RE:Echidna
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
Erdschlange in der griechischen Sage, Gattin des Typhon | |||
Band V,2 (1905) S. 1917–1919 | |||
Echidna (Mythologie) in der Wikipedia | |||
Echidna in Wikidata | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register V,2 | Alle Register | ||
|
Echidna (Ἔχιδνα, Etymologie: Etym. M.), die Erdschlange, der Wurm, im Gegensatz zur Göttin Ge, oder ,mehr χθών als γῆ‘ (Wilamowitz). Mit Unrecht leitet man E. von dem vedischen ahi her, Bréal Mélanges de myth. et de linguist. 96f. W. Cox Myth. of the Arian nations II 334. Noch weniger ist E. ein Wolkendaimon, Gilbert Griech. Myth. 76f. Paulus Diaconus (Schol. Hes. ed. Flach 317) erklärt sie für die im Erdinnern eingeschlossene Luft.
Als Eltern werden genannt entweder Peiras und Styx, Hes. th. 295 (nicht wie man früher meist annahm Chrysaor und Kallirrhoe), Epimenides frg. 10 (Paus. VIII 18, 2), oder Phorkys und Keto, Pherekyd. frg. 21 (Schol. Apoll. Rhod. II 1248), oder Tartaros und Ge, Apollod. II 4, oder Phanes, Athenagoras suppl. pro Christ. p. 96 Otto, vgl. Kern De Orphei Epimen. Pherec. theog. quaest. crit. 29.
Gatte der E. ist meistens Typhon, der Gott des verheerenden Sturmwindes, eine ursprünglich echt hellenische Figur. Erst später wird er mit den vulkanischen Gegenden Kleinasiens in Verbindung gebracht. Mit ihm zeugt E. den Orthos, den Hund des Geryoneus, Hes. th. 308f. Apollod. II 106. Quint. Smyrn. VI 254. Schol. Plat. Tim. 24 E. Serv. Aen. VIII 300; ferner den Kerberos, Hes. th. 310f. Bakchyl. V 62. Soph. Trach. 1099. Kallim. frg. 161 (Etym. M. 245, 31). Quint. Smyrn. VI 261. Hyg. fab. praef. p. 12 Schmidt; fab. 161. Ovid. met. VII 408; die Hydra, Hes. th. 313. Hyg. a. O., vgl. Ovid. met. IX 69. 158. IV 501; fast. V 405, und die ,zweite E.‘ bei Tzetz. Lyk. 1354; die Chimaira. Hes. th. 319f. (von einem andern Vater?). Apollod. II 31. Hyg. a. O. Schol. Il. VI 180. Serv. Aen. VI 288, vgl. Usener Rh. Mus. LIII 1898, 374; die Sphinx, Hyg. a. O. [1918] Eur. Phoin. 1020 und Schol. Apollod. III 52, nach Hes. th. 326f. Tochter der E. von Orthos; den Nemeischen Löwen, Hes. th. 327f. Apollod. II 74 (von Typhon); die Hesperidenschlange, Pherec. frg. 33 (Schol. Apoll. Rhod. IV 1396). Apollod. II 113. Hyg. a. O.; den Adler des Prometheus, Pherec. frg. 21 (Schol. Apoll. Rhod. II 1248). Apollod. II 119. Hyg. astr. II 15; die Krommyonische Sau, Apollod. epit. I 1; die Skylla, Hyg. a. O. Ps.-Verg. Ciris 67; vgl. Waser Skylla und Charybdis 32; den Kolchischen Drachen und Gorgo, Hyg. a. O.; die Schlange des Laokoon (?), Quint. Smyrn. XII 452. Ungenannter gigantenartiger Sohn der E., von Ares getötet, Nonn. Dionys. XVIII 273f.
Sagen: E. raubt wegelagernd die Vorübergehenden und wird von Argos Panoptes getötet, Apollod. II 4. Zeus und Herakles bekämpfen das Paar Typhon-E., Herakles speziell die E. Porosgiebel von der Akropolis (s. u.). Es ist dies nicht eine Episode des Gigantenkampfes, sondern eine Dublette dazu. Daß Herakles gegen E. kämpft, ist sonst weder in Literatur noch Kunst überliefert, aber er ist am Kampfe gegen Typhon beteiligt, an dem selbstverständlich auch E. teilnimmt, Eur. Her. 1271f. v. Wilamowitz Eur. Her. I 183. II 285f.
Die von Hesiod genannten Kinder der E. gehören alle nach Mittelgriechenland, mit Ausnahme der Chimaira, bei der schon der Zusammenhang des Hesiodischen Textes unklar ist. Nach der Peloponnes weist das Elternpaar Peiras-Styx, möglicherweise auch Keto und Phorkys, nach Argos speziell die vordorische Sage von Argos Panoptes (urspr. der eponyme Argos).
In Argos scheint E. schon früh durch die Hydra verdrängt worden zu sein, Ovid. a. O. Hesiod weiß nur, daß E. in einer Höhle haust, fern von Göttern und Menschen. Wo das ist, weiß er nicht, auch die Paarung mit Typhon ist ihm nur eine dunkle Mär. Daß E. bei den Arimern wohne (v. 304), ist ein Zusatz späterer Zeit, hervorgerufen vielleicht durch ihre Verbindung mit Typhon. Diese Version ist dann die herrschende geworden. Im phrygischen Hierapolis hatte E. mit ihren Söhnen, den Schlangen, einen Kult. Spuren davon finden sich auf Münzen, Tischendorf Acta apost. apocr., acta Philippi VII p. 77, 24. 84. v. Gutschmid Rh. Mus. XIX 1864, 398. Rohde Psyche 199. Mit andern Ungeheuern ist E. in der Unterwelt, zur Hervorhebung der dortigen Schrecken, versetzt bei Arist. ran. 473.
Die Gestalt der E. ist nach Ausweis des Namens und nach dem Porosgiebel von der Akropolis ursprünglich diejenige einer Schlange, wie die Hydra. Arist. a. O. gibt ihr 100 Köpfe. Schon bei Hesiod dagegen, danach auch bei den Spätern, ist E. halb Jungfrau (ἐλικῶπις, καλλιπάρῃηος), halb Schlange (πέλωρος ὄφις δεινός τε μέγας τε). Ihre Epitheta sind ἀγήραος, ἀθάνατος, ἀμήχανος, θείη, κρατερόφρων, λυγρή, ferner ἄπλατος (Bakchyl. V 62), δεινή (Soph. a. O.), νέρτερος (Eur. Phoin. 1020), ἑκατογκέφαλος (Arist. a. O.), biformis (Ciris 67), δυσειδής (Nonn. XVIII 275), φοβερωπός Athenagoras a. O., der nur den Kopf der E. menschlich sein läßt. Möglicherweise ist die Mischgestalt von der Sphinx auf E. übertragen worden. [1919]
Bildliche Darstellungen der E. sind selten. Paus. III 18, 10 erwähnt Typhon und E. als Stützen des Amyklaeischen Thrones, doch ist die Richtigkeit dieser Bezeichnungen mindestens zweifelhaft, Furtwängler Meisterwerke 692. Als einfache Schlange erscheint sie auf dem Porosgiebel von der Akropolis, einem Werke wohl der 1. Hälfte des 6. Jhdts., Brückner Athen. Mitt. 1889, 67f. Taf. II. Collignon-Thraemer Gesch. d. griech. Plastik I 218 (Literatur).
Halb Weib, halb Schlange ist E. auf einigen korinthischen Vasen, Rayet-Collignon Céram, gr. Taf. IV. Lenormant et de Witte El. cér. III 31. 32. Gerhard Gesamm. Abh. 46, 2. Die Münzen und Gemmen, die E. zeigen sollen, stellen höchst wahrscheinlich nicht diese, sondern die Hydra dar, Brit. Mus., Cat. of engraved gems 1883, E 338. 381; Cat. of greek coins, Crete Taf. XV 5. Head-Svoronos Ἱστορία τῶν νομισμάτων II 467. H. L. Urlichs Verhandlgn. der 40. Philologenvers. in Görlitz 17f. Waser a. O. 49.
Echidna im Skythenlande. Als Herakles auf seiner Wanderung mit den Rindern des Geryoneus durch das Skythenland einst eingeschlafen war, kamen ihm die Pferde vom Wagen weg. Auf der Suche gelangte er ins Land Hylaia, fand dort in einer Höhle ein Wesen halb Weib halb Schlange (μιξοπάρθενόν τινα ἔχιδναν διφυέα), das die Pferde zu schaffen versprach, wenn er ihr beiwohne. Herakles zeugt mit ihr drei Söhne Agathyrsos, Gelonos und Skythes, Herodot. IV 8–10. E. ist die Tochter des von Herakles besiegten Araxes, Mutter von Agathyrsos und Skythes, IG XIV 1296 I 96. Bei Serv. und Schol. Bern. Verg. Georg. II 115 heißt die Mutter des Gelonos von Herakles eine chaonische Nymphe, der Name E. fehlt. Nach Diod. II 43, 3 wird die erdgeborne mischgestaltige Jungfrau im Skythenlande von Zeus Mutter des Skythes. Mit der griechischen E. hat die E. des Herodot nichts zu tun. Sie ist lediglich die Mutter des Landeseponymen, deren Schlangenleib die Autochthonie andeutet, vgl. die Geschichte von Herakles, Keltos und Keltine bei Parth. erot. path. 30. Wohl mit Unrecht bezieht Babelon Cab. des ant. à la bibl. nat. 47, 9 das Bild eines geschnittenen Steines auf Herakles mit der skythischen E.