RE:Comites 87
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Comes sacri patrimonii Verwaltung der kaiserlichen Domänen | |||
Band IV,1 (1900) S. 675–677 | |||
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87) Comes sacri patrimonii. a) Dies ist eine der vielen Benennungen, mit denen bei der Unsicherheit des technischen Sprachgebrauchs im 4. und 5. Jhdt. der comes rerum privatarum bezeichnet wird. Haenel Corpus legum 260. [676] Cassiod. var. IV 3, 2. 4, 2; vgl. Comes rerum privatarum (Nr. 79).
b) Flavius Peregrinus Saturninus wird in seiner Inschrift comes ordinis primi moderans inlustrem sacri patrimonii comitivam genannt (Dessau 1275), in einem Gesetze des J. 399 comes et procurator divinae domus (Cod. Theod. IX 42, 16). Nach dem Inhalte desselben scheint dies ein ausserordentliches Amt gewesen zu sein, bestimmt den ungeheuren Besitz des Gildo in Africa für den Fiscus einzuziehen und seine Verwaltung zu ordnen. O. Hirschfeld Untersuchungen auf dem Gebiete der röm. Verwaltungsgeschichte I 48. Mommsen Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde XIV 464.
c) Ein besonderes Amt, das technisch den Titel Comes sacri patrimonii, griechisch κόμης τῆς ἰδικῆς κτήσεως führte, ist erst durch Anastasius (491–518) geschaffen worden (Cod. Iust. I 34. Joh. Lyd. de mag. II 27. Otto Thesaurus iuris Romani III 1776 s. v. πατριβονιάλα). Er zweigte es in der Weise von der comitiva rerum privatarum ab, dass dieser die Ausführung von Confiscationen und die Entscheidung der damit zusammenhängenden Processe verblieb, dagegen die Verwaltung der kaiserlichen Domaenen genommen (Cassiod. var. VI 8, 1) und auf das neue Amt übertragen wurde. Dies scheint im J. 509 oder kurz vorher geschehen zu sein; jedenfalls wurde die Neuerung um diese Zeit im Ostgothenreiche durchgeführt. Denn Senarius, der mit der 3. Indiction (1. Sept. 509) sein Amt antrat (Cassiod. var. IV 3, 2), wird noch in der Überschrift aller an ihn gerichteten Briefen comes privatarum genannt (Cassiod. var. IV 3. 7. 11. 13); gleichwohl aber schreiben ihm dieselben Briefe (IV 3, 2. 4, 2) die comitiva patrimonii zu, was nicht möglich wäre, wenn dieser Titel schon seine neue technische Bedeutung gewonnen hätte. Bald darauf aber erscheint er auch in den officiellen Überschriften der cassiodorischen Urkunden (I 16. V 18. VI 9. VIII 23. IX 3. 13), und Senarius selbst nennt sich in seiner Grabschrift vir inlustris comes patrimonii et patricius (Cassiodorius ed. Mommsen 499). Danach scheint es, als wenn während seiner Verwaltung jene Teilung der comitiva rerum privatarum eingetreten sei. Denn dass Iulianus schon früher die comitiva patrimonii bekleidet habe, folgt nicht mit Notwendigkeit aus Cassiod. var. I 16. Wenn ihm dort befohlen wird, gewisse Summen von den Pachtrückständen der ersten Indiction (507/8) zu streichen, so braucht er darum nicht schon in der zweiten Indiction sein Amt bekleidet zu haben, sondern jene Rückstände konnten auch viel älter sein.
Der Comes sacri patrimonii führt den Titel vir inlustris (Cassiod. var. IV 15, 1. V 7, 3. 18, 1. VIII 23, l. 2. IX 3, 1. 9, 1. 13, 1. Ennod. 125 = ep. IV 7) und stellt dem comes rerum privatarum im Range gleich, weshalb auch dieselben Privilegien den Unterbeamten beider zukommen (Cod. Iust. I 34, 1). Diese werden auch bei ihm als Palatini bezeichnet (Procop. hist. arc. 22 p. 64 A), unter ihnen finden sich chartarii (Cassiod. var. VIII 23, 4. IX 3, 2).
Der Comes sacri patrimonii leitet die Verwaltung der kaiserlichen Landgüter (Cassiod. var. [677] VI 9, 6) und hat daher in erster Linie für die Eintreibung der Pachtsummen von den Conductores derselben zu sorgen (Cassiod. var. I 16. V 7, 3. Ennod. 306 = epist. VII 1). An ihn ergehen daher auch die Verfügungen über Herabsetzungen oder Nachlässe der Pachten (Cassiod. var. IX 9, 3. I 16). Wenn auf den Domänen Holz geschlagen (Cassiod. var. V 18, 3. 20, 1) oder ein Bergwerk angelegt werden soll (Cassiod. var. IX 3, 2), trifft er die nötigen Verfügungen. Ihm sind die kaiserlichen Colonen untergeben (Cod. Iust. I 34, 1. Cassiod. var. VI 9, 2) und falls aus ihnen Leute für die Flotte ausgehoben werden, geht der Befehl durch ihn (Cassiod. V 18. 19). Doch behält er auch später über sie ein Recht der Oberaufsicht (Cassiod. var. IV 15, 1), weil ihre Schiffe nicht nur für den Krieg, sondern auch für den Transport des auf den Domänen erzeugten Kornes benutzt werden (Cassiod. var. V 16, 2; vgl. Dromonarii). Seiner Gerichtsbarkeit unterstehen die Conductores (Ennod. 275, 2 = ep. VI 10, 2), die Possessoren der emphyteuticarischen Güter (Cassiod. VI 9, 5) und die Colonen (Cod. Iust. I 34, 1); auch besitzt er Strafrecht gegenüber den Statthaltern, falls sie ihn in der Einziehung der Gefälle nicht angemessen unterstützen (Cod. Iust. I 34, 2). Aus seinen Einkünften versieht er den Weinkeller (Cassiod. var. XII 4, 2) und überhaupt die Tafel des Kaisers (Cassiod. var. VI 9, 7. 8), weshalb er auch mit ihm in stetem persönlichen Verkehr steht (Cassiod. var. VI 9, 1. 3. 6. 8). Er zahlt Erbschaften den Berechtigten zurück, auf deren Behauptung der Kaiser verzichtet (Cassiod. var. VIII 23, 2), und ausnahmsweise können auch Erhöhungen von Beamtengehältern auf seine Casse angewiesen werden, in welchem Falle sie wohl als jährlich wiederholte Gnadengeschenke aus dem persönlichen Vermögen des Herrschers zu betrachten sind (Cassiod. var. IX 13). Mommsen Neues Archiv f. ältere deutsche Geschichtskunde XIV 464. 544. Gaudenzi Sui rapporti tra l’Italia e l’impero d’Oriente fra gli anni 476 e 554 d. C., Bologna 1888, 152. R. His Die Domänen der römischen Kaiserzeit 70.