RE:Fulvius 82
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Macrianus, M. Gegenkaiser 260-261 n. Chr. | |||
Band VII,1 (1910) S. 259–262 | |||
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82) M. Fulvius Macrianus. Über den Wechsel der Namensform Macrinus (so überall bei den griechischen Autoren; beide Formen in den Hss. der Hist. aug. an verschiedenen Stellen) und Macrianus, s. auch Nr. 73. Sein Vorname ist durch zwei alexandrinische Münzen bezeugt, die v. Sallet Die Daten der alexandrinischen Kaisermünzen 77f., nebst einer vermeintlichen dritten für unecht hielt. Doch ist, wie ich einer freundlichen und ungemein aufschlußreichen Mitteilung von B. Pick verdanke, die Münze, die Sestini beschrieben hat, vermutlich mit der im Britischen Museum (Poole Cat. Brit. Mus. Alexandria 298, 2299 = Cohen VI² 2, 1) identisch, während die andere, die v. Sallet verdächtigt hatte (von Banduri beschrieben ex museo Foucault), wirklich existiert, und zwar im Neapler Museum. Die erste hat die Averslegende Α(ὐτοκράτωρ) Κ(αῖσαρ) M(ᾶρκος) Φοῦ(λουιος) Μακριανός, εὐ(σεβὴς) εὐ(τυχὴς) σ(εβαστός) und das Bild eines bärtigen Mannes, die zweite lautet Ἀ. Κ. Μᾶ(ρκος) Φου. Μακριανός, σεβ(αστός). Beide geben im Revers die [260] Datierung |B. Cohen publiziert (3, 2) noch eine Münze, die er wegen des bärtigen Kopfes dem älteren Macrianus zuweist, die aber C. Ful(vius) Macrianus p(ius) f(elix) Aug(ustus) nennt; doch ist das Bild nicht deutlich als das eines bärtigen älteren Mannes zu erkennen und wahrscheinlich eher auf Macrianus den Sohn zu beziehen; vgl. auch Eckhel VII 467. F. hat in der Armee von der Pike an gedient (Hist. aug. tyr. trig. 13, 3) und sich als militärischer Befehlshaber unter Valerian ausgezeichnet (tyr. trig. 10, 14. 12, 1). Der Biograph gibt (12, 17) eine ganz schematisch konstruierte Ämterlaufbahn, der im einzelnen nachzugehen kaum der Mühe lohnt; doch scheint sie eine wesentlich militärische gewesen zu sein. Dionys. Alex. bei Euseb. hist. eccl. VII 10, 4–7 erwähnt seine Feindschaft gegen die Christen und berichtet, daß er es war, der den Kaiser Valerian zu den Cbristenverfolgungen (in den J. 257 und 258) verleitete. Er ist in späterer Zeit auf höhere Verwaltungsposten gestellt worden. Der Fortsetzer der Geschichte Dios (Petr. Patr., Boissevain III p. 742, 159 = Dind. V 219) bezeichnet ihn als κόμης τῶν θησαυρῶν καὶ ἐφεστὼς τῇ ἀγορᾷ τοῦ σίτου. Diese Bezeichnung ist der Titulatur der späteren Zeit entnommen: der Comes thesaurorum ist identisch mit dem Comes largitionum (Lydus de mag. II 27; vgl. Boecking zu Not. dign. occ. c. X S. 230ff.); hier sind vielleicht unter den θησαυροί, wie wir dies aus der Verwaltung Ägyptens kennen, die Kornmagazine zu verstehen, da hierzu am besten die Stellung des ἐφεστὼς τῇ ἀγορᾷ τoῦ σίτου (praefectus annonae) paßt. Keinesfalls hat dieses Amt etwas zu tun mit der procuratio thesaurorum, die immer einem kaiserlichen Freigelassenen übertragen war (Rostowzew Röm. Mitt. XIII 108–123). Allerdings ist jene Verbindung vereinzelt; denn im 3. Jhdt. ist die Praefectura annonae auf Rom beschränkt und im Felde lag die Verpflegung dem Praefectus praetorio ob (Hirschfeld Die kaiserl. Verwaltungsb.2 244f.); vgl. tyr. trig. 12, 11 (ein thesaurorum custos des Quietus wird Hist. aug. Gall. 3, 4 erwähnt). Nach Dionys. Alex. (bei Euseb. hist. eccl. VII 10, 5 = Synkell. I 719 D.) wäre er ἐπὶ τῶν καθόλου λόγων ... βασιλέως (= rationalis Augusti) gewesen, aber diese Angabe des Autors dient, wie es scheint, nur als Anlaß zu den folgenden Wortspielen (anders Mommsen R. G. V 432, 2, der die Scheidung dieser Angaben in mindestens zwei Ämter nicht erkannt hat; Hirschfeld a. a. O. 36f., 3. Schiller I 823, 1). Jedenfalls gehörte er dem Ritterstande an. Vielleicht infolge einer Verwundung ist er an einem Fuß lahm oder hinkend geworden (Euseb. VII 10, 8. Petr. Patr. a. a. O. Zonar. XII 24 p. 145 D.) und wohl deshalb als zum Kriegsdienst minder tauglich in der Verwaltung verwendet worden. Dadurch wurde er dem Militärdienst entfremdet (tyr. trig. 12, 7); doch steht damit in Widerspruch die Angabe, daß ihm Valerian, während er selbst gegen die Perser kämpfte, auch die militärische Leitung des Staates anvertraute (tyr. trig. 12, 16). Er hat große Reichtümer erworben (Hist. aug. Gall. 1, 4; tyr. trig. 12, 5. 7) und war mit einer Frau vornehmer Herkunft (namens Iunia?) vermählt (tyr. trig. 13, 3). Nach der Gefangennahme Valerians sammelte er in [261] Samosata Truppen und verweigerte dem gefangenen Kaiser den Gehorsam (Petr. Patr. a. a. O.; Dionys. Alex. bei Euseb. VII 23, 1, der ihm feindlich ist, geht weiter, indem er ihm Verrat an dem Kaiser vorwirft). Auf die Anregung des Praefectus praetorio Ballista (Callistus?), wurde er mit seinen Söhnen (T. Fulvius Iunius) Macrianus und (T. Fulvius Iunius) Quietus vom Heere zum Kaiser erhoben, Hist. aug. Gall. 1, 2. 5; tyr. trig. 12. 14, 1. Nach Zonar. a. a. O. und Euseb. hist. eccl. VII 10, 8 (vgl. 23, 2) verzichtete er wegen seines körperlichen Gebrechens auf die Kaiserwürde zugunsten seiner Söhne (Hist. aug. tyr. trig. 12, 7 wird auch gesagt, daß er, indem er auf sein hohes Alter und seinen geschwächten Körper hinwies, bat, von seiner Person abzusehen). Doch ist diese Verzichtleistung nicht gleich erfolgt oder von der ihm ergebenen Bevölkerung nicht berücksichtigt worden, da ihn die beiden alexandrinischen Münzen noch im zweiten Jahr als Augustus nennen. Auffällig ist aber, daß die Papyri nur nach den Söhnen datiert sind, und daß Inschriften von ihm fehlen. Von der Ansicht Dattaris, Riv. Ital. di numism. XVI (1903) 310–313, der ohne Kenntnis der übrigen Geschichtsquellen urteilt, kann hier abgesehen werden. Jedenfalls hat in Wahrheit der Vater die Regierung geführt. Ballista, der Praefectus praetorio Valerians, bekleidete dieses Amt nun auch unter dessen Gegenkaiser (Hist. aug. Gall. 3, 2; tyr. trig. 11. 12, 6; Zonaras a. a. O. nennt ihn ganz mangelhaft ἵππαρχον; daß er auch die Annona versorgen sollte, paßt zu dem oben Erwähnten). Er wurde, während Macrian und sein älterer Sohn über Asia nach Illyrien zogen, dem jungen Quietus, der im Orient blieb, beigegeben, Hist. aug. Gall. 2, 5; tyr. trig. 12, 12. Zonar. a. a. O.
Ehe Macrian auszog, um im Entscheidungskampf mit Gallienus die Herrschaft über das gesamte Reich zu erlangen, schickte er einen der senatorischen Generale, (Calpurnius) Piso Frugi, voraus, um den Proconsul von Achaia, Valens, der sich auch erhoben hatte (Epit. de Caes. 32, 4. Ammian. XXI 16, 10), zu besiegen. Aber Piso wurde nach Thessalien zurückgedrängt und dort, nachdem er sich angeblich auch zum Kaiser hatte ausrufen lassen, getötet (Hist. aug. Gall. 2, 1–4; tyr. trig. 19, 2. 3 [verwirrt]. 21, 1; das Datum des folgenden gefälschten SC. ist unbrauchbar; vielleicht ist er auch Hist. aug. Pesc. Nig. 9, 2 gemeint). Da aber Valens gleich darauf selbst getötet wurde (tyr. trig. 19, 3. 21, 3), konnten die beiden Macriani ungehindert nach Illyrien gelangen. Hier, und zwar an der Grenze gegen Thrakien (Gall. 2. 6; tyr. trig. 12, 13; vgl. Gall. 3, 3; tyr. trig. 11. 1. Zonar. a. a. O. unrichtig κατὰ Παιονίαν), fiel die Entscheidung. Aureolus, dessen Verwaltungsgebiet Illyrien war, bekämpfte ihn im Auftrage des Kaisers Gallienus entweder selbst oder durch seinen Unterfeldherrn Domitian. Die Macriani wurden vollständig besiegt, beide fielen, ihr Heer, das zum größten Teil zum Feind überging, mußte sich ergeben (Zonar. a. a. O. p. 145f. Hist. aug. Gall. 2, 6. 7. 3, 1. 6; tyr. trig. 11, 2. 12, 13. 14. 13, 7. 14, 1. 15, 4; die Erhebung und der Fall Macrians ist auch erwähnt Euseb. hist. eccl. VII 10, 5. 8; 23, 2). Im September 260 hat die Herrschaft dieser Usurpatoren begonnen, im [262] November oder spätestens im Dezember 261 ist Quietus beseitigt worden, nachdem Macrian und sein Sohn gefallen waren; vgl. die Darlegungen bei Nr. 73.
Die Schilderung seines Wesens in Hist. aug. tyr. trig. 12, 5. 16. 18 ist durchaus nichtssagend; daß er als kluger, zur Regierung besonders geeigneter Mann galt (Gall. 1, 4; tyr. trig. 12, 10), ist ja selbstverständlich und zeigen auch die von ihm getroffenen Dispositionen trotz des schließlichen Mißerfolges.
Literatur: Prosopogr. imp. Rom. II 94f. nr. 371f. 374. Mommsen R. G. V 431f. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 823. 834f.