RE:Fragmentum de iure fisci
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Pergamentblätter fiskalrechtlichen Inhalts aus Verona | |||
Band VII,1 (1910) S. 80–81 | |||
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Fragmentum de iure fisci, zwei von Niebuhr (1816) in der Kapitularbibliothek von Verona entdeckte Pergamentblätter fiskalrechtlichen Inhalts (daher die obige Benennung).
I. Die Handschrift.
Die beiden Pergamentblätter, welche mit einem Blatt der Gaianischen Institutionen und Bruchstücken theologischer Literatur zu einem Miszellanband vereinigt sind, dürften vom Schreiber der Hieronymushandschrift (Veroneser Gaiuspalimpsest) als Schmutzblatt gebraucht worden sein. Sie enthalten je zwei Kolumnen zu 24 Zeilen. Der Umstand, daß die obersten Zeilen (vermutlich 2–3) jeder Kolumne weggeschnitten sind, macht die Beantwortung der Frage nach der ursprünglichen Aufeinanderfolge der Blätter (und des Umfangs der zwischen ihnen bestehenden Lücke) unmöglich. Die Hs. gehört dem 5. oder 6. Jhdt. n. Chr. an.
II. Entstehungszeit.
Sprache und Art der Bearbeitung weisen auf den Ausgang der klassischen Periode der Rechtswissenschaft als Entstehungszeit des Werkes hin. Die Verwendung gewisser in nachklassischer Zeit häufig auftretender Komposita (§ 1. 2 inconsideratus, § 14 incorporari, § 15 inquietare) spricht nicht gegen diesen zeitlichen Ansatz, da diese auch der Sprache der Klassiker nicht fremd sind. Dem gegenüber kann die früher vereinzelt (von Walch) vertretene Lehre, welche das Werk der nachdiokletianischen Zeit zuweist, wohl kaum mehr in Betracht kommen, zumal ihre aus der Vergleichung [81] mit Erlässen im Cod. Iust. geschöpften Argumente längst als irrig erkannt sind. Die Annahme, daß der § 14 auf Diokletians Konstitution in Cod. Iust. X 1, 15 beruhe, wird durch die inhaltlich mit ihm übereinstimmende Stelle Paul. sent. V 12, 6 widerlegt; unbeweisbar ist auch die Behauptung, § 17 enthalte jüngeres Recht als Cod. Iust. II 9, 2 (Erlaß aus dem J. 255). Der Umstand, daß § 3 das von Caracalla beseitigte (Ulp. 17, 2. Dio LXXVIII 12), von Macrin (Hist. aug. Macr. 13) aber alsbald wiederhergestellte Recht der patres auf die caduca anerkennt, folgt nur, daß das Werk in dem kurzen Zeitraum von der Abschaffung des erwähnten Privilegs bis zu seiner Wiedereinführung nicht verfaßt sein kann.
III. Der Verfasser.
Das Fragment gehört entweder einer Monographie über das Fiskalrecht oder einem größeren rechtswissenschaftlichen Werk an, in welchem nebst anderen Rechtsfragen auch diese Materie behandelt war. Mit Rücksicht auf die Eleganz des Stils und der Stoffbehandlung hat man in Ulpian (regulae oder opiniones?) den Autor vermutet (so Huschke). Andere schreiben das Werk dem Paulus zu (so z. B. Lachmann) und nehmen an, daß es seinen sententiae oder libri de iure fisci (dem liber sing. regularum) angehöre. Überzeugende Beweisgründe sind in keiner Hinsicht erbracht worden; es lassen sich vielmehr gegen jede der vorgeschlagenen Zuweisungen triftige Gegengründe geltend machen z. B. der Widerspruch von § 9 und Paul. sent. I 6 a, 2, die verschiedene Art der Behandlung in den libri de iure fisci und in unserem Fragment, in welch letzterem Zitierungen anderer Juristen gar nicht und solche von Kaisererlässen nur vereinzelt vorkommen. Der letztere Grund spricht auch gegen die Autorschaft des Callistratus.
IV. Ausgaben und Literatur.
Göschen Ed. princeps, 1820. Böcking Ulp. fragm. 1855 p. 145ff. Krüger Fragm. de iure fisci 1868 und Collectio librorum iuris anteiust. II 163ff. Huschke Iurispr. antei.5 p. 635. Girard Textes de droit rom.3 470ff. Vgl. Krüger Gesch. d. Quellen und Lit. des röm. Rechts 250f. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 775ff. Walch Diss. de aetate fragm. vet. iuris cons. de iure fisci (1838). Lachmann Ztschr. f. gesch. Rechtsw. XI (1842) 110ff. Kalb Roms Juristen 146f.