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RE:Ἐπίδειξις

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Vorführung v. Kunst-Erzeugnissen zur Prüfung der Brauchbarkeit
Band VI,1 (1907) S. 5356
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Ἐπίδειξις ist Vorführung von Erzeugnissen irgend einer Kunstfertigkeit entweder zur Prüfung der Brauchbarkeit vor dem Abnehmer (Dittenberger Syll.² Register p. 310 s. ἐπιδείκνυμι. Plat. leg. VII 817 D) oder vor größerem Publikum (Plut. vit. X orat. 838 D) ohne praktischen Zweck (Gegensatz zwischen ἐπιδειξει πρὸς ἔχειν und σπουδάζειν Isokr. ep. VI 5; zwischen δυνάμεως ἐπίδειξις und παρασκευὴ ἐπὶ πολεμίους Thuc. VI 31, 4), bloß um des δύναμιν ἐπιδεῖηαι willen (Philodem. vol. rhet. II p. 137 frg. VII 6 Sudhaus; quasi ad inspiciendum delectationis causa Cic. or. 37). Die universalste verschiedenartiger Kunstleistungen hat nach Plat. Hipp. mai. 368 C D der Sophist Hippias in Olympia veranstaltet. Besonders spricht man aber von ἐπιδεικνυσθαι mit Beziehung auf Werke der redenden Kunst. Voraussetzung ist immer bewußt künstlerische Durcharbeitung des Gegenstandes (Gegensatz zwischen ἐπιδεικτικῶς und ἀφελῶς, Isokr. or. IV 11), d. h. bis ins 5. Jhdt. v. Chr. poetische Gestaltung (Plut. quaest. symp. 674 F f.). In der Regel, aber nicht immer, sind die ἐπιδείξεις dieser älteren Zeit mit agonistischer Konkurrenz verbunden. So dachte man sich den Homer selbst ἐπιδεικνύμενος; Herodot. vit. Hom. 9. 12. 15; ἀγὼν Ὁμήρου καὶ Ἡσιόδου), wie denn seine Gedichte von Rhapsoden epideiktisch und agonistisch vorgetragen werden (Heraklit. frg. 119 Byw. Herodot. V 67. Plat. Io 530 A. Diod. XIV 109, 1. Diog. Laert. VIII 63. 66. Athen. XIV 620 C D. Plut. quaest. symp. 736 F). Die dramatischen Dichter ἐπιδείκνυνται (τῷ θεῷ) Michel Recueil d’inscriptions Grecques nr. 265, 5. 902, 16. 903, 15. 904, 28. Plat resp. III 398 A; symp. 194 B. Suid. s. Εὐριπίδης b extr. Dio Chr. XXXI 116. XXXIII 10; ein Poet Capito [54] ἐπιδείκνυνται mit καιρικαὶ ἀπαγγελίαι Rohde Griech. Rom.² 139, 1. A. Körte N. Jahrb. V 83f.) Seit Ausbildung der Kunstberedsamkeit Ende des 5. Jhdts. durch die Sophistik tritt auch die Prosa, ausgerüstet mit Mitteln der Poesie und dieser den Rang streitig machend, in den Wettbewerb der Künste ein (kurze Geschichte und Definition der epideiktischen Beredsamkeit Cic. or. 37–42). Seither ist die λόγων ἐ. besonders an die Prosarede geknüpft . Demosth. XVIII 280; Epideiktik und λογογραφία eng verbunden Philod. vol. rhet. I 47, 1ff. 48, 25ff. 122, 30ff. II 97, 1ff. [Demosth.] Erotic. 2) und umfaßt Reden ohne bestimmten und greifbaren praktischen Zweck (Gegensatz ἀληθινὸς ἀγών Rhet. ad Alexandr. 36 p. 1440 b 13. Philodem. a. a. O. Isokr. XV 1), teils παίγνια wie Gorgias Helena und Palamedes, Isokrates Helena und Busiris u. a., teils deklamatorische Behandlungen mythologischer oder historischer Gegenstände wie Reden zum Streit zwischen Odysseus und Aias, zum Sokratesprozeß von Lysias und Polykrates, teils kunstvolle Darlegungen ethisch-politischer Ideen, wie sie Gorgias mit seinem Ὀλυμπικός, Πυθικός, Ἐπιτάφιος in die Litteratur eingeführt, Isokrates im Πανηγυρικός zur höchsten Vollendung gebracht hat. Aber auch Lehrvorträge, sofern sie künstlerisch geformt und zum Vortrag vor einem größeren Kreis bestimmt waren, hießen ἐπιδείξεις (Suid. s. Πτολεμαῖος ὁ Ἀριστονίκου); so die schöngeistigen Vorträge von Rhapsoden über Dichter (Plat. Io 530 D. 541 E f.) und andere Vorträge, seien sie improvisiert oder memoriert oder vorgelesen (Zenon von Elea las seine Schriften vor, Plat. Parm. 127 C; Isokrates epideiktische Reden vorgelesen: Isokr. XV 1; s. auch Dio Chr. VIII 9. Diod. XIV 109, 3. Synes. in Dindorfs Dio Chr. II 324, 19; δείξεις nennt Aristox. harm. p. 46, 4 Marq. seine öffentlichen Vorträge über Musik, und denselben Ausdruck braucht Epikur bei Philodem. vol. rhet. I 32, 31. II 256, 9). Uns liegen im Corpus Hippocraticum noch derartige medicinische Epideixen vor (z. B. περὶ ἀρχαίης ἰατρικῆς, περὶ φύσιος ἀνθρώπου, περὶ τέχνης, περὶ φυσῶν, s. auch Suid. s. Γέσιος). Derartiges wurde wohl auch von Schülern abgeschrieben und memoriert, Plat. Phaedr. 228 A. Über die sophistischen ἐπιδείξεις im allgemeinen s. M. Schanz Beiträge zur vorsokratischen Philosophie 144ff. O. Navarre Essai sur la rhétorique Grecque avant Aristote, Paris 1900, 31ff. Solche sophistischen ἐπιδείξεις schlοssen sich teils an die großen griechischen Agone in freier Weise an (für die Olympien Plat. Hipp. min. 363 C; Lys. Olymp. 2 setzt die γνώμης ἐ. schon als festen Bestandteil der Olympienfeier voraus; s. a. Isokr. XVI 32. Inschr. v. Olympia nr. 457 [ein Lokal für solche Vorträge war in Olympia der Opisthodom des Zeustempels, Luc. Herod. 1; in Elis das Gymnasium Lalichmion, Paus. VI 23, 5]; für die Pythien ist Gorgias Πυθικός bestimmt [s. a. Plut. quaest. symp. 834 E], für die Panathenaeen Isokrates Παναθηναϊκός für die Isthmien s. Diog. Laert. VI 2; mit der an die Theseen angeschlossenen Epitaphienfeier in Athen war ein später vom Archon Polemarchos ständig zu haltender λόγος ἐπιτάφιος verbunden, eine Gattung, die Platon im Menexenoa verhöhnt), teils wurden sie von den Wanderlehrern privatim veranstaltet (Plat. [55] Hipp. mai. 282 C). In derselben Weise lasen auch Historiker wie Herodotos (Rud. Dietrich Testimonia de Herodoti vita praeter itinera 1899, 34, zweifelt mit Unrecht an der Historizität), Theopompos (Phot. bibl. cod. 176), ein trozenischer Historiker des 2. Jhdts. v. Chr. (delphische Inschrift ed. Couve Bull. hell. 1894, 77) ihre Werke vor (über lokalhistorische Vorträge eines Menekles von Teos in Praisos Le Bas Voy. arch. III nr. 82; im allgemeinen über Vorlesung von Geschichtswerken und Romanen Rohde Griech. Rom.² 328 A. 379, 1). Die Recitationen Herodots knüpfen wohl an die altionische Sitte der Novellenerzähler (Rohde Griech. Rom.² 591) an, mit denen er auch stilistisch in engsten Zusammenhang gehört, während Theopompos schon unter dem Einfluss der Sophistik steht.

Vom 4. Jhdt. an werden auch solche Prosa-ἐπίδείξεις allmählich in ἀγῶνες eingeschlossen. Das früheste uns bekannte derartige Beispiel ist der Grabredenagon bei der Bestattung des Karers Maussollos im J. 352, bei dem Isokrates der Jüngere, Theodektes und Theopompos mit λόγοι ἐπιτάφιοι agonistisch gegeneinander auftraten (Suid. s. Ἰσοκράτης und Θεοδέκτης. Gell. X 18, 6. Griech. Trag. 1079f.). Für spätere Zeit liegen inschriftliche Zeugnisse vor: s. o. Bd. I S. 839, 48ff. E. Reisch De musicis Graecorum certaminibus 19. 122 nr. V 2. 123 nr. VII 9. 124 nr. VIII 11. 130 nr. XIV 11, lauter orchomenische Festakten aus vorchristlicher Zeit; für die Pythien s. Plut. quaest. symp. 834 E; von den ἐγκώμια καταλογάδην oder λογικά, mit denen hier die Rhetoren auftraten, haben wir noch eine Probe in der Lobrede auf Herakles, die Diodor. IV 8ff. aus dem Sophisten Matris entnommen hat (E. Holzer Matris, ein Beitrag zur Quellenkunde Diodors, Tübinger Progr. 1881. v. Wilamowitz bei E. Bethe Quaest. Diodoreae mythogr. 41); der von Vitruv. de archit. VII praef. 4 erwähnte Agon der communes scriptores, den Ptolemaios II. in Alexandria gestiftet haben soll, umfaßte vielleicht auch epideiktische Reden (Auftreten von Epideiktikern in Alexandria, Dio Chr. XXXIII 10). In den Inschriften von Teos CIG 3088 handelt es sich um Schülerprüfungen mit ausgesetzten Prämien (vgl. Menand. 398. 6ff. Spengel), ebenso in denen von Chios CIG 2214.

In der rhetorischen Technik wird der λόγος ἐπιδεικτικός bereits von Anaximenes als besondere Gattung anerkannt (die Streichungen im Text von Spengel weist O. Navarre Essai sur la rhétorique Grecque avant Aristote 335ff. mit Recht zurück). Zwei Spezialabhandlungen über die epideiktischen Reden in der späteren Kaiserzeit sind uns unter dem Namen des Menandros von Laodikeia erhalten (zuletzt herausgegeben von Bursian Abh. Akad. Münch. 1882 III: die zweite gehört möglicherweise dem Genethlios von Petra, W. Nitsche Der Rhetor Menander und die Demosthenesscholien 1883); sie geben interessante Einblicke in den Betrieb der offiziellen Paraderednerei des 3. Jhdts. n. Chr.

Zu neuer Blüte erwachte die epideiktische Rede bei den Griechen in der Renaissanceperiode seit Traians Regierung; die Diatribe, mit der sich populärphilosophische Redner stoisch-kynischer Richtung an weitere Kreise seit hellenistischer [56] Zeit gewendet hatten, wird stilistisch verfeinert durch Dio Chrysostomos, der sie zur langen und feierlichen Predigt erweitert; in seiner Bahn gehen Maximus von Tyros, Iulianus und Themistius weiter; den epideiktischen λόγος πολιτικός im attischen Gewand erneuert Aelius Aristides, der wieder von Libanios und Chorikios nachgeahmt wird. Die epideiktischen Sophistenvorträge des 2. Jhdts. n. Chr. waren regelmässig so eingeteilt, daß eine sog. διάλεξις oder προθεωρία in einfachem Stil zur Anlockung der Zuhörer vorangestellt wurde (über diese Einleitung, die schon in einem Teil der Isokratischen Reden vorgebildet ist, s. W. Schmid Atticismus IV 346ff.), dann die sorgfältig ausgearbeitete Hauptrede, die μελέτη folgte (Schmid a. a. O. I 35f.); doch konnte auch die ganze in der διάλεξις bestehen (Menandros in Spengels Rhet. Gr. III 393, 25). Im Halten solcher Paradereden und in der Leitung rhetorischer Unterrichtskurse bestand, wie im 5. Jhdt. schon, die Berufstätigkeit auch dieser neuen Sophisten (G. Sievers Leben des Libanios 19. 21), von deren Wirken Sievers a. a. O. 16ff. und Rohde Griech. Roman² 324–361 eingehende Schilderungen geben.

Neben diesen rhetorischen Epideixen dauern auch die poetischen bis an das Ende des Altertums fort (Liermann Berichte des fr. d. Hochstifts N. F. VIII 382f. Liban. T. III 149, 9. 164f. Reiske; ebd. ep. 983. A. Ludwich Rh. Mus. XLVI 195. Rohde Griech. Rom.² 327, 1).

Die römischen recitationes (L. Friedländer Darst. aus der röm. Sittengesch.7 II 404ff.) und declamationes (W. Schmid Atticism. I 32) sind Nachbildungen der griechischen ἐπιδείξεις[1]

  1. Nur aus der Anzeige in der Wochenschr. f. klass. Philol. 1903, 972 kennt Referent die Abhandlung von Th. Ch. Burgess Epideictic literature, Studies in classical philology, University of Chicago, 1902, 89–261.