RE:Axis
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Weltachse | |||
Band II,2 (1896) S. 2631–2633 | |||
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Axis, ἄξων, die Weltachse (über die sonstigen Bedeutungen des Wortes in Mathematik und Technik ist auf die Wörterbücher und auf Hultsch Index zu Pappos u. d. W. ἄξων zu verweisen). Die Vorstellung einer Weltachse ist älter als ihre Bezeichnung durch ἄξων. Sie bildete sich, als die Idee des Umschwunges der als Kugel gedachten Welt entstanden war, und hängt in ihrer Entwicklung mit der Entwicklung des Begriffes des Weltpols naturgemäss eng zusammen, so eng, dass das Wort πόλος, ehe ἄξων gebräuchlich wurde, eine Zeit lang zur Bezeichnung der Achse diente. Über πόλος s. Maass Aratea 123ff. Die Kreisbahnen der stets sichtbaren (circumpolaren) Sterne wiesen auf ihren Mittelpunkt am Himmel, den Pol, Almagest I 2 (S. 7 Halma); in diesem Sinne begegnet πόλος zuerst bei Anaxagoras (abgesehen von der allgemeinen Bedeutung Himmelsgewölbe), Diog. Laert. II 9. Maass a. a. Ο. 131. Das Nachdenken über den Umschwung und über die geneigte Stellung des Pols zum Horizont, der Erdscheibe der Ionier, die Anaxagoras wie andere vom Standpunkt der Erdscheibenlehre zu erklären suchte, muss schon ihn auf eine allgemeine Vorstellung von der Achse, um die diese Umdrehung erfolgt, gebracht haben. Und vielleicht hat er schon mit dem Worte πόλος nicht blos den Drehungspunkt sondern auch diese Drehungslinie bezeichnet. So erklärt wenigstens Maass (130f.) Doxogr, 563, 2. Unzweifelhaft gebraucht Platon Tim. 40 B τὸν διὰ παντὸς πόλον τεταμένον das Wort für die unbewegliche Achse (axis Cic. Tim. 37; vgl. auch Procl. in Tim. 281 D), um die sich die Himmelskugel dreht. So auch Aristoteles in der Anführung dieser Stelle de cael. II 293 b 31, ebenso 296 a 26, wo er auf dieselben Worte Platons Bezug nimmt (dem blossen Wort πόλος setzt er hier der Deutlichkeit halber μέσος zu). Im übrigen vermeidet Aristoteles diese Anwendung von πόλος; aber er hat auch ἄξων in diesem Sinne nicht, während er es in anderweitiger Übertragung auf mathematische Linien schon gebraucht, Meteorol. III 5, 375 b 22. 376 b 30; frg. 342. 1535 b 3. Dass der griechischen Mathematik dieser Zeit, und zwar der von der Betrachtung der kosmischen Verhältnisse ausgegangenen Sphaerik, auch die Feststellung des Begriffes der Weltachse und ihre Bezeichnung durch ἄξων angehört, geht besonders daraus hervor, dass die ältesten uns erhaltenen Vertreter der griechischen Sphaerik den Ausdruck einhellig gebrauchen, Autolykos, Eukleides (phaenom., einmal), Theodosios (Sphaerica). Die Beziehung zwischen der Achse des Rades und der inmitten der sich drehenden Kugel liegenden Linie, [2632] die allein in der Bewegung nicht teilnimmt (μένουσα ἀκίνητος Theodos. a. Anf.), lag nahe genug. Das Wort πόλος wurde nun auf die Enden dieser Achse, die ἄκρα oder πέρατα ἄξονος, cardines oder vertices caeli beschränkt. So ist die Terminologie festgelegt, und Achse ist derjenige Durchmesser des Kosmos, diejenige (die Pole verbindende) gerade Linie, um die die Sphaere sich täglich dreht (so dass jeder mit ihr sich drehende Punkt einen zur Achse senkrechten Kreis um sie beschreibt), während um ihre Mitte die Erde liegt. Vgl. ausser den angeführten Mathematikern Arat. 21ff. 525 nebst den Scholien. [Aristot.] de mundo 2, 391 b 26. Gemin. isagog. 3 (p. 13f. Petav. Uranolog.). Cleomed. de motu circ. p. 64 Ziegler. Achill, c. 21 ex. 28 (p. 143 A. 151f. Petav.). Theo Smyrn. exposit. rer. math. 129, 10 Hiller. Varro bei Gell. III 10, 3. Vitr. IX 4, 2. Suet. p. 202 Reiff. Hyg. astron. p. 23. 108 Bunte u. a. Von römischen Dichtern, bei denen axis seit Lukrez häufig ist, sei nur auf Manil. I 279ff. hingewiesen. Dass die Achse unkörperlich, nur eine gedachte Linie ist, wird an mehreren der angeführten Stellen hervorgehoben. Aber die streng mathematische Auffassung geht doch vielfach in eine sinnliche Vorstellungsweise über. Wie einst im Mythos des Er (Plat. rep. X 14) im Bilde der Spindel der Notwendigkeit, so wird auch später die Achse häufig als etwas Materielles aufgefasst (vgl. besonders Achill. 151 E – auch bei Maass a. a. O. 40 – Boeckh Kl. Schr. III 308ff.). In weiterer Folgerung wird sie dann als das eigentlich Bewegende (.. κινητικὴ τῶν θείων περιφορῶν Procl. in Tim. 282 A), den Umschwung bewirkende angesehen. So ist auch bei Arat – wie beim Dichter natürlich – die Achse körperlich (vgl. Eratosth. Herm. frg. XVIII Hiller bei Achill. a. a. O.), doch unbeweglich. Die vergröberte Auffassung aber, die z. B. auch der bei Achill erwähnte Vergleich mit dem Bratspiess nahe legt, zeigt sich schon in der Lesart περὶ δ΄ οὐρανὸν αὐτὸν ἀγινεῖ (v. 23). Vgl. noch Varro Atac. Ephem. frg. 12 (Maass a. a. Ο. 270). Martian. Cap. II 101 (im Gegensatz zu VIII 815f.) u. a.
An der Umdrehung des Himmels kann die Erde, wenn die ,Erscheinungen erklärt‘ werden sollen, nicht teilnehmen; sie liegt unbeweglich in der Mitte der Achse. Für die Bildung des Begriffs Achse war die Kugelgestalt nicht notwendige Voraussetzung. Vielmehr ist diese Vorstellung zunächst wahrscheinlich (s. o.) in der Hauptsache auf dem Boden der ionischen Erdscheibenlehre entstanden. Als Kugel muss die Erde der Himmelskugel concentrisch um die Mitte der Achse herumliegen, vgl. ausser Schol. Arat. Gemin. Achill. Theo Smyrn. aa. OO. Hyg. astron. p. 27 Bunte, besonders Ptolemaios Almagest 14 (S. 13f. Halma). Die Erdachse ist dann nur ein Teil, das mittelste kurze Stück, der Himmelsachse. Auch wenn der Himmel ruhend gedacht wird, ist es seine Achse, um die die Erde sich dreht, Almagest I 5 (S. 19 Halma), vgl. Cic. acad. II 123. So ist für die geocentrische Anschauung der Alten der Begriff der Erdachse nicht vorhanden (wogegen die Erdpole als wichtige Punkte der Erdoberfläche ebenso wie die Kreise ihre geographische Bedeutung haben). Aber er ergab sich von selbst, wenn der Erde doppelte Bewegung zugeschrieben wurde, wie Aristarch [2633] that, Plut. de facie in orb. lun. 6 ἐξελίττεσθαι κατὰ λοξοῦ κύκλου τὴν γῆν, ἅμα καὶ περὶ τὸν αὑτῆς ἄξονα δινουμένην.
Für andere Drehungsachsen der Sphaere als die Weltachse schlechthin, die Achse des Aequators, ist der Gebrauch des Wortes beschränkt. Doch wird ihr die Achse der Ekliptik schon von Eudemos, wenigstens in der Überlieferung bei Theo Smyrn. 199, 4ff. (= 202, 8ff.) Hiller gegenübergestellt, jene ,die Achse der Fixsterne, die durch die Pole geht‘, dies die ,A. der Planeten, die senkrecht zu dem Zodiakus steht‘ (und der Abstand beider, die Schiefe der Ekliptik, gleich der Seite des reg. Fünfzehnecks angegeben). Bei Theon begegnet dieselbe Ausdrucksweise auch sonst oft, so p. 151 (wo er fälschlich beide Achsen im platonischen Mythos des Er sucht, vgl. 143, 7. 189, 5). 202f. Auch in seiner Darlegung des eudoxischen Systems 179. 181. 183 spricht er von den Achsen der einzelnen Sphaeren, vgl. Simplicius in Aristot. cael. II p. 499 Brandis (Aristoteles hat in seinem Berichte über Eudoxos metaph. XII 8 das Wort ebensowenig wie sonst). Doch ist dieser ausgedehnte Gebrauch des Wortes Achse vereinzelt. Im allgemeinen wird es nicht einmal für Weltachse durchweg angewendet (vgl. de mundo a. a. O. Hyg. astron. p. 23, 5. 6 Bunte). Sehr gewöhnlich ist es, von der Drehung um die Pole zu reden, oder, in unbestimmtem Ausdruck, ,um die Mitte‘ (κέντρον oder μέσον). So z. B. wird es im Almagest nur spärlich verwendet, auf lateinischer Seite gebraucht es Plinius, Macrobius gar nicht. Zum Schluss möge noch auf den metonymischen Gebrauch von A. in der römischen Dichtung hingewiesen werden. Hier ist es aus einem bestimmten mathematischen Begriffe eine so allgemeine, unbestimmte Vorstellung geworden – in umgekehrter Entwicklung etwa wie sein Gegenstück πόλος – dass z. B. axis hesperius mundi (Lucan. III 359) für Westen gesagt werden konnte.