Euthenia (Εὐθηνία), der blühende Zustand, der Überfluß, die Fülle, als Appellativ erst seit Aristoteles in der Literatur nachweisbar, als Personifikation zu vergleichen der römischen Abundantia (s. d.) und der in verschiedenen kleinasiatischen Städten verehrten Eubosia (s. d.); wie letztere zumal in Phrygien zu Hierapolis heimisch, so ist die ihr verwandte E. nachzuweisen für Anazarbos in Kilikien, laut Weihinschrift (Eὐθηνίᾳ θεᾷ ... Δημήτριος) bei W. M. Ramsay Journ. of Philol. XI 1882, 144 nr. 3. Usener Göttern. 370; zwischen E. und Eubosia schwankt Imhoof-Blumer bei der Deutung der weiblichen Figur, die linkshin stehend in der Rechten Ähren, in der Linken ein Füllhorn hält, auf der Vorderseite einer Kupfermünze von Skepsis (Troas), Griech. Münz. 106 (630), 236. Vgl. auch Eueteria. Statuen der E. und des Limos (vgl. die Gegensätze copia und inopia) fanden sich zu Byzanz, Kodinos de signis CP. p. 60, 3 Bkk. Auf dem aus römischer Kaiserzeit, wahrscheinlich aus der Villa des Herodes Atticus stammenden Flachrelief aus Luku in der Thyreatis (abgebildet Ann. d. Inst. I 1829 tav. C 1. Roscher Myth. Lex. III 2124 Fig. 12) steht links auf einer Basis mit Aufschrift ΕΥΘΗΝΙΑ eine kleine weibliche Figur in Chiton und Mantel rechtshin, eine große Fruchtschale vor sich hertragend; ihr gegenüber rechts sitzt eine mächtige Frauengestalt, gleichfalls bekleidet, mit Schale auf dem Schoß, durch die Inschrift ihrer Sitzlehne als Epiktesis bezeichnet, wenn nicht die im Feld stehende Inschrift Τελετή auf sie bezogen werden muß; diese mit der Statuette links auf der Säule über der E. in Verbindung zu bringen, geht nicht wohl an; durch die am Baum hängende Tänie wird der sakrale Charakter des Lokals betont; dieses rätselhafte Teleterelief erklärt v. Prott als ein Denkmal der Verbindung von mystischem Dionysos-, Demeter- und Kaiserkultus, Athen. Mitt. XXVII 1902, 266; vgl. Ann. d. Inst. a. O. 132ff. Deubner bei Roscher a. O. 2125, 5ff. Namentlich häufig erscheint E. auf Kupfer-, seltener Billonmünzen von Alexandreia in Ägypten von Augustus bis Claudius II., mit und ohne Beischrift, stets bekleidet mit Chiton und Peplos, das Haupt von einem Ährenkranz umwunden, häufig mit Uraiosschlange über dem Scheitel, mit Ähren und Mohnköpfen in der Rechten, mit Füllhorn oder Zepter im linken Arm, usw. in zahlreichen Typen, bald für sich allein als Büste oder in ganzer Figur stehend, sitzend oder gelagert, bald zusammen mit Demeter oder mit Neilos als dessen Genossin oder Gemahl, vgl. Brit. Mus. Cat. of Alex. Introd. p. LIII. LXXIXff. LXXXIX. Head HN 720. 722. Büste der E. rechtshin, von Ähren umkränzt und mit Ähren in der Rechten, auf Kupfermünzen, mit Livia und Agrippina der jüngeren, Brit. Mus. Catal. of Alex. 4, 28. 14, 108–110 (pl. XXII 28. 108). E. linkshin stehend mit Ähren in der gesenkten Rechten und mit Füllhorn im linken Arm auf Kupfermünze mit Marc Aurel a. O. 158, 1303 (pl. XXII 1303). E. linkshin thronend mit Ähren
[1499]
in der vorgestreckten Rechten und mit Zepter im linken Arm, mit Beischrift ΕVΘΗNIA (?) CEBACTH auf Kupfermünze mit Domitian a. O. 36, 292 (pl. XXII 292); ebenso mit Korn und Uraios über dem Scheitel, mit Ähren und Mohn in der vorgestreckten Rechten und mit der Linken auf das Zepter gestützt, auf Kupfermünze mit Antoninus Pius a. O. 138, 1161 (pl. XXII 1161); ebenso linkshin sitzend auf dem Rücken eines Androsphinx auf Basis, das Zepter im linken Arm, auf Kupfermünze mit Traian a. O. 58, 480 (pl. XXII 480); desgleichen mit sechzehn Putten im Rund um E. herum, die Ellen andeutend, um die der Nil ansteigt, auf Kupfermünze mit Traian, a. O. 59, 485 (pl. XXII 485); desgleichen rechtshin sitzend mit Oberkörper und Gesicht en face auf einem Felsen mit Androsphinx, mit der Rechten den Kopf stützend, rechts eine Oinochoë auf einem Tisch, a. O. 58, 484 (pl. XXII 484). Ferner E. linkshin gelagert auf Androsphinx rechts, mit Uraios und Korn auf dem Haupt, mit Ähren und Mohn in der vorgestreckten Rechten, mit Zepter im linken Arm, auf Kupfermünzen mit Traian und Hadrian, a. O. 58, 481–483. 94, 797–803 (pl. XXII 483. 799); ebenso auf Kupfermünzen mit Antoninus Pius, nur daß E. gelegentlich mit der Rechten noch ein Gewandende, im linken Arm eine Lotosblüte hält und in ihrem Schoß Früchte trägt, a. O. 138, 1162–1166 (pl. XXII 1162); bemerkenswert sind die Beischriften Εὐθηνία τρίτου bei nr. 1163 und Εὐθηνία ἔτους τρίτου bei nr. 1164. Weiter auf Kupfermünzen mit Traian und Hadrian E. rechts mit Ähren und Zepter linkshin stehend oder sitzend und Demeter links stehend nach rechts, a. O. 59, 486–489. 94, 804–807 (pl. XXII 487. 488. 806). Ferner E. zusammen mit Neilos. Beide halben Leibes dargestellt, gleichsam aus dem Fluß aufsteigend, E. links mit Körper en face, den Kopf halbrechts dem Neilos zugewandt, mit den Charakteristika der Isis, mit langem Haar, Uraios und Lotos über dem Scheitel, mit Sistrum in der erhobenen Rechten, mit dem sog. nodus Isiacus zwischen den Brüsten, so auf Kupfermünze mit Hadrian a. O. 93, 796 (pl. XXI 796); nach Theophylaktos hist. VII 16 sollen unter Kaiser Mauricius Tiberius (582–602) zwei riesige Menschengestalten, der Neilos und seine Genossin, halb aus den Fluten des Stromes emporgetaucht sein. Lediglich Billonmünzen sind es mit Annia Faustina, Iulia Maesa, Severus Alexander, Iulia Mamaea und Claudius II., welche die mit einander verbundenen Brustbilder der E. und des Neilos zeigen, nach rechts, und zwar wieder E. mit Ähren bekränzt und mit Knoten auf der Brust, a. O. 199, 1555. 203, 1578. 205, 1588. 214, 1675f. 224, 1754. 302, 2328f. (pl. XXI 1588. 1754). Endlich E. und Neilos in ganzer Figur. E. rechts hinter Neilos stehend nach links, mit der Linken Ähren schulternd, die Rechte erhoben mit der Gebärde des Bekränzens, auf Kupfermünzen mit Traian. a. O. 58, 477–479 (pl. XXI 477); auf solchen mit Antoninus Pius E. vor dem sitzenden Neilos stehend, das eine Mal rechts linkshin stehend, mit der erhobenen Rechten dem Flußgott Ähren darbietend, das andere Mal links stehend nach rechts mit Kranz in der erhobenen Rechten, a. O. 137, 1158–1160 (pl. XXI 1158. 1160); schließlich ebenso E. rechtshin stehend
[1500]
mit der Rechten dem vor ihr sitzenden Neilos einen Kranz hinhaltend und mit der Linken den Mantel tragend, auf Billonmünze mit Marc Aurel a. O. 154, 1276. Mit Hilfe der Münzen von Alexandreia hat Furtwängler auch auf der sog. Tazza Farnese, einer flachen Reliefschale aus einem Stück Sardonyx zu Neapel, E. erkannt in der zu Füßen des links sitzenden Neilos auf einem Sphinx gelagerten Frauengestalt mit Ähren in der erhobenen Rechten. Ihr Gewand läßt nach ägyptischer Weise Brust und Schultern frei; nur schmale Bänder gehen über die Schultern und sind vorn zwischen den Brüsten in einen Knoten geschlungen wie bei den Bildern der Isis; charakteristischerweise stützt sie sich mit dem linken Arm auf den Sphinx auf, ein weiteres Charakteristikum sind die gedrehten libyschen Locken, vgl. Furtwängler Die ant. Gemmen II 255f. z. Taf. LV. Die Beischrift Εὐθηνία σεβαστή findet sich auch auf dem Revers von Kupfermünzen von Diktynna auf Kreta zu einem Ähren-Trauben-Symbol, das heißt zu einer Weintraube auf Reblaubblatt, überragt von drei bezw. zwei Ähren. Imhoof-Blumer Monn. gr. 471, 76. Svoronos Numism. de la Crète anc. I 121f. nr. 1–3 (pl. XI 1, 2), ferner auf kretischen Kupfermünzen mit Domitian zum aufrecht gestellten Hermesstab und zwei sich kreuzenden Füllhörnern, Svoronos a. O. 343, 53f. (pl. XXXIII 15). Und wiederum mit gleicher Beischrift und unter Domitian kommt E. sitzend mit Ähren in der Hand auf Silbermünzen des kappadokischen Kaisareia vor, Rev. num. 1895, 67, 3 (pl. III 2). Dagegen ist die linkshin stehende Göttin mit Kalathos, Schale und Füllhorn auf dem Revers von Kupfermünzen von Adramytion (Mysien) mit Caracalla und Philippus dem jüngeren nach Imhoof selbst richtiger Homonoia denn E. zu nennen, vgl. Imhoof-Blumer Kleinasiat. Mz. II, 5. 12f., 10–13 und dazu S. 566 A. 1. Vgl. Welcker Griech. Götterl. III 137. Roscher Myth. Lex. I 1438, 41ff. III 99, 13ff. 102, 35. 2074, 1f. 2113, 58ff. 2125, 5ff. 2135, 53ff. 2166, 23.