2) Δίκταμνον, Heilpflanze; auch δίκταμνος, dictamnum, dictamnus. Gedeutet 1. als Diptam-Dosten, Origanum Dictamnus L., noch heute auf Kreta wildwachsend, in Norditalien als dittamo cretico in Töpfen gezogen (Lenz Bot. d. Gr. und Römer 519); 2. als Ballota acetabulosa (Marrubium) L. oder Ballota Pseudodictamnus (Marrubium) L., zwei dicht mit Wolle besetzte Lippenblütler, deren letztere Fraas auf Hügeln und trockenen Ebenen Ostgriechenlands, deren erstere Th. v. Heldreich in Attika fand (Koch Bäume und Str. des alt. Gr. 96. 103f.). Verwandt sind a) τράγιον, von angeschossenen Wildziegen gefressen, um den Pfeil auszutreiben; b) τὸ ψευδοδίκταμνον (Theophr. h. pl. IX 16, 2) mit ähnlichen, aber schwächeren Wirkungen als der Diktamnus; beide von Dioskorides genannt, aber nicht bestimmbar; c) δ. ἔτερον, eine völlig andere, aber gleichbenannte Pflanze mit grösseren Schösslingen und kressenartigen Blättern (Theophr. IX 16, 3). Beschreibung: Es wächst auf Kreta, in beschränktem Gebiete, auf rauhem Gelände; das Blatt ähnelt dem der βληχώ ('?), die Triebe sind dünner; nimmt man die Blätter in den Mund, so hitzen sie; man hebt sie bündelweise in Rohr auf, damit sie ihre Kraft nicht einbüssen (Theophr. IX 16, 11). Die Dürftigkeit dieser Beschreibung, im Gegensatz dazu die breite Darstellung der medicinischen Verwendung, endlich die einmalige Erwähnung der βληχώ, die bei Dioskorides und nach ihm öfter vorkommt, legen Koch (96) die Vermutung nahe, die Theophraststelle sei interpoliert. Das ist natürlich willkürlich. Schon Aristoteles kennt das δ. An seinen Text (ἐκβλητικόν) erinnert der seines Schülers (ἐκβάλλει). Die Pflanze blieb ziemlich unbekannt, nur die Blätter kamen in Handel. Auch schreibt wieder Plinius (n. h. XXV 92ff.) den Theophrast sichtlich aus. Heilkraft: A) gegen Pfeilwunden: Venus dictamnum Cretaea carpit ab Ida, puberibus caulem foliis et flore comantem purpureo; non illa feris incognita capris gramina, cum tergo volueres haesere sagittae, Virg. Aen. XII 412ff.; πολλὰ τῶν ἄλλων ζῴων τῶν τετραπόδων ποιεῖ πρὸς βοήθειαν αὐτοῖς φρονίμως, ἐπεὶ καὶ ἐν Κρήτῃ φασὶ τὰς αῑγας τὰς ἀργίας,ὅταν τοξευθῶσι, ζητεῖν τὸ δίκταμνον· δοκεῖ δὲ τοῦτο ἐκβλητικὸν εἶναι τῶν τοξευμάτων ἐν τῷ σώματι. Arist. hist. an. IX 6; vgl. mirab. ausc. 4;
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ἀληθὲς δέ φασιν εἶναι καὶ τὸ περὶ βελῶν ὅτι φαγούσαις (sc. ταῖς αἰξὶν) ὅταντοξευθῶσι ἐκβάλλει, Theophr. IX 16, 1. Dictamnum pota sagittas pellit et alia tela extrahit inlita, bibitur ex aquae cyatho foliorum obolo, proxume pseudodictamnum; utraque etiam suppurationes discutit, Plin. XXVI 142. Vgl. Diosc. m. m. III 34. B) Zum Abtreiben der Geburten (a. a. O.). Auch die hippokratischen Schriften nennen es als Beschleunigungsmittel der Geburten (de nat. mul. 29; de morb. mul. II 108). Man benutzt aber weder Triebe noch Früchte nur Blätter. Man träufelt den Saft auch in Wein (δικταμνίτης οἶνος) oder Wasser, das getrunken auch die abgestorbene Geburt austreibt (Cels. med. V 25, 13; vgl. Scrib. L. 106. 177). Der Duft ist so stark, dass er Schlangen tötet (Apul. de herb. virt. 90). Darum figuriert der Diptam unter den Zauberkräutern der Hekate (Orph. Arg. 921). Mythologie: Natürlich war das Kraut der entbindenden Artemis (Εἰλείθυια) heilig und heisst darum auch ἀρτεμιδέσιον. Murr Pflanzenwelt in d. Myth. 189. Berendes (Pharm. d. alt. Völker I 128) bestreitet nach alledem mit Recht, dass die πικρὴ ῥίζα der Ilias (IX 843ff.) Diptam sei.