Aparktias (ἀπαρκτίας; ἀπαρκίας in der inschriftlichen Windrose bei Kaibel Herm. XX 623, nach Eustathios z. Hom. 1156, 17. 1535, 16 des Wohlklangs wegen, andere Stellen in Steph. Thes.; lat. septentrionarius Favorin bei Gell. II 22, 15, ventus septentrionalis Plin. XVIII 328, sonst septentrio), bezeichnet den eigentlichen Nordwind und hat mit seinem deutlichen Namen das alte Wort Boreas (s. d.) aus dieser engeren Bedeutung in den Windrosen allmählich fast verdrängt (ebenso Apeliotes den Euros). Aristoteles nennt in seiner Windtafel meteor. II 6, 6 (363 b 14) βορέας καὶ ἀπαρκτίας als vom Nordpunkt ausgehend und dem νότος entgegengesetzt. Doch schon er braucht an anderen Stellen deutlich A. für den reinen Nordwind (s. u.), βορέας als allgemeines Wort für nördlichen Wind; vgl. besonders ebd. 11 (364 a 14ff.): ,der Nordwind im eigentlichen Sinne‘ ὁ ἀ. κυριώτατα. Theophrast de ventis hat A. für Nordwind gar nicht; das Wort findet sich nur in der fast ganz aus Aristoteles genommenen Stelle Ps.-Theophr. sign. tempest. 35–37. Dagegen behält A. seine Stellung als nördlicher Centralwind in den Windrosen, die sich aus der aristotelischen entwickelt haben, der zwölfteiligen des Timosthenes und der achtteiligen des Eratosthenes. Den Boreas aber hat schon Timosthenes nach Osten gerückt, als nordöstlichen Nebenwind des A.; vgl. z. B. Kaibel a. a. O. 607. Die Römer haben mit diesen Windrosen auch den A. = septentrio übernommen und im allgemeinen mit dem nach Nordosten verschobenen Boreas ihren aquilo identificiert, s. u. Boreas. Abweichungen finden sich nur in wenigen der überlieferten Windrosen. Geradezu vertauscht scheinen A. und Boreas-aquilo in der verstümmelten zwölfstrichigen Rose bei Apul. de mund. 11, ebenso bei Dionysios in Geopon. I 11. In der dem Fragment ἀνέμων θέσεις καὶ προσηγορίαι (Arist. ed. acad. 973, ed. Didot IV 45, Rose Arist. pseudep. 248) zu Grunde liegenden zwölfteiligen Rose muss A. gleichfalls seinen Platz gehabt haben. Sonst s. unter Windrose. Dass unter den vier Winden Boreas nicht selten seine alte Stelle behalten hat, ist natürlich. Ebenso, dass im gewöhnlichen Sprachgebrauch das allgemeine Wort das überwiegende geblieben ist. So lässt sich in den Nachrichten der Alten über den Charakter des Windes nicht immer A. von seinen Seitenwinden genau unterscheiden. Er kommt mit den anderen nördlichen Winden ἀπὸ τῶν πρὸς ἄρκτιον τόπων (Arist. a. a. O. § 10) oder vom Pol selbst (z. B. Ps.-Arist. de mund. 4, 394 b 29), ist daher kalt und, weil er bei der nördlichen Lage der Oikumene den kürzesten Weg hat, kräftig (vgl. auch problem. 26, 41. 45 u. a.). So vertreibt er die ihm entgegenwehenden Winde und die Wolken und wirkt dadurch aufklärend und trocknend (s. besonders [2669] Arist. a. a. O. 16ff., auch Theophrast de vent. 58; de caus. plant. II 2, 4). Damit stimmt für Italien Plinius überein n. h. II 126. XVIII 338, vgl. Suet. bei Isid. n. rer. 37, 1. So ist der kühle Nord im Sommer, wenn er seinen Gegenwind, den Süd vertreibt (Plin. II 123) eine Erfrischung und gilt mit Recht für gesund, Theophr. vent. 56. Vitruv. I 6, 1. Ideler Meteor. vet. 110. Partsch in Neumann und Partsch Phys. Geogr. v. Griech. 104. Nissen It. Landesk. I 385. Oder er fährt (wenn er mehr kalt als heftig ist, Arist.) in die feuchten warmen Luftmassen des Südwindes und lässt sie in Hagelschauern, zum Teil unter elektrischen Entladungen (infolge des Zusammenstossens der Wolken, Arist. 21) niedergehen. Die Möglichkeit, dass dieser Niederschlag als Regen erfolgt, lässt also Aristoteles wegen der Kälte des A., die rasches Gefrieren verursacht (§ 17. 21, vgl. Sen. n. qu. IV 4), ausser acht, vgl. Theophr. vent. 54. Plut. Dio 25 beschreibt einen Sturm des A. (also einen ἐκνεφίας, wie sie nach Aristoteles § 22 meist im Herbst auftreten) südlich von Sicilien, verbunden mit heftigem Gewitterregen, vgl. Apoll. Rh. II 1098ff. Partsch a. a. O. Im Winter bewirkt A. auf gleiche Weise starken Schneefall. Oder wenn er die Wolken vertreibt, bringt er heiteren Himmel und strenge Kälte. Dieser winterliche Nord ist in Griechenland nicht selten, wenn auch die eigentliche Zeit nördlicher Winde in den griechischen Meeren der Sommer ist (s. Etesiai). In Chios z. B. ist A. nach modernen Beobachtungen vorherrschend besonders in der wärmeren Jahreszeit (Supan Statist. d. unt. Luftström. 106f.), ähnlich in Constantinopel. In Athen dagegen weht er in keinem Monat häufiger als im December und Januar, tritt aber auch da gegen den Nordost zurück; Partsch a. a. O. 103. 125. In Italien sind wenigstens für die tyrrhenische Seite nördliche und östliche Winde die Hauptwinde dieser Jahreszeit, in Rom wiegt der Nord im Winter ganz entschieden vor, Nissen a. a. O. 383. 385. über die mannigfachen Verhältnisse auf der adriatischen Seite geben einen Überblick die Tabellen ebd. 382f., s. Supan 109ff. Dass der A. eine ungerade Zahl von Tagen zu wehen pflege, hebt nach [Theophr.] sign. temp. 33 Plinius II 129 hervor. Seine Bedeutung für die Landwirtschaft in Griechenland und Italien berühren Theophrast caus. pl. a. a. O. Plinius XVIII 328 (hier ist bemerkenswert der Hinweis auf den verschiedenen Charakter des A. je nach Lage des Landes). 330. XV 104. Vgl. noch Corays Ausgabe von Hippocr. περὶ ἀέρων ὑδάτων τόπων Bd. I S. LXXIV. Sonst s. Boreas. Winde.