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RE:Capite censi

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Röm. Bürger, die bei d. Schätzung nichts als ihre Person anzumelden hatten
Band III,2 (1899) S. 15211523
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Capite censi. So hiessen in Rom diejenigen Bürger, welche bei der Schätzung nichts als ihre Person anzumelden hatten und daher nur mit ihrem caput, d. h. ihrem Bürgerrechte (Mommsen St.-R. III 7), in die Steuerlisten eingetragen wurden. Gell. XVI 10, 10 qui nullo aut perquam parvo aere censebantur, ,capite censi‘ vocabantur, extremus autem census capite censorum aeris fuit trecentis septuaginta quinque. Exsuper. 2 illi, quibus nullae opes erant, caput suum, quod solum possidebant, censebantur. Senec. de benef. VII 8, 1. Sie waren vom Kriegsdienste entbunden; Val. Max. II 3, 1 dabat operam (populus), ne imperatoribus capite censos sacramento rogare esset necesse, quorum nimia inopia suspecta erat, ideoque his publica arma non committebant. Nach Gellius standen sie eine Stufe tiefer, als die proletarii, welche einen Mindestbetrag von 1500 As als steuerpflichtiges Vermögen zur Schätzung anmeldeten; Gell. XVI 10, 10 qui in plebe Romana tenuissimi pauperrimique erant neque amplius quam mille quingentum aeris in censum deferebant, ,proletarii‘ appellati sunt, qui vero nullo u. s. w. (s. o.). Non. p. 155. Dagegen fielen nach dem Zeugnis des Festus p. 226 proletarii und capite censi zusammen: Proletarium capite censum dictum, quod ex his civitas constet, quasi prolis progenie, und dasselbe deutet Cicero an de republ. II 40: eos, qui aut non plus mille quingentum aeris aut omnino nihil in suum censum praeter caput attulissent, proletarios nominavit. Den Widerspruch zwischen diesen verschiedenen Nachrichten sucht Lange (Röm. Altert. I³ 499ff.) durch die Annahme zu lösen, dass ursprünglich alle Bürger, deren Vermögen den Census der fünften Klasse (vgl. Classis) nicht erreichte, als proletarii oder capite [1522] censi vom Kriegsdienste befreit gewesen seien. Später habe man dann angefangen, auch die Proletarier zum Kriegsdienste heranzuziehen (Ennius bei Gell. XVI 10, 1 und Non. 155 M. proletarius publicitus scutisque feroque ornatur ferro), und hiebei eine Censussumme festgesetzt, unter welche man bei der Aushebung nicht herabgegangen sei. Sie betrage bei Polybios (VI 19, 2) 4000 As. Als Schöpfer dieser Einrichtung sei Camillus anzusehen. Vielleicht habe man jedoch nur Grundbesitzer herangezogen, deren Grundeigentum nicht geringer gewesen sei, als 4/5 eines Iugerum, und sicherlich sei Ingenuität verlangt worden. Als man dann begonnen habe, Flotten auszurüsten, wahrscheinlich unter der Censur des Appius Claudius (443 = 311), habe man zum Dienste auf der Flotte ausser den socii namentlich libertini und die unter 4000 As geschätzten proletarii, herangezogen. Hiebei sei man aber wieder nicht unter 1500 As hinabgegangen, doch sei diese Summe erst um 473 = 281 fixiert worden, als man die Proletarier regelmässiger zum Dienst im Landheer heranzog (Cato und Cassius Hemina bei Non. p. 67 M. Oros. IV 1, 3). Es habe sich nunmehr der Name capite censi auf diejenigen Proletarier beschränkt, welche weniger als 1500 As hatten und vom Kriegsdienste gänzlich ausgeschlossen waren. Gleichzeitig habe man aber die Proletarier auch zum Tributum herangezogen, und zwar seien die Censoren dabei so weit wie möglich gegangen, nämlich bis zur Grenze von 375 As. Diese Fixierung des Minimum des steuerpflichtigen Vermögens habe vor der Zeit stattgefunden, als das römische Volk aufhörte, Tribut zu entrichten (587 = 167), vermutlich im Anfange des zweiten punischen Krieges. Damals sei also der Ausdruck capite censi als der im Vergleich zu proletarii weniger ehrenvolle (Gell. XVI 10, 12 proletariorum tamen ordo honestior aliquanto et re et nomine quam capite censorum fuit) für diejenigen Bürger üblich geworden, deren Vermögen den geringsten Satz des steuerpflichtigen Capitals (census extremus) nicht erreichte. So erkläre es sich, dass schon für Cicero die Unterscheidung innerhalb der Masse der Proletarier eine Antiquität war. Wenn Livius den Unbemittelten eine besondere Centurie (I 43, 8), Dionys (IV 18. VII 59) sogar eine besondere Klasse anweist, welche in den Centuriatcomitien nach der fünften Klasse zur Abstimmung aufgerufen worden sei, so findet Lange (Altert. I³ 468) dies zwar im Widerspruch mit der servianischen Verfassung, bezweifelt aber trotzdem nicht die Richtigkeit dieser Angaben, sondern glaubt vielmehr, dass in der Zeit nach der Decemviralgesetzgebung und dem Consulate des Valerius und Horatius (305 = 449), da man die in den Concilia plebis stimmberechtigten Proletarier von den Centuriatcomitien nicht mehr habe ausschliessen können, diesen eine Centurie eingeräumt worden sei. Ähnlich ist die Auffassung Soltaus (Altröm. Volksversamml. 346–351. 616–622), Schillers (Röm. Staatsaltertümer 154) und Herzogs (Röm. Staatsverf. I 40. 363. 406. 1027), nur mit dem Unterschiede, dass dieser die Heranziehung der Proletarier mit einem Minimalvermögen von 4000 As zum Dienst in den Legionen viel später ansetzt als Lange, nämlich an das Ende des zweiten punischen [1523] Krieges, indem er hiedurch das Steigen der Bevölkerungszahl innerhalb der J. 208–204 von 137 000 auf 216 000 waffenfähige Bürger erklärt (vgl. auch Herzog Comment. Mommsen. 136–139). Dagegen weist Mommsen (St.-R. III 285) die proletarii wie die capite censi in die Centurie der accensi velati und lässt diese zusammen mit der fünften Klasse, nicht nach derselben stimmen (vgl. Fest. p. 257 von Mommsen a. a. O. folgendermassen ergänzt: [quin]tanam classem [dicebant adcensos, quia Servius] rex distribut[is centuriis in classes, quas quinque] fecit, cum eas ord[inaret, quintae ob eam cau]sam de capite [censis adcensos adiecit, ut qui] nihil praeter se h[abebant armatos sequerentur. Lu]cilius sic meminit: quod ... adeptus). Er nimmt ferner im Gegensatze zu Lange an, dass sämtliche Proletarier, die auf weniger als 1500 As geschätzt waren, von der Steuer befreit gewesen seien (St.-R. III 237), indem er sich auf Cicero de rep. II 40. Gellius XVI 10, 10 und auf das Civilrecht beruft, nach welchem als vindex für den steuerfähigen Bürger (assiduus oder locuples) nur ein ebenfalls steuerfähiger, für den nicht steuerfähigen (proletarius oder capite census) jeder Bürger eintreten kann (Zwölftafelgesetz bei Gell. XVI 10, 5 Assiduo vindex assiduus esto. Proletario iam civi quis volet vindex esto. Lex Rubr. l. 21. Lex Colon. Iul. Genet. c. 61). Demnach bestreitet er, dass für die Steuererhebung ein Unterschied zwischen capite censi und proletarii gemacht worden sei; für die Dienstpflicht leugnet er ihn zwar nicht, erklärt ihn aber als ,eine neben dem allgemeinen Sprachgebrauche stehende Besonderheit der Militärsprache‘ (St.-R. III 238, 2). Bei der Dürftigkeit der Quellen, deren Nachrichten uns teilweise nur von dritter Hand oder verstümmelt vorliegen, ist es schwer zu entscheiden, welche der vorgetragenen Ansichten sich der Wahrheit mehr nähert. Lange scheint uns zuviel aus der Überlieferung herauszulesen, zuviel eigene Combination hineinzutragen; Mommsen, der das Staatsrecht als fertiges System vorträgt, hat der historischen Entwicklung vielleicht nicht genügend Rechnung getragen. Indessen kann die Auffassung eines jeden der genannten Gelehrten nur aus der Betrachtung des gesamten Systemes heraus voll gewürdigt werden, in welches sich die einzelne Institution wie ein Glied der Kette einreiht; hier, wo sie aus dem Zusammenhange gelöst betrachtet wurde, müssen wir unser Urteil zurückhalten und uns auf den Bericht über die bedeutendsten Darstellungen dieses Gegenstandes beschränken.

Durch die Umgestaltung, welche das römische Heerwesen unter Marius erfuhr, wurden auch die capite censi zur Aushebung aufgerufen und in die Legionen eingereiht, Sall. Iug. 86, 2. Val. Max. II 3, 1. Plut. Mar. 9. Gell. XVI 10, 14. Flor. I 36, 13. Quintil. decl. 3, 5. Laur. Lyd. de mag. I 48. Iul. Exsuper. 2.