Carna, altrömische Göttin, wie man zu Ovids[1598] Zeiten glaubte, die Schützerin der wichtigsten Lebensfunctionen, weshalb man zu ihr betete, ut iecinora et corda quaeque sunt intrinsecus viscera salva conservet (Macrob. I 12, 31ff. Ovid. fast. VI 182), und ihr einen günstigen Einfluss auf die Abwehr der blutsaugenden strigae zuschrieb. Ihr Kult geht in sehr frühe Zeit zurück, denn an ihrem Festtage, dem 1. Juni, kommen Bohnenbrei (puls fabata) und Speck (laridum), die ältesten und volkstümlichsten Nahrungsmittel der Italer, bei dem staatlichen Opfer sowohl wie bei der Privatfeier zur Verwendung. Der Tag hiess davon Kalendae fabariae (Ovid. fast. VI 101. 169ff. Varro bei Non. p. 341. Macrob. a. a. O. Fast. Philoc CIL I² p. 266). In der Kaiserzeit wurden an diesem Tage bis ins 4. Jhdt. Circusspiele abgehalten. Ein Testament von Emona in Pannonien (CIL III 3893) weist einem collegium fabrum die Zinsen eines Capitals zu dem Zwecke zu, uti rosas Carnar(iis) ducant. Wenn Mommsen mit Recht vermutet, die hier genannten Carnaria seien identisch mit der römischen Feier am 1. Juni, so wäre damit der Kult der Göttin auch ausserhalb Italiens bezeugt. Ausgehend von dieser Identität, von den altertümlichen Bräuchen des Festes und deren Verwandtschaft mit den Ceremonien solcher Feste, die der Verehrung der dii inferi gelten (vgl. Crusius Rh. Mus. XXXIX 1884, 164ff.), und mit Berufung auf die isolierte Stellung des 1. Juni als dies tristis im numanischen Kalender gelangt Wissowa (De feriis anni Rom. vetustissimi, Ind. lect. Marp. S. S. 1891, 13) zu dem Schlusse, ein Fest der C. (Carnaria), zum Totenkult in Beziehung stehend, gehöre bereits zu dem ältesten römischen Festcyclus und sei nur deshalb in dem Kalender nicht verzeichnet, weil der 1. Juni in dem Namen der Kalenden bereits eine offizielle, das andere Fest verdunkelnde Bezeichnung gefunden habe. C. besass ein altes Heiligtum auf dem Caelius, angeblich von M. Iunius Brutus nach der Vertreibung der Könige gegründet (Macrob. a. a. O., vgl. Tertull. ad nat. II 9). Über Ovids Verwechslung der C. mit der von ihr gänzlich verschiedenen Cardea (Ovid. fast. VI 101ff.) s. d. und vgl. Wissowa Philolog. Abhandlungen Martin Hertz zum 70. Geburtstage von ehemaligen Schülern dargebracht, Berl. 1888, 164ff.