Aristogeiton (Ἀριστογείτων). 1) Aristogeiton und Harmodios, die Mörder des Hipparch. Sie waren Gephyraeer (Herod. V 57) aus dem Demos Aphidnai der Phyle Aiantis (Plut. qu. symp. I 10, 3, vgl. Dittenberger Syll. 44, 17. Toepffer Att. Geneal. 293ff.). Sie machten mit anderen Verschworenen einen Anschlag gegen die Peisistratiden und brachten denselben an den grossen Panathenaeen 3–4 Jahre vor der Vertreibung des Hippias, d. h. 514 v. Chr. bei dem Festzug zur Ausführung; es wurde aber nur Hipparch (beim Leokoreion) ermordet; Harmodios wurde auf der Stelle niedergestossen, A. endete auf der Folter, Herod. V 55ff. VI 123. (109). Thuk. I 20. VI 55–59. Aristot. Ἀθ. πολ. 28 (Herakl. Pont. 6). Diod. IX 1, 4. X 16. Maxim. Tyr. diss. 24, 2. Über den Hergang bei der That bestehen Differenzen zwischen Thukydides und Aristoteles. s. Kenyon³ z. Arist. a. O. Rühl Rh. Mus. XLVI (1891) 438f. Weil Journal des sav. 1891, 197. B. Niese Hist. Ztschr. LXIX (1892) 48. 52. K. Hude Jahrb. f. Philol. CXLV (1892) 170. Rohrmoser Ztschr. f. d. östr. Gymn. XLIV 1893, 972ff. Die volksmässige Überlieferung hat die That mannigfach ausgeschmückt und ihre Bedeutung übertrieben. Herod. V 56 erzählt einen Traum des Hipparch vor seiner Ermordung; als Motiv der Mörder erwähnen Diod. X 16. Plut. amat. XVI 27. Arist. rhet. II 1401 b die Eifersucht des A. als des ἐραστής des Harmodios auf Hipparch, ähnlich Ps.-Plat. Hipparch. 229. Aelian. v. h. XI 8 die Beschimpfung, Iust. II 9 die Schändung der Schwester des Harmodios. Die beiden Motivierungen werden als sich ausschliessend einander gegenübergestellt bei Ps.-Plat. a. O., von Thuk. VI 55f. Arist. a. O. und polit. VIII (V) 1311 a rationalistisch combiniert; vgl. Philol. N. F. VI 573ff. Anekdoten über die Standhaftigkeit und List des gefolterten A. geben in verschiedener Form Arist. Ἀθ. πολ. 18, 4ff. Diod. X 16. Polyaen. I 22. Senec. de ira II 23. Iust. II 9. Eine spätere Periegetenerfindung ist die Geschichte von der Leaina, der Hetaere des A. oder Harmodios, Paus. I 23, 1. 2. Plin. n. h. VII 87. XXXIV 72. Polyaen. VIII 45. Athen. XIII 596 F. Cic. de glor. frg. 12. Plut. de garrul. 8. Euseb. ann. Abr. 1498, vgl. Jakobi Jahrb. f. Philol. CVII (1873) 366. Aus Märtyrern der Freiheit wurden A. und Harmodios in der Tradition Urheber der Freiheit, Simonid. frg. 131 und Skolion 9 (s. u.). Luc. paras. 48. Arr. an. IV 10, 3; auch Plat. symp. 182 C. Arist. pol. VIII (V) 1312 b schliessen sich dieser populären Vorstellung an (falsch Junghahn Stud. z. Thuk. 4ff.); Hipparch erschien als Regent, Thuk. a. a. O. Dementsprechend wird die Ermordung des Hipparch zeitlich der Vertreibung der Peisistratiden gleichgesetzt, Marm. Par. Z. 59f. Euseb. ann. Abr. 1498. Dieser Vorstellung entsprechen endlich die dem Andenken der beiden erwiesenen Ehren: sie gelten als die ersten aller Wohlthäter, Aristeid. or. 49, II 519 Dind. Eherne Bildsäulen wurden ihnen errichtet (nach Plin. n. h. XXXIV 17 das erste Beispiel dieser Ehre); die ältere Gruppe, ein Werk des Antenor (s. d. Nr. 8), wurde von Xerxes nach Susa geschleppt, Arr. an. III 17, 7f. VII 19, 2. Paus. I 8, 5, vgl. Plin. n. h. XXXIV 70 (hier ein Werk des Praxiteles
[931] genannt), nach Arrian von Alexander, nach Pausanias von Antiochos zurückgesandt, nach Valer. Max. II 10 ext. 1 von Seleukos nach Athen zurückgebracht, wobei den Statuen in Rhodos grosse Ehren erwiesen wurden. Die Gruppe wurde in Athen im Kerameikos gegenüber dem μητρῷον (Arr.) neben der jüngeren Gruppe (Paus.) auf der sog. ὀρχήστρα aufgestellt. Zum Ersatz für die geraubte Gruppe wurde eine neue, ein Werk des Kritias (Paus.) und Nesiotes (Luk. Philops. 18), im J. 477/6 aufgestellt, Marm. Par. Z. 70. Über den Platz vgl. Timai. lex. Plat. s. ὀρχήστρα. Luk. Paras. 48. Aristoph. Ekkl. 682f.; Lys. 634. Aristot. rhet. I 1368 a. Lykurg. 51. Lolling Handb. d. Altertwiss. III 309. 316. E. Curtius Stadtgesch. v. Athen 92 u. ö. Auf alte Nachbildungen ist vielleicht Plin. n. h. XXXIV 70. 86 zu beziehen. Die erhaltenen Nachbildungen (Overbeck Griech. Plastik⁴ I 156ff. Baumeister Denkmäler I 165) sind wahrscheinlich auf die jüngere Gruppe zu beziehen, vgl. Friederichs-Wolters Berlins ant. Bildwerke 66ff. (mit Litteraturang.). B. Gräf Athen. Mitt. XV (1890) 1ff. In der Nähe dieser Statuen durften keine andern aufgestellt werden, CIA II 300. 410; Ausnahmen von dieser Regel Diod. XX 46, 2 und Cass. Dio XLVII 20, 4. Begraben waren Harmodios und A. im äusseren Kerameikos, Paus. I 29, 15. Der Polemarch brachte ihnen Totenspenden dar, Arist. Ἀθ. πολ. 58, 1 (daraus Poll. VIII 91); sie hatten Ehren ,wie Götter und Heroen‘, Demosth. XIX 280; Sclaven durften nicht nach ihnen genannt werden, Gell. IX 2, 10. Liban. or. III p. 25, 1 R. Ihren Familien wurden öffentliche Wohlthaten zu teil, CIA I 8. Demosth. XX 18. 29. 127ff. 159f. XXI 170. XXIII 143. Isai. V 47. Dein. I 101. Andok. I 98. Plut. Arist. 27. Anon. c. Philipp. ed. Blass Jahrb. f. Philol. CXLV 1892, 101 Z. 10, vgl. S. 45. Ihre That wurde im Rundgesang bei Gelagen gefeiert, s. die Skolien bei Bergk PLG⁴ III 646, 9-12 (bei Hesych. s. Ἁρμοδίου μέλος einem Kallistratos zugeschrieben); Anspielungen auf das Lied, welches kurz ὁ Ἁρμόδιος genannt wurde, bei Aristoph. Ach. 977 mit Schol. 1092 mit Schol.; vesp. 1225; Lys. 634; frg. 430 Kock. Cratin. frg. 236. Antiph. frg. 4. 85 Kock. Irrtümlich wird Ἁρμοδίου μέλος als Sprichwort aufgefasst bei Suid. s. Ἁρμόδιοι. Ps.-Diogen. II 68 (Makar. II 32. Apost. III 82). Busolt Gr. Gesch.¹ I 566f. Duncker Gesch. d. Altert.⁵ VI 497ff. E. Curtius Gr. Gesch.⁶ I 366. Beloch Gr. Gesch. I 331f. v. Wilamowitz Aristoteles und Athen I 108ff. 274. II 75.