Zum Inhalt springen

RE:Daai

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
nomadisches Skythenvolk östlich vom kaspischen Meer
Band IV,2 (1901) S. 19451946
Dahae in der Wikipedia
Dahae in Wikidata
Dahae bei Pleiades
Bildergalerie im Original
Register IV,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|IV,2|1945|1946|Daai|[[REAutor]]|RE:Daai}}        
D.

Daai (Δάαι, auch Δᾶαι, bei Strabon Δάοι, lat. Dahae), nomadisches Skythenvolk, östlich vom kaspischen Meere; die Form Δάσαι bezeugt Steph. Byz. 216 Mein., entweder für Δάʿαι, oder in Wiedergabe der indischen Namensform Dâsa; Herodots Δάoi (s. d.) vergleichen sich blos etymologisch, nicht hinsichtlich der Wohnsitze. Als ein nordisches Volk des Zweistromlandes am Iaxartes und Oxos begegnen sie zuerst zu Alexandros Zeit, teils unter den Hülfsvölkern des letzten Dareios, teils als Verbündete des flüchtigen Magnaten Spitamenes; sie stellen jedoch gleich nach der Bewältigung des sogdianischen Aufstandes dem Alexandros Reiter für den indischen Feldzug; vgl. Arrian. an. III 11, 3-5. 12, 21. 30. IV 17. V 12 Curt. IV 12, 6. VII 4, 6. 7, 32. VIII 1, 6. 8. 3. 1, 16. 14, 5. IX 2, 24. Iustin. XII 6, 13. Oros. III 18, 11. Curtius bezeugt ihre Wohnsitze am Unterlauf des Margos (Murgh-âb); auch Ptolem. VI 10, 2 setzt sie in die nördliche Steppenregion von Margiane. Mela I 13. Plin. VI 50 bieten nur allgemeine Angaben; doch weiss Mela III 42 nach Eratosthenes, dass die grosse Wendung des Oxos gegen Nordwesten iuxta Dahas beginne; nach Plin. XXXVII 110 bezog man die callaïna (skr. kalyâna ,schön‘, worunter bald Nephrit und Jaspis, bald Türkis verstanden wurde) aus dem Bergland der Tocharoi und Sakai, sowie der D., wobei an die Türkisminen des Binalûdgebirges westlich von Mešhed gedacht werden kann. Die Weltkarte bei Oros. I 2, 42 setzt die D. an die Seite der Parthyenoi und des Grenzdorfes Saphri, sowie gegen die Sakaraukai (s. d.). Die Parthoi selbst sassen inter Hyrcaniam et Dahas et Apavortenos et Margianam, Iustin. XLI 1, 10. An die Nordgrenze von Areia setzt Tac. ann. XI 10 die D. und nennt hiebei den Sindes (Teǧend) als Grenzfluss. Am genauesten sind die aus Patroklos und Apollodoros gezogenen Angaben Strabons VII 304. XI 508. 511. 515: darnach hausten die D., skythische Wanderhirten, östlich vom kaspischen Meere und nördlich von Hyrkania, von dieser Landschaft durch eine Wüste geschieden, welche der Sarnios (Atrek) durchfloss, und entlang der parthischen Landschaft Nisaia, welche der Ochos (Areios, jetzt Teǧend) bewässert; sie durchzogen gleich den heutigen Achal-Tekke-Turkmanen plündernd die anstossenden Gaue; ihr Hauptstamm waren die Aparnoi (s. d.) oder Parnoi, entfernter wohnten die Pissuroi und Xanthioi oder Xandioi, welch letztere von einigen in Verwechslung des Iaxartes mit dem Tanaïs an die Maiotis versetzt wurden; falsch ist auch der Ansatz der D. am Pontus Euxinus, Ammian. Marc. XXII 8, 20, vgl. Solin. 15. Aus dem Stamme der Aparnoi soll Arsakes, der Gründer der parthischen Macht, hervorgegangen sein; dahische Hülfstruppen bezog noch Antiochos III. Megas in seinem Kampfe wider [1946] die Römer, Polyb. V 79. Appian. Syr. 32. Liv. XXXIV 48. XXXVII 38. 41; spätere Erwähnungen der D. bei Flav. Joseph. ant. XVIII 100 und Tac. a. a. O. Sie waren ausgezeichnete Bogenschützen zu Pferde, aber auch im Nahkampf zu Fuss geübt, Suid. s. ἀγαθός; indomiti Verg. Aen. VIII 728. Lucan. VII 429. Der Name muss iranisch Dâha gelautet haben, entsprechend der vedischen Sanskritform Dâsa (vgl. Dâsameya, nordisches Volk in den Purâṇa), von der Wurzel das ‚anfeinden‘, mit der ursprünglichen Bedeutung ‚Feind der Arier und der arischen Götter, unterworfener Landeseinwohner‘; im Awestâ finden wir dahâka ,verderblich, feindlich‘ und das Ethnikon Dâhi im Sinne von ,turanisch‘, vgl. Yašt 13, 143: ,wir preisen die frommen Vorfahren aus den arischen Gauen, aus den turanischen Gauen, aus den Gauen der Çarima und Çâni, und aus den dâhischen Gauen (Dâhinãm daqyunãm)‘; der Ausdruck ist hier deutlich auf ein Sondervolk bezogen, das zwar schon einige Anhänger des zarathustrischen Reformglaubens zählte, im ganzen jedoch roh und räuberisch geblieben war; vgl. W. Geiger Ostiranische Cultur 193. 200f. Einen Canton Dehistân kennen die mittelalterlichen Berichte nördlich von Gurgân gegen Chwârizm, im Bereich der heutigen Yomud-Turkmanen und der alten Aparnoi, vgl. Ritter As. VIII 61. 123f.; neupers. deh ,Gau, Dorf‘ geht auf zend. daqyu, skr. dásyu ,unterworfener Landstrich‘, von derselben Wurzel das, woher Dâha, zurück. Kiepert Lehrb. d. alten Geogr. § 61 glaubt in den D. Vorfahren der heutigen Turkmanen zu erkennen; doch sind wahrhafte Turkstämme erst seit Beginn des Mittelalters in das Zweistromland vorgedrungen, und das Beispiel der Skolotoi und Sarmatai lehrt, dass Wildheit der Sitten und nomadische Lebensweise nicht gegen arische Abkunft streiten; im Awestâ tritt blos der religiöse und culturelle, nicht aber der ethnische und nationale Gegensatz hervor; Spuren eines fremdsprachlichen Elementes fehlen durchaus.