RE:Fortunatianus 7
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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C. Chirius, Verfasser einer ars rhetorica, der späten Schulrhetorik 4. Jh. n. Chr. | |||
Band VII,1 (1910) S. 44–56 | |||
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7) C. Chirius Fortunatianus, Verfasser einer ars rhetorica von drei Büchern in katechetischer Form. Seine Zeit steht nicht fest. Cassiodorius ist der einzige, der ihn stark benützt und mehrfach zitiert (495, 11 Halm. 498, 29. 500, 24 memoratus ... Fortunatianus in tertio libro; bes. 498, 17 Fortunatianum vero doctorem novellum, qui tribus voluminibus de hac re subtiliter minuteque tractavit, in pugillari codice apte forsitan congruenterque redegimus, ut et fastidium lectori tollat et quae sunt necessaria competenter insinuet). Cassiodorius setzt F. als artigraphum novellum (495, 11) in einen gewissen Gegensatz zu den magistri saecularium literarum (495, 3), die über Rhetorik geschrieben haben; demnach war F. gewiß Christ, worauf schon Spengel Rh. Mus. XVIII 1863, 490, 14 schloß aus dem [45] Satze F.s 83, 30: quamvis minus verisimile sit oculos recuperasse caecum, tamen possumus credere divina maiestate alicui aliquando hoc esse concessum. F. zitiert, ohne den Namen zu nennen, als vir perfectissimus (122, 9) Quintilian, den er wie seinen M. Tullius stark benützt. Von jüngeren Rhetoren nennt er jenen Marcomannus, der als der erste in der römischen Literaturgeschichte auftauchende Germane eine gewisse Bedeutung hat. Dieser war wie Zeno des Sulpicius Victor Lehrer (der ein Stück seiner griechischen commentaria prope ad verbum translata übernimmt, 341, 27ff.) und gehört, wenn Gloeckners (103ff.) Identifikationen richtig sind, in die Zeit um 200. C. Iulius Victor nennt Marcomannos unter seinen sechs Quellen (371 und 448), Victorinus führt ihn an (299, 15) und polemisiert gegen ihn (173, 25): wie diese beiden wird F. ins 4. Jhdt. zu setzen sein – eine genauere Fixierung bleibt unmöglich, da es sich nicht entscheiden läßt, ob F. den Iulius Victor benützt (105, 20 = 388, 32. 127, 17ff. = 432, 34ff. u. a.) oder beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen (Simon 3f.), oder ob bei den Übereinstimmungen, die sich zwischen F. und Martianus Capella finden (z. B. 99, 26 = 461, 11, 120, 15 = 491, 25. Fort. II 23–27 = Mart. Cap. 49–53), dieser oder jener der abhängige ist (soweit nicht beide einer gemeinsamen Quelle folgen; Fort. III 13. 14 und Mart. Cap. 483f. aus Quintil. XI 2, vgl. Volkmann Rhetorik2, Leipzig 1885, 573. Simon 5 gegen Halm. Reuter Herm. XXVIII 112). Mag aber auch bei der größeren Ausführlichkeit F.s an den betreffenden Stellen dessen Benützung durch Capella wahrscheinlich sein (so urteilt Simon), so liefert auch das keine genauere Zeitbestimmung, da die Zeit Capellas selbst unsicher ist; mit Sicherheit ist er nur vor die Eroberung Afrikas durch die Vandalen, also vor 439 bezw. 429 zu setzen.
F.s Buch ist für den Gebrauch in der Rhetorschule bestimmt; 113, 8 gibt er eine Regel, die nur in foro, nicht in his scolasticis declamationibus anwendbar sei. Daß sein Versuch, sein Schulbuch in Frage und Antwort aufzulösen, nicht eben glänzend gelungen ist, hat man mit Recht betont; das Sprunghafte in der Gedankenverbindung beruht nicht selten darauf, daß F. kompiliert oder excerpiert (so bei den von Schanz 166 als Beispiel seiner Unbeholfenheit angeführten Fragen 129, 4: artem memoriae quis primus ostendit? Simonides, ex Simonidis facto de convicio quid adsumimus?, die fast wörtlich Quintil. XI 2, 11 und 17 wiedergeben mit Auslassung der dazwischen erzählten fabula). Das Vorbild für die katechetische Form waren ihm jedenfalls Ciceros auch recht trockene partitiones oratoriae; vgl. die ähnlichen katechetischen Stücke im Pariser Aphthonios-Kommentar, Walz II 1–4. 566, 27–567, 29, dazu Rabe Rh. Mus. LXII 1907, 559ff. Indessen ist F. die Anerkennung nicht zu versagen, daß er uns eine im ganzen wohl geordnete und trotz der Kürze der Fassung inhaltreiche Darstellung der späten Schulrhetorik bietet und keineswegs bloß, wie Iulius Victor, Quintilian und Cicero ausgeschrieben, sondern in größerer Selbständigkeit verschiedene Quellen und wahrscheinlich nicht selten griechische benützt hat. [46]
Durch drei Hexameter lädt F. den der Rhetorik Beflissenen zur Lektüre seines Katechismus ein; vier Distichen gleichen Inhalts eröffnen ebenso die disputatio de rhetorica et de virtutibus sapientissimi regis Karli et Albini magistri (Halm 525). Etliche Definitionen eröffnen dann das I. Buch F.s. Rhetorik: bene dicendi scientia (nach Quintil. II 15, 34 und 38), orator: vir bonus dicendi peritus (nach Cato bei Quintil. XII 1, 1); dies zwei ursprünglich stoische Definitionen (Striller 7f. v. Arnim Stoic. frg. II p. 95). Dann nach Hermagoras (Thiele 23. Jaeneke 35. 94f.): oratoris officium: bene dicere in civilibus quaestionibus. finis: persuadere, quatenus rerum et personarum condicio patiatur in civilibus quaestionibus. Die hermagoreischen πολιτικὰ ζητήματα (daß diese bereits von der Stoa stammten, vermuten Striller 19 und Jaeneke 58ff.; dagegen s. Thiele 34 und 174) werden dann gleichgesetzt den genera dicendi (während die hermagoreische Teilung in θέσις und ὑπόθεσις fehlt, Reuter Herm. XXVIII 75), demonstrativum (ἐπιδεικτικόν vel ἐγκωμιαστικόν, letzteres wohl stoischer Terminus, s. Volkmann Rhetorik2 21. Striller 31), deliberativum, iudiciale, von denen aber nur das Letzte im weiteren Berücksichtigung findet. Dann als partes oratoris officii (ἔργα τοῦ ῥήτορος) nicht die stoische Dreiteilung (Striller 35f.), sondern die bekannten fünf. Infolge der durch Hermagoras ausgebildeten, von den späteren immer subtiler ausgearbeiteten Statuslehre umfaßt die Lehre von der inventio F.s Buch I und II, im III. werden recht kurz und obenhin die übrigen vier officia abgehandelt unter den handschriftlich erhaltenen Überschriften de dispositione, de elocutione, de memoria, de pronuntiatione. Die inventio teilt F. in zwei Teile: I. Statuslehre mit allem, was dazu gehört, II. partes orationis. Die Beantwortung der Frage an consistat controversia gibt F. (I 2) kurz nach Hermagoras (Reuter 76. Jaeneke 111; das gleiche lehrte Minukianos, Gloeckner 29): κατάφασις und ἀπόφασις entstehen aus dem αἴτιον und συνέχον, letztere liefern das κρινόμενον (= στάσις); fehlt αἴτιον oder συνέχον, so ist das ζήτημα ἀσύστατον. Ἀσύστατα gibt es nach Hermagoras (Thiele 62ff.), den F. (I 2–4) anführt, vier (ἐλλείπουσα, ἰσάζουσα, μονομερής, ἄπορος). Die Beispiele, die F. gibt, sind dieselben wie bei Hermogenes p. 135f. Augustin 146. Iul. Vict. 374f., also jedenfalls die hermagoreischen; nur sein Beispiel des ἄπορον ist ein anderes, das hermagoreische bringt er in der Reihe der andern ἀσύστατα, die sich apud varios artium scriptores finden, unter antistrephusa nach (Jaeneke 116, 1. 122f. Reuter 77f.). Ein ungeschicktes Einschiebsel ist das über die cacosystatae (83, 34ff.; doch war es verkehrt von Simon 10, es deshalb streichen zu wollen; vgl. Reuter Herm. XXIV 179 Anm.). Es folgt die Erörterung des ductus, der Führung der Sache, anscheinend eine jüngere Erfindung der Rhetorenschule, deren F. 5 Arten unterscheidet (I 5–7, dazu Reuter Herm. XXVIII 78f.), dann die genera (I 8–9. Reuter 79f.) controversiarum: simplex, coniunctum, comparativum (ebenso Cic. inv. I 17f. Quintil. III 10, 1–3), je nach status rationalis und legalis geschieden, und zu diesen sechs tritt als siebentes das genus mixtum. [47] I 10 folgt ein genus publicum sive commune mit fünf Teilen, den vorangehenden genera parallel, aber auf die forma, das genus elocutionis, den modus actionis ausgehend; eine ähnliche Lehre gab Minukianos (Gloeckner 30) und überliefert Sulp. Vict. 6. p. 316 (Hermogenes p. 137, 9ff. lehnt sie ab). Es folgt die eigentliche Lehre von den status (Definition: quo consistit controversia; vgl. Gloeckner 31). Hermagoras unterschied vier status rationales und vier legales (Thiele 46ff.); erstere behält F. (I 11) bei, nur verlegt er die translatio unter die legales (wie bereits Albucius nach Quintil. III 6, 62; Cic. part. 101ff. hat auch nur drei Rationalstatus: coniectura, finis, qualitas), zu den legales fügt er nach Cic. inv. I 17 noch die definitio legalis hinzu (Reuter 80f.) Im einzelnen teilt F. die coniectura (I 12) in sechs modi (vgl. Quintil. VII 2, 7–11. Reuter 81f., auch Gloeckner 31f. 35ff.), finis (I 13) in fünf mit griech. Namen (Reuter 82); beim status qualitatis (Reuter 82ff.) behält F. die von Ciceros Lehrer vorgenommene (inv. I 12) Beschränkung der vier hermagoreischen Teile auf zwei, iuridicialis und negotialis, bei; erstere wird nach Hermagoras und Quintil. VII 4, 4ff. geschieden in die absoluta (κατ' ἀντίληψιν Hermagoras, Fort. I 14) und adsumptiva (κατ' ἀντίθεσιν, I 15–16), letztere (negotialis) wird I 17–21 wie bei Hermogenes (p. 164) die πραγματική als ἔγγραφος und ἄγραφος geschieden in scripto und extra scriptum mit weiteren Unterteilen, die sich teils mit Quintilian teils mit Cicero berühren. Von der translatio, die ihm legal, Hermagoras rational erschien, trennt F. nicht die praescriptio, die er nach Marcomannus (der Name genannt 98, 26; vgl. Iul. Vict. 382. Sulp. Vict. 339f., wo Marcomannus ebenfalls zitiert wird) behandelt, nur in einem Punkte, der praescriptio a modo, von ihm abweichend (auch hier wollte Simon 14 den Satz quid interest 98, 28 streichen, weil F. sonst nicht zwischen translatio und praescriptio scheidet, dagegen Reuter Herm. XXIV 179 Anm.; sicher aber stimmt dieser Satz nicht zu der vorangehenden Behandlung der translatio = praescriptio nach Marcomannus, sondern ist aus anderer Quelle ungeschickt von F. eingefügt, s. Gloeckner 48, 1); Marcomannus seinerseits scheint sich dabei an Hermogenes’ Lehre von der ἔγγραφος παραγραφή p. 142 (Reuter Herm. XXVIII 87) angelehnt zu haben (Mart. Cap. 458, 30 führt den Namen praescriptio fälschlich auf Hermagoras zurück; s. Thiele 53). Es folgen I 23 die Status scripti et voluntatis in zwei modi, mit dem stereotypen Beispiel vom peregrinus in muro (Cic. de orat. II 100. Quintil. VII 6, 6. Herniog. p. 140, 30. Mart. Cap. 461, 17), leges contrariae mit zwei modi (Quintilian ist nicht benützt, Reuter 89f.), ambiguitas (I 24) mit fünf modi, ähnlich Iul. Vict. 383 und Mart. Cap. 461, Quintilian und Hermogenes stehen der gemeinsamen Vorlage fern (Reuter 90; Striller 40 will sie, kaum richtig, der Stoa zuweisen), status collectivus (I 25) mit fünf modi (Hermog. p. 172, 21 hat deren vier), aber doch mit freier Benützung Quintilians über den syllogismus (VII 8), der wie Iul. Vict. 384f. nur zwei Möglichkeiten kennt (Reuter 90f. Jaeneke 53), schließlich die definitio legalis, [48] die zwar beim Auct. ad Herennium I 19 sich findet, von F. aber, wie er selbst 97, 29 sagt (dazu führt Halm zu Unrecht Rhet. ad. Her. an; das Werk scheint den späteren Rhetoren durchaus unbekannt zu sein; vgl. Striller 16, 1), aus M. Tullius, inv. II 153, übernommen ist (Reuter 91). Den Schluß des I. Buches bilden Erörterungen, über den Fundort der status (I 27), wobei Theodoros und Hermagoras erwähnt werden, F. aber sich ganz an Hermagoras anschließt (Simon 17), principalis und incidens status (I 28), comparativae materiae (I 29).
Das II. Buch beginnt F. mit der Betrachtung der circumstantiae (II 1–3); er hat die hermagoreischen (Aug. de rhet. 141; Thiele 42 nimmt nur sechs an) sieben (persona, res, causa, tempus, locus, modus) nur an letzter Stelle statt der ἀφορμαί die materia, die Hermogenes p. 212 als einen Zusatz der φιλόσοφοι ablehnt (Reuter 92f.), worunter wohl die Stoiker zu verstehen sein werden (Striller 27); die ὕλη noch erwähnt von Troilus, Walz VI 48. Schol. Walz II 13 (Striller 27, 5). Daß die Unterteile der Peristasen stoischen Ursprungs seien, ist lediglich Vermutung Strillers 30. Im einzelnen ist zur persona Cic. inv. I 35. Quintil. V 10, 22 (Simon 17) zu vergleichen; die Teilung der causa (II 2) in impulsiva und rationativa geht wohl auf Cic. inv. II 17 zurück (Reuter 93; daß sie hermagoreisch sei, vermutet Striller 31 n.), wenn auch die Fülle der angeführten griechischen Ausdrücke eine griechische Quelle erkennen läßt, die auch in der Teilung des locus als naturalis (= φύσει) und positivus (= θέσει) durchblickt. Es folgt ein Erzeugnis jüngerer, nachhermagoreischer Rhetorik, die Lehre von der divisio (διαίρεσις) der status; dabei werden die Gesichtspunkte hervorgesucht, unter denen sie sich behandeln lassen. Inwieweit F. II 4–11 im einzelnen mit Hermogenes, der diese Lehre p. 143ff. in ein festes, begründetes System gebracht hat, mit Iulius Victor 387ff. und Sulpicius Victor 325ff. sich deckt oder abweicht, beleuchtet Reuter 93–103. Zu bemerken ist, daß bezüglich des translativus status F. 107, 16 mit Iul. Vict. 392, 25 und Sulp. Vict. 340, 21 (praescriptio) wieder völlig übereinstimmt – die gemeinsame Quelle dafür ist Marcomannus. Die definitio legalis 108, 18 hat F. allein. Bei allen drei römischen Rhetoren dürfte die Abhängigkeit von dem durchgebildeten Schematismus des Hermogenes sicher sein. Die Anordnung stimmt mit Buch I völlig überein, d. h. F. benutzt wohl noch dieselbe Hauptquelle über die Statuslehre; nur die voluntas legis II 10 zwischen scriptum et voluntas und leges contrariae hebt sich deutlich als Einschub aus fremder und, wie die Zitate aus Cic. 107, 30 beweisen, römischer Quelle ab; es entspricht dem I 23 nichts. Man gewinnt den Eindruck, F. habe, von einzelnen Einschiebseln abgesehen, für die gesamte, damit beendete Statuslehre eine einheitliche Quelle benützt, die ihrerseits vor allen Dingen Hermagoras und Hermogenes, auch Marcomannus, d. h. also durchweg griechische Quellen, benützt hatte, wodurch sich auch die Fülle griechischer Termini, die wir bei F. finden, erklärt. Trotzdem ist es unsicher, ob diese Hauptquelle F.s selbst in griechischer oder lateinischer [49] Sprache geschrieben war. Zitate finden sich darin nicht, weder aus griechischer noch aus lateinischer Literatur. Die beigebrachten Beispiele sind die üblichen der Schule, wie sie bei Hermogenes (Jaeneke 7ff.) und sonst sich finden, völlig übereinstimmend mit den in den Kontroversiensammlungen den Deklamationen vorgesetzen Gesetzen und Fällen (z. B. 95, 5 rapta raptoris mortem aut indotatas nuptias optet. rapuit et profugit: dedit eam pater marito alii, reversum raptorem vult pater producere ad magistratum: ille contra dicit, vgl. Jaeneke 10). Indessen finden sich darunter ein paar Beispiele, die auf die römische Geschichte Bezug haben (84, 15. 92, 17. 101, 11), die es doch als wahrscheinlicher erscheinen lassen, daß F.s Quelle in der Statuslehre das Werk eines römischen Rhetors war, der griechische Quellen benützte.
Eine neue Quelle setzt nun deutlich bei Beginn des zweiten Teils der inventio, der Behandlung der Teile der Rede, ein, und zwar, wie die zahlreichen Zitate aus Cicero (110, 24. 111, 24. 112, 1 u. s.), eines sogar aus Cato (111, 20) beweisen, eine lateinische. F. gibt die bereits bei Isokrates (vgl. Sheehan De fide artis rhet. Isocr. attributae, Diss. Bonn 1901, 26) vorliegende, bekannte Vierteilung (vgl. Cic. part. 27; früher inv. I 19 hatte Cicero die Sechsteilung mit partitio und reprehensio ; Quintil. III 9, 1 gibt fünf Teile, partitio fehlt; vgl. Spengel Rh. Mus. XVIII 1863, 510): principia, narratio, argumentatio, peroratio. Diesen κατὰ τὸ πλεῖστον angenommenen fügt er aber sogleich andere, von quidam gelehrte hinzu (Reuter 104). Das exordium soll (II 13) den Richter attentus, benevolus, docilis machen, das wird erreicht durch die figurae materiarum: endoxos, amphidoxos, paradoxes, adoxos, dysparakoluthetos. F. stimmt mit Cic. inv. I 20f. im wesentlichen überein, die Lehre stammt, wie Augustin 147f. lehrt, bereits von Hermagoras (Thiele 114ff.), nur die δυσπαρακολούθητος = obscura ist später dazu gekommen (Jaeneke 116f. Gloeckner 30). F. schließt daran an die insinuatio (II 14), eine besondere Art der Einleitung, in der παράδοξος figura verwendbar; sieben vitia principiorum (II 15); dann die proecthesis, die in der Epit. Cornuti 11 p. 354, 10, Sp.-H. ähnlich erläutert wird, schließlich die proparasceue, die F. bezw. seine Vorlage der Figurenlehre entlehnt zu haben scheint; sie findet sich in den schem. dian. 60, 22 H. und bei Iul. Rufin. 32 p. 46 (Reuter 105f.). Es folgt die narratio (II 16); Parallelen aus anderen Rhetoren bei Reuter 107ff.; bemerkt sei, daß bezüglich der narratio an ungewöhnlicher Stelle und ihrer Fehler (II 17) Cic. inv. I 30 benützt wird. II 18 die genera narrationum, II 19 ihre species. Die Lehre, die narratio solle προκατάσκευος sein, die semina quaestionum enthalten, was man durch Beachtung der circumstantiae erreiche (II 20), die sich in ähnlicher Weise bei Sulp. Vict. 323. Iul. Vict. 421. Mart. Cap. 486, 32 findet, geht schließlich auf Hermagoras' Peristasenlehre zurück (Reuter 108). Anhangsweise behandelt F. dann den excessus (= διέξοδος), den Hermagoras nach Cic. inv. I 97 an anderer Stelle brachte (vgl. Quintil. IV 3), die ἀνανέωσις (epit. Cornuti 12 p. 354, 13 Sp.-H.), die partitio (II 21. 22) [50] mit einigen Abweichungen nach Cic. inv. I 31 ff. (Reuter 110) und schließlich die propositio (Quintil. IV 4). Der dritte Teil, die argumentatio (II 23. Reuter 111ff.), umfassend confirmatio und reprehensio, wird gegliedert in argumenta, reprehensio, quaestiones und eigentliche argumentatio. Die argumenta scheidet F., wie seit Aristoteles üblich, in artificialia und inartificialia. Die Topik der ersteren wird nach den vier loci: ante rem, in re, circa rem, post rem gegliedert, die sich dann allerdings in eine Menge Unter-loci spalten, so daß die Vereinfachung nur eine scheinbare ist. Volkmann Rhetorik2 108 wollte die Vierteilung auf Hermagoras (dagegen Thiele 42ff.), Striller 45 vielleicht mit mehr Recht auf die Stoa zurückführen. Als Anhang folgen alii apud varios auctores (II 24): ἀπὸ τῆς συζυγίας (Cic. top. 12 und 38, dazu Quintil. V 10, 85) und a qualitate. Dann die gewöhnlichen inartificialia (Cic. part. 48. Quintil. V 1, 2. Striller 46), dann die Zurückweisung (reprehensio) der Argumente des Gegners nach Cic. inv. I 79; part. 41. Bei Behandlung der quaestiones (II 26) kontaminiert F. mehrere Quellen: erst eine Aufzählung von acht species quaestionum, der die folgende Teilung jeder quaestio in προηγουμένη (Sulp. Vict. 325, 17) oder ἀναγκαία, die Apsines (12 p. 297 Sp.-H.) kennt, widerspricht, die aber auch mit der vorangehenden Behandlung des Beweises keinen Zusammenhang aufweist; hypophora und anthypophora, die Teile der ἀναγκαία quaestio, finden sich bei Hermogenes p. 207; trotz der Cicerozitate (p. 118, 2–3) liegt also schließlich ein griechischer Rhetor zu Grunde. II 28–29 behandelt die argumentatio als inductio (Exzerpt aus Cic. inv. I 51–54; vgl. Simon 4) und ratiocinatio (ein ungeschicktes, störendes Einschiebsel ist 118, 29–32, Reuter 113f.); von den fünf Teilen des Enthymems (II 29), ἐλεγκτικόν, δεικτικόν, γνωμικόν, παραδειγματικόν, συλλογιστικόν, gibt es die beiden ersten bereits bei Aristoteles rhet. II 22 p. 1396 b 24, diese und die nächsten zwei in der epit. Longini p. 209, 7 Sp.-H. Dann die ἐργασία (so mit Bernensis zu lesen) der Enthymeme, die epilogica quaestio, und als Anhang die ὑπεξαίρεσις (II 30), das Übergehen eines dem Gegner nützlichen Punktes in der Beweisführung, also eigentlich kein Redenteil, sondern eine Figur (Philodem. rhet. I p. 202 Sudh. ist ὑπεξαίρεσις = refutatio). Die peroratio teilt F. (II 31) wie Cic. inv. I 98ff. in ἀνακεφαλαίωσις, δείνωσις und οἶκτος; daß diese Dreiteilung hermagoreisch sei, wie Striller 14 vermutet, ist unerweislich.
In Buch III ist der Teil de dispositione (III 1–2) bis auf die Teilung in 2 modi, des rationalis und artificialis, Exzerpt aus Quintil. VII 1, 2–31, samt der Anführung des Celsus (Simon 7. Reuter 118). Der folgende Teil de elocutione, III 3–12 (Reuter 119ff.), ist nicht ein einheitliches Exzerpt aus bekannter Quelle, sondern eine Mosaikarbeit. Einheitlich erscheinen c. 3–7: quantitas verborum und structurae qualitas sind bei der elocutio zu beachten; erstere besteht in der copia, die legendo, discendo, novando, exercendo beschafft wird, und der bonitas, die in Vermeidung der mala (vulgaria, obsoleta, aliena, gentilia, obscura) und Suchen der bona (splendida, [51] antiqua, propria, translata) besteht (der Satz in 6 p. 124, 5 a quali syllaba usw. scheint ein Einschub an unrechter Stelle zu sein, s. 11 p. 127, 18). Einen Nachtrag liefert III 8 quae alia in elocutione observanda sunt?, dessen Forderungen ut verba sint latina, aperta, ornata, apta mit denen bei Cic. de orat. III 37 und Quintil. VIII 1ff. übereinstimmen. Nach griechischen Quellen (durchweg griechische Ausdrücke) behandelt III 9 in völlig eigentümlicher Art die characteres elocutionis, die nach ποσότης, ποιότης, πηλικότης gesondert werden (vgl. Volkmann Rhetorik2 532ff.). Diese drei genera principalia schließen einander natürlich nicht aus, sondern jede Rede gehört zu einem Unterteile aller drei genera. Nach der ποσότης scheiden sich die eigentlichen, seit Theophrast (s. Kroll Rh. Mus. LXII 1907, 88ff.) üblichen Stilcharaktere: ἁδρόν, ἰσχνόν und μέσον mit ihren Unterarten und Ausartungen (W. Schmids Rückführung dieser Dreiheit auf die Stoa, Rh. Mus. XLIX 1894, 136ff., beruht nur auf der Annahme, daß eben F. stoische Lehre wiedergebe). Nach der ποιότης werden die Reden geteilt in die drei genera: δραματικόν, διηγηματικόν, μικτόν, die als ποιήσεως χαρακτῆρες in Proklos Chrestomathie gleichfalls den Stilgattungen nachfolgten (vgl. Kaibel Prolegomena περὶ κωμωδίας, Abh. Gött. Ges. d. W., N. F. II 4, 1898, 28ff. Immisch Festschr. f. Gomperz 1902, 259ff.), auch bei Diom. G. L. I 482 sich finden und schließlich auf Platon (Politeia III 392 d. 314b. c) zurückgehen; hinzugefügt werden noch andere ποιότητας genera, die man publica sive communia nennen könne, wie ὀρθόν, ἀποφαντικόν u. a. Nach der πηλικότης teilt man in die drei genera: μακρόν, βραχύ, μέσον, eine Einteilung nach Länge und Kürze der Rede, die auf älteste rhetorische Theorie, wie sie uns noch bei Anaximenes vorliegt (22 μηκύνειν τοὺς λόγους, βραχυλογεῖν, μέσως λέγειν) zurückgreift (vgl. Liers Jahrb. f. Philol. CXXXI 1885, 586ff.). III 10 handelt von den Figuren (die Tropen fehlen ganz), die in merkwürdiger Dreiteilung (Volkmann 462) aufgeführt werden, indem die grammatischen Figuren (die von Kaikilios und seinen Nachfolgern als ἀλλοιώσεις unter den Wortfiguren behandelt wurden, H. Schrader Herm. XXXIX 1904, 575) als dritter Teil neben die gewöhnlichen Wort- und Sinnfiguren treten. Diese Dreiteilung, die Striller 53 (dem Reuter 121 noch zustimmt) ohne Beweis auf stoische Doktrin zurückführen wollte (vgl. W. Barczat De figurarum disciplinae auctoribus I, Diss. Gött. 1904, 25), wird noch erwähnt von Victorinus zu Cic. II 15 p. 271, 22 H. (vgl. schem. lex. 54, 28ff.) und angewendet bei Ps.-Herodianos περὶ σχημάτων (III p. 85ff. Sp.); sie stammt sicher erst aus der Zeit nach Quintilian (R. Müller Herm. XXXIX 1904, 449). III 10–12 bespricht (nach lateinischer Quelle) die structura; von deren 4 modi (conversione verborum, adiectione, detractione, inmutatione) begegnen die drei letzten bei Quintil. IX 4, 147. Von diesen ziemlich planlos zusammengewürfelten Stücken hebt sich der Autor von c. 3–7 heraus durch die Fülle guter und seltener Zitate; neben vielen Ciceroreden führt er die Tusculanen (122, 12) sowie de inventione (122, 14), ferner Quintilian (122, 10), aber auch Catos res rustica (122, 13), Lucilius (124, 8 = [52] frg. 1168 Marx), die XII tabulae und das carmen saliare (124, 12), sogar ein Redenfragment des L. Sempronius Atratinus, gegen Caelius vom J. 56 (124, 26) an: da haben wir einen in den Schätzen seiner nationalen Literatur wohlbewanderten Rhetor vor uns. Völlig aus Quintil. XI 2, 2–48 stammt der Teil de memoria (III 13–14) samt der Erwähnung des Simonides, Charmadas und Metrodorus (Simon 5. Reuter 124). Und auch vom letzten Teile de pronuntiatione (III 15–23) stammen große Teile aus Quintilian. So die Zweckbestimmung ut conciliemus, persuadeamus, moveamus aus Quintil. XI 3, 154 (nach Cic. de orat. III 213), und von den Teilen der pronuntiatio a) voce, b) vultu, c) gestu, d) cultu stammen b–d (III 21–23) auch ganz aus Quintil. inst. XI 3, 75ff. (Simon 6. Reuter 125f.), während a auf eine andere Quelle zurückzugehen scheint. Nach F. besteht die vox natura (und zwar quantitate und qualitate) et scientia, die dazu dient, quo modo ea utaris. Ziel ist bonitas vocis, die die Natur gibt, unterstützt durch diligentia und cura (soweit berührt sich F. wieder stark mit Quintil. XI 3, 1ff.); diese besteht im alere, custodire, restituere, wofür je genaue Vorschriften gegeben werden, von denen Quintil. § 19ff. zu reden ablehnt. Die. Behandlung der pronuntiatio, soweit sie elocutio ist (III 19), stimmt mit den Forderungen, sie solle emendata, dilucida, ornata, apta sein, wieder zu Quintil. XI 3, 30–65; diese gehen, wie Cic. orat. 79 zeigt (vgl. de orat. III 37 und oben F. III 8. Kroll Rh. Mus. LVIII 1903, 574), bereits auf Theophrastos zurück. Das weitere über die Berücksichtigung der qualitas rerum, personarum, locorum und temporum stammt wieder aus anderer Quelle.
Überblickt man diese Inhaltsübersicht samt den beigebrachten Parallelen, so ist klar, daß die Quellenfrage bei F., wie bei einem so späten Autor auch nicht anders zu erwarten, keineswegs glatt und einfach lösbar ist. Für die Statuslehre benutzt F. einen den besten griechischen Quellen folgenden Rhetor (sei er selbst Grieche oder Römer, oder ward der Grieche F. erst durch einen römischen Mittelsmann zugänglich); dieser Rhetor – er mag dem beginnenden 3. Jhdt. angehört haben – benutzte Hermogenes, wohl auch Marcomannus (dieser könnte indes auch von F. selbst herangezogen sein), und vor allen Hermagoras, diesen so sehr, daß man nach Vossius De hist. latinis p. 18 von ihm sagen kann: Hermagoreorum doctrinam plane expressisse, oder wie Thiele 19 es ausdrückt: ,F. (und Augustin) lag ein Rhetor vor, der sich wahrscheinlich als Sospitator des Hermagoras ... gefiel‘. Im übrigen folgt F. bald lateinischen (darunter erkennbar Cicero und besonders Quintilian), bald griechischen Quellen in bunter Abwechslung, und es wird nie gelingen, im einzelnen genauere Quellennachweise zu führen. Ein starker, pedantischer Hang zum Schematismus beherrscht die ganze spätere Schulrhetorik. Dieser konnte seine größten Triumphe in der Statuslehre feiern, Hermogenes ward da von höchstem Einflusse, andere Teile der Rhetorik setzten diesem Streben unüberwindliche Hindernisse entgegen und wurden deshalb dürftig nach klassischen Mustern abgehandelt (Reuter 133). Dieser Schematismus war es jedenfalls, [53] der Volkmann Rhetorik² 9 und sonst zu der Behauptung veranlaßte, nach F. (wie nach Sulpicius Victor) könne man sich eine Vorstellung machen von stoischen Lehrbüchern der Rhetorik. Der nachweisbare Einfluß der Stoa ist äußerst gering, weit geringer als Striller nachzuweisen suchte und unbewiesenermaßen glaubte (Striller 4. Reuter 90 Anm.). Äußerungen wie: F. sei als ,die reinste Quelle der stoischen Lehre zu betrachten‘ (W. Schmid Rh. Mus. XLIX 1894, 139), oder er biete Hermagorae maioris doctrinam in Stoicorum officinis immutatam et inflexam (Glöckner 110) sollten füglich unterbleiben. Eine andere, hier nicht zu erörternde Frage ist, inwieweit Hermagoras selbst von der Philosophie, vor allem der Stoa, beeinflußt war (Thiele 170ff. Jaeneke 54ff.).
Handschriften und Ausgaben: Editio princeps (nach Halm): Chirii consulti Fortunatiani Rhetoricorum libri tres, Dialectica usw., H. B. *7305 (= Pr. 5256), daneben die Sonderausgabe Fortunatianus Rhetoricorum libb. III et de officio Oratoris, H. C. 7306 (= Pr. 5257), beide Ausgaben, ohne Druckort und Jahr, bei Christophorus de Pensis in Venedig um 1500 gedruckt. Dann gedruckt am Schlusse der Ausgaben der Rhetores von Aldus, Venetiis 1523 und 1537 (Fabricius 457) und in der Basler apud Andream Cratandrum, 1526. Sonderausgaben von P. Nannius, Lovan. 1550: Argentin. 1568 mit praef. Valentini Erythraei (Fabricius 459f.). Als Vulgata gilt der Text in den Rhet. lat. von Pithoeus, Paris 1599, 38–78, danach bei Capperonnerius, Straßburg 1756, 53–101, unter dem Titel Curii Fortunatiani consulti artis rhetoricae scholicae libri. Deshalb identifizierte Fabricius 459 u. a. diesen F. mit dem Hist. aug. Max. Balb. 4, 5 genannten Historiker Curius Fortunatianus. Textabdruck in den Autori del ben parlare, Venedig 1643, Bd. XI tom. 2 p. 127–180. Der Text auf handschriftlicher Grundlage aufgebaut von Halm Rhet. lat. min. 1863, 79–134. Maßgebend sind ein D(armstadiensis) 166, saec. VII (in diesem wird der anschließende Augustinus de rhetorica als de dialectica lib. IIII des F. gezählt; vgl. Halm S.-Ber. Akad. München 1862 II 14), ein P(arisinus) 7530 saec. VIII und ein B(ernensis) 363, dessen Entstehungszeit Reuter Herm. XXIV 161ff. aus darin enthaltenen Gedichten auf die Zeit 841 bis spätestens 869 berechnet. Der Wert des Bernensis (Reuter 182), den Halm überschätzte, wird beeinträchtigt durch Fehler, zahlreiche Lücken und durch das Zusammenziehen der Frage und Antwort zu einem Satze an vielen Stellen; genauere Angaben als bei Halm hierüber in Reuters Nachkollation 167ff., kritische Besprechung einzelner Stellen 178ff. Wo in B die dialogische Form erhalten, ist sie durch vorgesetztes D (= διδάσκαλος) und M (= μαθητής) überall kenntlich gemacht (Halm 81 App. zu 4), was man aber nicht mit Gloeckner 109 auf die griechische Vorlage F.s zurückführen darf, die für das ganze Buch sicher nicht existiert hat. Aus der Menge der Abweichungen in B folgert Reuter 183f. mit Recht engere Verwandtschaft von DP, denen B als selbständigere Überlieferung gegenübersteht. Nebenbei hat Halm noch einen cod. E(mmeranus) und einen F(risingensis) 206, beide [54] jetzt Monacenses lat. 14649 und 6406, saec. XII und XIII herangezogen. Der nach den besten Hss. herzustellende Titel des Werkes lautet: C. (mehrfach in consulti oder consulis aufgelöst) Chirii Fortunatiani ars rhetorica. In E wird stets der Zusatz enchiriadis gemacht, mehrfach (am Anfang von I in E, am Anfang von II in DPE, am Anfange und Schluß von III in D) wird scholica (oder scolica) hinzugefügt, woraus die Titelform bei Pithoeus stammt, was Capperonnerius p. 53 not. 2 als Entstellung aus scholasticae (s. F. 113, 9) betrachtete, doch s. Varro bei Non. 451 M. Gell. IV 1, 1 (Westermann Gesch. d. Ber. II 1835, 307, 12); Gloeckners (109) Schlüsse aus diesem Worte, der dazu Epit. Cornuti 179 p. 383, 16 Sp.-H. vergleicht, sind hinfällig.
Literatur: Jo. Alb. Fabricius Bibliotheca latina, aucta ab Jo. Aug. Ernesti Tom. III 1774, 458–460. J. Simon Krit. Beitr. z. Rhetorik des C. Chirius F., Gratulationsschrift, Schweinfurt 1872, der zahlreiche Glossen und Lücken nachweist (dazu Reuter Herm. XXIV 179 Anm. 1). Striller De Stoicorum studiis rhetoricis. Bresl. philol. Abh. I 2, 1886. Reuter Herm. XXIV 1889, 161ff. Teuffel-Schwabe Röm. Lit.5 1890 § 427, 5. Reuter Untersuchungen zu den römischen Technographen Fortunatian, Iulius Victor, Capella und Sulpitius Victor, Herm. XXVIII 1893, 73ff. G. Thiele Hermagoras, Straßburg 1893. Gloeckner Quaest. rhetoricae, Bresl. philol. Abh. VIII 2, 1901, bes. 109–111. Schanz Röm. Lit.-Gesch. IV 1, 1904, 166, wo aber keine neuere Literatur angeführt, geschweige denn benützt wird. Jaeneke De statuum doctrina ab Hermogene tradita, Diss. Leipz. 1904.
Am Schlusse von F. I steht in B (Halm 102 zu 19): Clodiani (sup. lin. vel Claudiani) Chirii Fortunatiani artis rhetoricae lib. Derselbe Bernensis enthält nun eine ars rhetorica Clodiani de statibus, bei Halm 590–592 gedruckt. In Wahrheit enthält dieser Traktat Exzerpte aus verschiedenen Schriften (Halm p. XIV): einen kurzen Abschnitt über Statuslehre, worin Cicero, Quintilian und Graeci angeführt werden, eine Definition von colon und comma mit je einem Vergilbeispiel; eine längere Auseinandersetzung über aequivoca (= homonyma, s. die Stellen über diese Wortsippe im Thes. l. l. I 1017), multivoca, univoca usw., also ein Stück Aristotelischer Kategorienlehre, wie Halm p. XIV bemerkt, nicht dem Werk des Boethius entnommen; schließlich ein kurzes moralisierendes Stück über das γνῶθι σεαυτόν. Die Überschrift paßt also nur zu dem ersten Exzerptenstück, das offenbar dem Werk eines Clodianus entnommen ist. Es fragt sich nun, ist dieser Clodianus identisch mit F.? Die Frage ist unbedingt zu verneinen. Schon die Definition 590, 1 status ... dicitur eo, quod in eo pars utraque consistit stimmt nicht mit F. I 11 überein. Ebenso fehlt bei F. die Bezeichnung Ciceros (inv. I 10) für στάσις, nämlich constitutio, und der griechische Ausdruck γενικὸν κεφάλαιον. Von den vier hermagoreischen Rationalstatus gibt Clodianus die griechischen Namen, als Autor der Ablehnung der translatio nennt er Quintilian (III 6, 63ff.) – beides fehlt bei F. Clodian teilt die coniectura in simplex, plena und. semiplena, F. [55] nach sechs modi. Also ist Clodiani im Bernensis F.s falsche Auflösung des C. Jener Clodianus ist ein rhetorischer Schriftsteller unbekannter, aber spätester Zeit, wie besonders die Wortbildung multoties 590, 14 beweist, die nur aus Augustin und Iustinians Novellen belegt ist.