Rückkehr von der Weinlese in Süditalien
[708] Rückkehr von der Weinlese in Süditalien. (Zu dem Bilde S. 688 und 689.) Für den Besitzer der kleinen Weinberge im Süden Italiens ist die Weinlese ein Freudenfest. Die Mädchen aus der Nachbarschaft werden geladen, die schönsten und sangeslustigsten erhalten vom Sohne des Hauses eine besondere Einladung, und die Burschen sind rasch zur Stelle. Im Morgengrauen schon ist alles beisammen.
In der Nähe der Kelter sitzen sie am Boden nieder, und bis die Sonne die taufeuchten Trauben trocknet, frühstücken sie, und das muntere Wort fliegt hin und wieder. Dann beginnt
die Arbeit. Die Burschen auf der Leiter schneiden die „Zöpfe“, die Ranken, aus, die
Mädchen lösen die Trauben und sammeln die abfallenden Beeren, andere tragen die Körbe zur
Kelter. Lustig leuchtet das grelle Rot und Blau der Tücher und Röcke durch das Grün, Schüsse
knallen, aber das Schönste sind die schallend gesungenen, lang aushallenden Canzoni. Der Jubel
wächst. Von den Weinbergen da drüben antworten singend andere Scharen. – Mit dem
Abend muß die Arbeit beendet sein. Jedes Mädchen bekommt ein kleines Silberstück und ein
Körbchen voll Trauben, die in den Kammern für den Wintergebrauch aufgehängt werden. Fröhlich
und festlich wie sie ausgezogen, noch immer singend und schwatzend, ziehen sie, im Geleite der
Burschen, in die Dörfer zurück. Und manche trägt unter den bacchischen Früchten im Korbe Amors
liebliche Rose mit heim. Woldem. Kaden.