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RE:Aristophon 3

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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ho Azenieus, Redner u. Staatsmann
Band II,1 (1895) S. 1005 (IA)–1007 (IA)
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3) Α. ὁ Ἀζηνιεύς aus dem Demos Azenia der Phyle Hippothontis, Redner und Staatsmann. Nach Schol. Aischin. I 64 wurde er 100 Jahre weniger 8 Monate alt; als tot wird er genannt im J. 330, Demosth. XVIII 162. Aischin. III 139; er lebte jedenfalls noch 340/39, CIA II 776, 13. Die frühere Annahme, er sei ein Sohn des Demagogen Demostratos gewesen (A. Schaefer Demosth.² I 148, 1) ist auf Grund von Inschriften als irrig erwiesen (Wilhelm Herm. XXIV 1889, 131ff.) [1006] Bei der Wiederherstellung der Demokratie nach dem Sturze der Dreissig erwarb er sich Verdienste, für welche er die Atelie erhielt, Demosth. XX 148f., vgl. 48 (anders Förster Herm. IX 1875, 69). Im Archontat des Eukleides (403/2) setzte er das Gesetz durch ὃς ἂν μὴ έξ ἀστῆς γένηται νόθον εἶναι, Karyst. frg. 11, FHG IV 358 aus Athen. XIII 577 Β; über die Bedeutung des Gesetzes vgl. Hermann Gr. Antiqu.6 I 447. Meier-Lipsius Att. Process I 437ff., besonders H. Schenkl Wiener Stud. V 1883, 53ff. Das Gesetz wurde durch einen Zusatzantrag des Nikomenes gemildert (Schäfer Dem.² I 139, 1). Aus den nächsten 40 Jahren ist über die politische Thätigkeit des A. nichts bekannt; auf einen politischen Gegensatz gegen Kallistratos und eine führende Stellung in der ‚boiotischen Partei‘ schliesst Schäfer² I 142 aus Demosth. XVIII 162. Aischin. III 139; gegen Schäfer richtig Beloch D. attische Politik seit Perikles 168, 4. 363/2 war A. als Strateg auf Keos thätig (Beloch a. a. O. 318) und regelte durch einen Volksbeschluss die Wiederaufnahme der abtrünnigen Stadt Iulis in den attischen Seebund, U. Koehler Athen. Mitt. II 1877, 142ff. Dittenberger Syll. 79. Habsüchtigen Missbrauchs seines Amts beschuldigt und von Hypereides (frg. 43–47. 216) angeklagt, wurde er mit einer Mehrheit von zwei Stimmen freigesprochen (Hyper. III 39; falsch Schol. Aischin. I 64; vgl. auch Sauppe Or. Att. II 282). 362 setzte A. Rüstungen für verschiedene kleinere Unternehmungen durch, Demosth. L 4–6, und war nach den Misserfolgen des Leosthenes gegen Alexander von Pherai unter den Anklägern der säumigen Trierarchen, Demosth. LI 8f. 16. Im Anschluss an Chares (die Komödie: bestochen von Chares, Schol. Aischin. I 64) war er Ankläger des Iphikrates und Timotheos im Bundesgenossenkrieg (Zeit des Processes 356 oder 355, Beloch a. a. O. 364), Dein. I 14 = III 17. Plut. praec. r. p. g. 5, 5; apophth. Iph. 4; de ex. 15. Polyaen. III 9, 29; dabei die bekannte Frage des Iphikrates an Α., Arist. rhet. II 1398 a. Quint. inst. V 12, 10. Aristeid. or. 49, II 519 Dind.; Timotheos schalt seine Verschwendung, Aelian. v. h. XIV 3. A. ist der Urheber eines Beschlusses über Potidaia (nicht nach 356), CIA II 58 (vgl. Wilhelm a. a. O.; Ergänzung nicht ganz sicher), ebenso eines Beschlusses auf Grund der Beziehungen Athens zu Methone aus dem J. 355, CIA II 70; hienach sowie nach Demosth. VIII 30. XVIII 70. 75 scheint es, dass A. sich an Vorsichtsmassregeln gegen Philipp beteiligt hat. A. suchte zur Hebung der Finanzen beizutragen durch Vertretung des leptineischen Gesetzes gegen die Verleihung der Atelie (Demosth. XX 146, 355/4) und durch Einbringen eines ähnlichen Antrags (ebd. XXIV 11). Mit Eubulos hatte A. einen Conflict, Demosth. XIX 291. Ulp. Schol. Demosth. XXI 218, vgl. XVIII 162; Gegner des A. war auch Hegesander, Schol. Aischin. I 64; das Verhältnis des A. zu Diophantos ist nur angedeutet Aischin. I 158. Demosth. XIX 297. Der junge Aischines schloss sich an A. an (Demosth. XVIII 162) und war sein Schreiber (vit. Aisch. p. 10 R.). Ein Rechtsstreit des A. mit Deinarch wird erwähnt Dein. frg. 54, Sauppe Or. Att. II 336. Als Antragsteller erscheint A. in den Praescripten mehrerer [1007] Beschlüsse, CIA II 63 (357/6). S.-Ber. Akad. Berl. 1887 II 1188 (vgl. Wilhelm a. a. O., Ergänzungen nicht sicher) vom J. 343/3, CIA II 146 (nicht datiert). Nicht zu datieren ist der Antrag des A. auf Beschränkung des Marktrechts der Metoeken, Demosth. LVII 32 (Philippi Att. Bürgerrecht 61, 60). A. trat ins Privatleben zurück, bevor Demosthenes Choreg wurde (350), Plut. vit. X or. 844 D (vgl. jedoch den angegebenen Volksbeschluss vom J. 343/2). CIA II 766, 13 (340/39) ist A. genannt als Spender einer Schale für Asklepios. Die Anklagen gegen den Charakter und das Privatleben des A. (insbesondere Hyper. a. a. O. Karyst. a. a. O. aus dem Komiker Kallias, Meineke Com. gr. I 213) sind von wenig Belang. Er rühmte sich selbst, 75mal παρανόμων angeklagt worden zu sein (Aischin. III 194); dass er niemals verurteilt worden sei, behauptet Ulp. Demosth. XVIII 70, vgl. aber Schäfer I 181, 4. Wie sich diese politische Thätigkeit auf sein langes Leben verteilte, lässt sich aus den vorhandenen Nachrichten nicht genau bestimmen. Am meisten tritt seine Thätigkeit hervor in den J. 362–354; doch geben die von ihm veranlassten Beschlüsse sowenig als die allgemeinen Äusserungen der Redner über seine Bedeutung (Demosth. XVIII 219. XIX 297–LI 16. 22, wenn wirklich unmittelbar auf A. zu beziehen. Hyper. III 38. frg. 44) ein Recht, von der Leitung des Staats oder der Finanzen durch A. in dieser Zeit zu reden (gegen Schäfer² I 173). Als Gegner des Hypereides und Hegesander scheint er eine mehr gemässigte Richtung verfolgt zu haben. Offenbar hatte er kein politisches Programm, sondern gehörte zu den athenischen Durchschnittspolitikern, welche von Fall zu Fall mit vorsichtiger Beachtung der Volksmeinung handelten und es verstanden, für Misserfolge andere verantwortlich zu machen. Die Annahme eines Streits zwischen Kephalos und A. um eine δωρεά von Seiten des Volks (vgl. oben) liegt den von Förster a. a. O. 29ff. veröffentlichten, dem Kephalos und A. in den Mund gelegten Declamationen des Libanios zu Grunde (vgl. die von Förster a. a. O. 68 angeführten Scholien), beruht aber wohl auf blosser Ausdeutung von Aischin. III 194. Demosth. XX 148.

A. Schäfer Philol. I 1846, 198ff.; Demosthenes u. s. Zeit² I 138ff. u. ö. P. Girard Ann. de l’ass. p. l’encour. des ét. gr. XVII 1883, 179ff. Beloch a. a. O. 167ff. E. Curtius Griech. Gesch.6 III 447ff.