten im Circus zu Byzanz, kurz ins Gebiet der Sage verwiesen. Gewiß mit Unrecht! Vielmehr führt der Vergleich mit dem Ostgoten Theodahat, der freilich der viel niedrigere und unsympathischere Typus ist, zu der Überzeugung, daß wir es in G. mit dem Musterbeispiel eines durch verkehrt angeeignete und unverstandene Überkultur dekadent gewordenen Germanen zu tun haben. So lehrt gerade eine solche Persönlichkeit, warum das vandalische Volk zu Grunde gehen mußte.
Quellen: Vor allem Procop. bellum Vandalicum und die Chronica minora II (Victor Tonnonensis). Daneben Malalas, Corippus, Lydus u. a.
Darstellungen: Papencordt Geschichte der vandalischen Herrschaft in Africa. Diehl L’Afrique Byzant. Pflugk-Harttung Hist. Ztschr. XXV. Schmidt Gesch. der Vandalen. Dahn-Friedländer Münzen der Vandalen.