Eumolpidai (Εὐμολπίδαι), das vornehmste eleusinische Priestergeschlecht, das etwa ein Jahrtausend lang das Amt der Hierophantie verwaltet hat, vgl. Hesych. Photios s. v. und Toepffer Att. Genealogie 26. Es hat den Namen von einer wichtigen liturgischen Funktion, von dem εὖ μέλπεσθαι. Vgl. dazu das aus dem 3. Jhdt. n. Chr. stammende Epigramm IG III 713 und Hiller v. Gaertringen De Graecor. fabulis ad Thraces pertinentibus 1886, 27f. Sein Stammvater ist der Heros Eumolpos, der Sohn des Poseidon (s. den Art. Eumolpos Nr. 1), wie Keryx der der Keryken und Krokon der der Krokoniden ist, also von zwei Geschlechtern, die ihren Namen auch von einer sakralen Funktion erhalten haben. Mit Recht hat Toepffer a. a. O. 25 betont, daß der erste Priester, der durch seine Stimme die heilige Festfeier verschönt hat, erst als Heros den Namen Eumolpos erhalten mußte, ehe sich das ganze Geschlecht E. nannte. Denn den Namen E., wie früher geschehen ist, direkt von der sakralen Funktion des εὖ μέλπεσθαι abzuleiten, wäre nur möglich, wenn das Geschlecht Εὔμολποι· hieße, was nie vorgekommen ist. Durch die Hierophantie sind die E. eins der ersten Adelsgeschlechter Attikas geworden, da es keinen höheren Priester gab als den Hierophanten der eleusinischen Mysterien. Über dessen sakrale Stellung und Bedeutung, die durch die neuen Inschriftfunde klar geworden ist, vgl. den Art. Hierophantes und vorläufig Toepffer a. a. O. 44ff. P. Foucart Les grands mystères d’Éleusis (Mémoires de l'académie des inscriptions et belles-lettres XXXVII 1900) 24ff. Pringsheim Archaeol. Beiträge z. Geschichte des eleusin. Kults, München 1905, 7ff. 117 und auch sonst. Wenn die E. auch sicher immer den Hierophanten gestellt haben, dessen Amtsdauer lebenslänglich war, so sind wir doch über das System bei der Vererbung dieser Würde innerhalb des Geschlechts noch immer nicht genau orientiert (Toepffer a. a. O. 51. Foucart a. a. O. 25). Wie dem Hierophanten vor allem das φαίνειν τὰ ἱερά anvertraut war, so hat das Geschlecht der E. offenbar auch stets die ἱερά der Mysterien in Verwahrung gehabt; vgl. dazu das E.-Dekret (4. Jhdt.?) IG II 5, 597 b, 8ff. νέμειν δὲ αὐτῷ καὶ [με]ρίδα ἐγ [μ]υστηρίων τῶν μεγάλ[ω]ν καὶ τῶν πρὸς Ἄγραν ὅσημπερ [Ε]ὐμολπιδῶν ἑκάστῳ, ἐπειδὴ σπουδαῖός ἐστι περὶ τὰ ἱερὰ κα[ὶ τ]ὸ γένος τὸ Εὐμο[λπιδ]ῶν. Den E. war daher nach den νόμοι περὶ τῶν μυστηρίων auch die Aufsicht über die die ἱερὰ von Eleusis nach Athen und von Athen nach Eleusis geleitenden Epheben übertragen (IG III 5). Sie hatten ferner zusammen mit den Keryken das Vorrecht des μυεῖν (vgl. vor allem IG I p. 170 nr. 225, 19 und p. 172 nr. 225 e), scheinen aber selber von der μύησις nicht dispensiert gewesen zu sein, da unter den παῖδες μυηθέντες ἀφ' ἑστίας
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sowohl ein E. als mehrere Keryken begegnen (Pringsheim a. a. O. 41, 4). Das Haupt des E.-Geschlechts mußte den Epheben, die die ἱερά geleitet hatten, dasselbe zu teil werden lassen wie seinen Geschlechtsgenossen, vgl. IG III 5, 30ff.: μεθέξουσιν δ[ὲ κ]αὶ οἱ ἔφηβοι πάντες τῶν τε ἄλλων ὧν ἂν παρέχ[ηι τ]οῖς Ε. ὁ ἄρχων τοῦ γένους καὶ τῆ[ς] δι[αν]ομῆς; vgl. dazu auch die oben zitierte Stelle des E.-Dekrets IG II 5, 597 b, 8ff. Ein anderes Vorrecht, das die hervorragende Stellung des E. Geschlechts markiert, ist seine Jurisdiktion, die jetzt allerdings von Foucart a. a. O. 11f. bestritten wird, der sie lediglich als eine private Institution aufgefaßt haben will, der man sich nur freiwillig unterwerfen kann. Die strittige Stelle steht bei Demosthenes XXII 27 τῆς ἀσεβείας κατὰ ταὔτ' ἔστ' ἀπάγειν, γράφεσθαι, δικάζεσθαι πρὸς Ε., φαίνειν (Weil; φράζειν codd.) πρὸς τὸν βασιλέα. Foucart a. a. O. 12 vergleicht dazu das Schol. p. 601, 26: ἱερὸν δὲ γένος Ε., ἰερᾶται δὲ ἐν Ἐλευσῖνι, καὶ ἐπὶ τούτου πολλάκις ἐδικάζοντο ἀσεβείας οἱ βουλόμενοι. Die Stelle der Rede gegen die Neaira (Ps.-Demosth. LIX) 116 gehört wohl nicht hierher. Dagegen ist die exegetische Tätigkeit des E.-Geschlechts sicher; vgl. den Art. Ἐξηγητάί. Schließlich wurden nach Aristot. Ἀθ. πολ. c. 57 von den ἐπιμεληταὶ τῶν μυστηρίων stets je einer aus den Geschlechtern der E. und Keryken gewählt; vgl. o. Bd. V S. 171. Wie Keryken und E. sich in die wichtigsten sakralen Funktionen auch sonst teilen, werden auch nur aus ihren beiden Geschlechtern die σπονδοφόροι gewählt (IG II 605. Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 82 nr. 10 [= IG II 597 c]. Toepffer a. a. O. 80). Von speziellen Gentilbeamten der E. werden nur der ἄρχων τοῦ γένους und der ταμίας τοῦ γένους erwähnt (IG II 605, 19. III 5, 32. 36. 731. Ἐφημ. ἀρχ. 1883, 82 nr. 10). Wie hoch die Ehre war, ἄρχων τοῦ γένους τῶν Ε. zu sein, geht aus der Tatsache hervor, daß vielleicht Hadrian dieselbe nicht verschmähte, der schon vorher ἐνγραφεὶς εἰς τοὺς Ε. war (Athen. Mitt. XIX 1894, 172 Z. 5ff.), wenn ihm Philios mit Recht diesen in Eleusis gefundenen Brief zugeschrieben hat. Auch Lucius Verus ließ sich in das Geschlechterbuch der E. einschreiben (Ἐφημ. ἀρχ. 1895, 110 nr. 27. 20). In der Mitte des 3. Jhdts. gehörte der Proconsul Asiens, Iulius Proclus Quintilianus, zum E.-Geschlecht; s. Foucart a. a. O. 13, 3. Das Ansehen der E. wird auch noch besonders beleuchtet durch Ciceros Frage de legibus II 14: Quid ergo aget Iacchus Eumolpidaeque nostri et augusta illa mysteria, si quidem sacra nocturna tollimus?