RE:Arbogastes 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Franke in röm. Dienst, Berater d. Valentinian | |||
Band II,1 (1895) S. 415–419 | |||
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Arbogastes. 1) Franke (Paulin. vit. Ambr. 30 = Migne L. 14, 37. Zos. IV 33, 2. 53, 1. Joh. Ant. frg. 187. Eunap. frg. 53. Philost. XI 2 = Migne Gr. 65, 593), heidnischen Glaubens (Paulin. vit. Ambr. 26, 31. Ambr. in psalm. XXXVI 25; epist. 57, 6. Auspic. ad Arb. 34 = Migne L. 14, 36. 37. 980. 16, 1176. 61, 1007), aus seiner Heimat verbannt (Claud. III cons. Hon. 66; IV cons. Hon. 74), wahrscheinlich durch den Einfluss des Sunno und Marcomir, gegen die er auch später einen alten Hass bewahrte (Greg. Tur. II 9). Er trat in römische Dienste und wurde 381 von Gratian im Gefolge des Bauto mit einem gallischen Hülfsheer zu Theodosius gesandt (Zos. IV 33, 1. Eunap. frg. 53). Als Bauto (nach 385) gestorben war, wählte ihn das Heer an dessen Stelle zum Magister militum (Zos. IV 53, 1). Im Kriege gegen Maximus erwarb er sich 388 hervorragende Verdienste (Oros. VII 35, 12; vgl. Philost. X 8); namentlich eroberte er Gallien und tötete dort Victor, den Sohn und Mitregenten des Usurpators (Mommsen Chronica minora I 245. II 15. Greg. Tur. II 9. Zos. IV 47, 1). Nach Wiedereinsetzung des Valentinian wurde er diesem von Theodosius als Leiter und Berater zur Seite gestellt (Eunap. frg. 53), ohne ein Amt mit klar ausgesprochener Competenz zu erhalten. Denn der Titel Comes, welchen [416] er allein führte (Dessau Inscr. Lat. sel. 790. Paulin. vit. Ambr. 26. 30. 31. Ambr. de ob. Val. 25. 27 = Migne L. 16, 1367. Mommsen a. O. u. sonst), ist an sich ganz inhaltlos, und Magister militum war er nicht, da dieses Amt gleichzeitig in Gallien von Carietto und Syrus bekleidet wurde (Greg. Tur. II 9). In dieser eigentümlichen Stellung wurde er der erste jener Söldnerführer, welche, wie später Aëtius, Ricimer und Aspar, ohne selbst nach der Krone zu greifen, doch die Herrschaft völlig an sich rissen. Durch glänzende Siege über die Franken (Paulin. vit. Ambr. 30. Greg. Tur. a. O.), durch Energie und Unbestechlichkeit erhielt er sich die Anhänglichkeit der Soldaten (Zos. IV 33, 2. 53, 1. Eunap. a. O. Joh. Ant. a. O.), und indem er alle höheren Officierstellen mit seinen Landsleuten besetzte, brachte er das Heer ganz in seine Gewalt und zwang auch die Civilbeamten, um seine Gunst zu buhlen (Greg. Tur. a. O.). Wer sich ihm widersetzte, den räumte er aus dem Wege; der hochgeborene und mächtige Harmonius wurde unter dem Purpur des Kaisers, den dieser zum Schutze über ihn breitete, von A. eigenhändig niedergestossen (Joh. Ant. a. O.). Valentinian, den er in seinem Palast eingeschlossen hielt und von jedem Verkehr mit den Soldaten absonderte (Greg. Tur. a. O.), wollte diese Abhängigkeit nicht länger dulden. Er flehte brieflich den Theodosius um Hülfe an, und als dieser zauderte, fasste er den Entschluss, zu ihm zu entfliehen (Zos. IV 53, 4. Joh. Ant. a. O.). Die Bedrohung Italiens durch die Donauvölker sollte ihm einen Vorwand bieten, um Gallien zu verlassen und dem Beherrscher des Ostens die Hand zu bieten (Ambr. de obit. Val. 2. 22). Obgleich die Barbaren die Gefangenen, welche sie auf Valentinians Gebiet gemacht hatten, zurückgaben und um Frieden baten (a. O. 4), wurde doch alles zur Reise des Kaisers vorbereitet (a. O. 24). Da scheint A. mit seinem Verbot dazwischen getreten zu sein. Valentinian schrieb an den Bischof Ambrosius nach Mailand, damit dieser komme und auf den Comes einwirke (a. O. 25. 27. 79); zugleich wollte er von ihm die Taufe empfangen (a. O. 32. 51; epist. 53, 2), ein Zeichen, dass er sich mit Todesgedanken trug. Unterdessen hatte A. wieder die Hinrichtung von einigen seiner Gegner gefordert (a. O. 35). Da veranlasste die steigende Aufregung über seine Ohnmacht den jungen Kaiser, seinem Leben ein Ende zu machen, noch ehe der Bischof bei ihm anlangte (a. O. 26). Am Samstag vor Pfingsten, den 15. Mai 392 (Epiphan. de mens. et pond. 20 = Migne Gr. 43, 272) fand man ihn in seinem Palast zu Vienna erhängt (Rufin. h. e. II 31. Hieron. epist. 60, 15 = Migne L. 21. 538. 22. 599. Mommsen a. O. I 463. Oros. VII 35, 10. Philost.[WS 1] XI 1. Sozom. VII 22). Allgemein hielt man Arbogast für den Mörder, und nachdem dieser als Hochverräter geendet hatte, wurde diese Version natürlich zur officiellen (Claud. IV cons. Hon. 75. 93. Mommsen a. O. I 245. II 15. 63. Apoll. Sid. carm. V 355). Doch die Ausführung der That erzählte man in der verschiedensten Weise (a. O. Zos. IV 54, 3. Joh. Ant. frg. 187. Socr. V 25), und die besser Unterrichteten enthielten sich jedes Urteils (August. de civ. dei V 26 = Migne L. 41, 172. Rufin. h. e. II 31. Paulin. vit. [417] Amb. 26. Epiph. a. O. Soz. a. O.). Ambrosius, der am tiefsten eingeweiht war, glaubte bei der ersten Nachricht gleichfalls an Mord (de ob. Val. 33; vgl. 2. 27. 28. 35), änderte aber später seine Ansicht. Denn in der Leichenrede auf Theodosius (Migne L. 16, 1398) nennt er diesen nur den Rächer Gratians, nicht auch Valentinians, und unter denjenigen, welche den Verstorbenen im Himmel empfangen sollen, zählt er (40; vgl. 51. 52) Valentinian nicht mit auf, offenbar weil er annimmt, dass dieser durch seinen Selbstmord des ewigen Lebens verlustig gegangen sei.
Trotzdem musste A. die Strafe des Theodosius fürchten, und da er selbst durch seine barbarische Herkunft vom Throne ausgeschlossen war (Philost. XI 2), stellte er für den Occident einen neuen Kaiser auf. Er wählte dazu den Flavius Eugenius, ehemals Lehrer der Grammatik (Socr. V 25) oder Rhetorik (Zos. IV 51, 1. Joh. Ant. frg. 187), dann durch Richomer dem A. empfohlen (a. O., vgl. Symm. epist. III 60. 61) und durch seinen Einfluss zum Magister eines Scriniums erhoben (Philost. XI 2. Socr. V 25). Seit langer Zeit war dies der erste Civilbeamte, welcher auf den Thron berufen wurde. A. brauchte eben einen Mann, der mit dem Heere gar keine Fühlung besass, um seine Macht zu behaupten. Noch 392 bemächtigte er sich auch Italiens (CIL X 4492; vgl. De Rossi Ann. d. Inst. 1849, 304), so dass von der westlichen Reichshälfte nur Africa dem Theodosius treu blieb (Cod. Theod. I 12, 4. IX 7. 9. XII 1, 133). Auch hier aber wurde der Befehlshaber Gildo bald schwankend (Claud. bell. Gild. 246ff.; VI cons. Hon. 108).
Im Winter 392/93 überschritt A. bei Köln den Rhein und verwüstete das Gebiet der Franken. Dann erschien Eugenius an der Grenze und schloss mit ihnen und zugleich mit den Alamannen einen vorteilhaften Frieden (Greg. Tur. II 9), wobei er sich die Stellung von Hülfstruppen ausbedang (Oros. VII 35, 11). In seinem Reichsteil erkannte er Theodosius und Arcadius als Mitregenten an (Dessau 790. CIL X 1693) und schickte eine Gesandtschaft an sie, um auch ihre Anerkennung zu erbitten, erhielt aber eine ausweichende Antwort (Zos. IV 55, 3. Joh. Ant. a. O. Rufin. II 31). Doch wurde sein Consulat 393 im Orient nicht verkündet (De Rossi Inscr. christ. urb. Romae 410ff.); er antwortete darauf, indem er 394 die orientalischen Consuln Arcadius und Honorius in seinem Reichsteil nicht gelten liess (De Rossi 419ff.), was einer Kriegserklärung gleich kam. Durch den Einfluss des A. und des Flavianus, den er zum Praefectus praetorio und 394 auch zum Consul ernannte, liess sich Eugenius nach einigen Weigerungen bestimmen, die Kosten des heidnischen Kultus wieder auf die Staatskasse zu übernehmen, was Gratian abgestellt hatte (Ambr. ep. 57, 6. Paulin. vit. Ambr. 26. Rufin. II 33). Infolge dessen verliess Ambrosius Mailand, als Eugenius dorthin kam, und verweigerte ihm die kirchliche Gemeinschaft. Dadurch wurde dieser völlig in die Arme des Heidentums getrieben; er liess sich von Flavianus aus den Eingeweiden der Ofertiere den Sieg über Theodosius weissagen (Rufin. a. O. Soz. VII 22. Carm. cod. Paris. bei Mommsen Herm. IV 350. Seeck Symmachus p. CXVIII); ja es wurde [418] selbst eine alte Prophezeiung entdeckt, nach der das Christentum im J. 394 untergehen sollte (August. de civ. dei XVIII 53). An der Stelle, welche A. zum Schlachtfelde ausersehen hatte, wurde ein unter besonderen Riten geweihtes Bild des Iuppiter auf der Höhe aufgestellt, das einen Blitz aus echtem Golde trug (August. de civ. dei V 26. Carm. Paris. 26). Als A. zum Kriege auszog, drohte er die grosse Basilika von Mailand bei seiner Wiederkehr zum Stalle zu machen und den Klerus unter die Soldaten zu stecken (Paul. vit. Ambr. 31. Ambr. enarr. in psalm. XXXVI 25). Theodosius dagegen hatte sich durch einen heiligen Mönch Erfolg prophezeien lassen (August. a. O. Rufin. II 32. Claud. in Eutr. I 312. Soz. VII 22. Pallad. hist. Laus. 43. 46 = Migne Gr. 34, 1107. 1130) und erschöpfte sich in Fasten, Gebeten und religiösen Feierlichkeiten (Rufin. II 33). Zugleich sammelte er ein ungeheures Heer, das er im Herbst 394 gegen Italien führte (Claud. de cons. Stil. I 154; de III cons. Hon. 68; bell. Gild. 243. Socr. V 25. VII 10. Soz. VII 24. Jord. Get. 28, 145. Zos. V 5, 4. Hier. epist. 77, 8 = Migne L. 22, 695). A. hatte alle verfügbaren Truppen concentriert (Claud. de IV cons. Hon. 79) und am Frigidus (Claud. de III cons. Hon. 99. Socr. V 25. Philost. XI 2), wo sich der Pass der julischen Alpen in die Ebene öffnet (Rufin. II 33. Soz. VII 22. 24. Oros. VII 35, 13. Claud. de cons. Ol. et Prob. 104), ein befestigtes Lager geschlagen (Claud. a. O. 109; de III cons. Hon. 91; de IV cons. Hon. 80). Vor diesem aufgestellt, empfing er das herabziehende Heer des Theodosius, so dass die Teile desselben, wie sie aus dem Passe hervortraten, einzeln aufgerieben[WS 2] wurden. Von den barbarischen Hülfstruppen, welche den Vortrab bildeten, fielen auf diese Weise 10000 Mann (Oros. VII 35, 19. Rufin. II 33. Zos. IV 58, 2. Socr. V 25). Ausserdem hatte A. in einem Seitenthal des Passes eine Schar versteckt, die dem Feinde, sobald er vorübergezogen war, den Rückzug abschneiden sollte. Der Führer derselben ging zwar zu Theodosius über (Oros. VII 35, 13. 16. Rufin. II 33. Soz. VII 24); doch erschien dessen Lage trotzdem ganz verzweifelt. Am Abend des ersten Schlachttages verteilte Eugenius schon Belohnungen unter seine Soldaten, und diese feierten den Sieg mit Gelagen (Zos. IV 58, 4). Dies benutzte Theodosius, um in der Nacht einen möglichst grossen Teil seines Heeres aus den Engen zu führen (Ambr. de ob. Theod. 7). In der Morgenfrühe überfiel er das Lager und zündete seine hölzernen Türme und Palissaden an (Zos. IV 58, 4. Claud. de cons. Ol. et Prob. 109). Dadurch gewann er Zeit, seine Truppen auf der Ebene in Schlachtordnung zu stellen; doch auch A. sammelte sein erschrecktes Heer und warf es ihm entgegen. Da im Beginne der Schlacht erhob sich eine starke Boa, welche den Soldaten des Eugenius den Staub ins Gesicht trieb und die Wirkung ihrer Wurfgeschosse vernichtete (August. de civ. dei V 26. Oros. VII 35, 17. Claud. de III cons. Hon. 93. Socr. V 25. Soz. VII 24). Da von beiden Seiten der Aberglauben geflissentlich wachgerufen war, übte dies eine furchtbare moralische Wirkung (Ambr. en. in psalm. XXXVI 25. Rufin. II 33). In wilder Panik flohen die Truppen des Eugenius (Zos. IV 58, 6. Soz. VII 24. Oros. VII [419] 35, 19). Er selbst wurde gefangen und zu den Füssen seines Gegners niedergemacht (Zos. IV 58, 5. Philost. XI 2. Socr. a. O. Rufin. a. O. Soz. a. O. Oros. a. O. Claud. de IV cons. Hon. 83). A. irrte noch zwei Tage im Gebirge umher und tötete dann sich selbst (Zos. Phil. Socr. Soz. Oros. aa. OO. Claud. de III cons. Hon. 102; de IV cons. Hon. 92. Apoll. Sid. carm. V 356). Der Tag der Schlacht war der 6. September 394. Socr. V 25.