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Prolog II. (Schwab)

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Textdaten
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Autor: Gustav Schwab
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Titel: Prolog
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aus: Gedichte. 1. Band, S. 151–156
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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[151]

Prolog.

Gesprochen beim Feste aller schwäbischen Liederkränze im Lokal
der Predigerkirche zu Eßlingen, den 26. Mai 1828.

Zu feiern einen Schmaus dem Ohre
Durchzogen wir bekränzte Thore,
Gleich Kämpfern auf olymp’scher Bahn;
Den Musen, wie in alten Tagen,

5
Ist hier ein Lager aufgeschlagen,

Zum Wettsang strömt das Volk heran.

Wie heißt die Stadt, zu der wir wallen,
Mit ihren Thürmen, ihren Hallen?
O hätt’ ich einen Pindarsmund!

10
Wie flösse mir am Tag der Lieder

Die Hymne von der Lippe nieder,
Und thät’ ihr Lob den Horchern kund!

Erst eilt des Neckars leise Welle
Vorbei an einer kleinen Zelle,

15
D’rin ruht ein Heiligengebein [1]:

Doch schon ist es ein Platz der Ehren,
Und mit des Reiches Glanze kehren
Schon deutsche Könige hier ein [2].

Und bald, wie Staufens großen Söhnen

20
Verliehen wird ihr Haupt zu krönen,

Und nun die Schwaben Meister sind,
Da dehnet sich die enge Klause,
Da wurdest du im Königshause,
O Stadt! ein sorgenfreies Kind.

[152]
25
Der Rothbart baut an deinem Thurme [3],

Der Philipp nimmt in Kampf und Sturme
Doch deiner jungen Mauern wahr [4].
Des größten Friedrichs Adler schmücket
Dein graues Thor, und unverrücket

30
Bewacht es noch sein Löwenpaar [5].


O Zeit des schwäbischen Gesanges!
Da rauschte brüderlichen Klanges
Das Lied zum Neckarwellenschlag;
Ein Meister war auch dir gegeben,

35
Du Stadt der Blüthen und der Reben,

Der sang von deinem Maientag [6].

Auch dieses Haus ward jetzt gegründet,
In dem sich unser Lied entzündet;
Der Staufe Heinrich baut’ es aus [7];

40
Doch fiel er vom geraubten Throne,

Da nahm sein Weib vom Haupt die Krone,
Und trat mit ihr in dieses Haus.

„Ihr Mönche! gebt dies Gold den Armen,
Ihr Mönche! flehet um Erbarmen,

45
Fleht für die Seele meines Herrn!“ –

Werth ist dies Weib, daß man sein denket,
Das auch der Krone Gold verschenket,
Als unterging der Ehre Stern.

[153]
Bald bleichten, Stadt! auch deine Sterne,
50
Als nun ein Henker in der Ferne

Das Beil für Staufens Enkel schliff;
Da sang der Meister deiner Schule:
Er warnte Gott auf seinem Stuhle,
Als Habsburg nach der Krone griff [8].

55
Doch war in dem kein Feind gekommen,

Ein Bürgerfreund, ein Freund der Frommen;
Dir wurde Rudolph herzlich lieb [9].
Er baut an Kirchen dir und Brücken,
Er stärkt die Burg in deinem Rücken,

60
Er sichert dich vor jedem Dieb.


Da wardst du groß im Lauf der Zeiten,
Und um dich buhlen, um dich streiten
Zween Könige mit Heeresmacht [10].
Sie sprengen in des Neckars Fluthen

65
Mit Roß und Mann, die Wasser bluten –

Im Frieden schaust du auf die Schlacht.

Im Frieden baust du kühn aus Quadern
Die Kirche [11], die den Ast von Adern,
Den schlanken Thurm zur Höhe treibt;

70
Es stehn die hellen Fensterbogen

Mit lichten Bildern überzogen,
In deren Glas die Sonne bleibt.

[154]
Nun waren deine Tempel fertig

Und ihres Gottes neu gewärtig;

75
Da zückt herein der Morgenstrahl,

Erneut, gereinigt ist der Glaube,
Es reifet deine dunkle Traube
Jetzt für den Kelch im Abendmahl [12].

Und alles Schöne muß gedeihen,

80
Die Künste blühn, die Bürger reihen

Sich ein zum wackern Meistersang [13],
Und lieblich läßt die Stimme tönen
Ein heller Chor von deinen Söhnen,
Gelehrig, zu der Orgel Klang [14].

85
Zwar kam noch Manches, dich zu quälen,

Wovon die Enkel noch erzählen,
Und Krieg [15] und Pest [16] ging über dich;
Doch blieb dein stattlich Bürgerleben,
Und dein erfinderisches Streben

90
Rührt fröhlich an dem Strome sich.


Und auch vom Berg dein Nachbar droben,
Mit dem sich Fehde lang erhoben [17],
Hat dir an Ehre nichts geraubt;
Sein glücklich Kind bist du zu schauen [18],

95
Du lehnest dich, mit Selbstvertrauen,

Geschirmt an sein gekröntes Haupt.

[155]
Zeig’ immer stolz dein Prachtgelände,

Die schmucken Werke deiner Hände [19],
Dein Thal vom Segen Gottes voll,

100
Und deine grauen Alterthümer,

Der Burg und der Kapellen Trümmer,
Die Kindeskind noch schauen soll.

Du pflegst auch unsres Liedes Blüthe,
Nimm unsern Dank für deine Güte,

105
Für gastlich aufgethanes Thor.

Den unsern soll dein Chor durchdringen,
Es hall’ ein rein, ein kräftig Singen,
Ein Lobgesang in Aller Ohr!

Anmerkungen

  1. Die Pfarrkirche von Eßlingen war ursprünglich eine Zelle, in welcher die Gebeine des Märtyrers Vitalis ruhten.
  2. Der Gegenkönig Rudolph hält eine Versammlung in Eßlingen im Jahr 1077.
  3. Mündliche Sage, durch die theilweise Bauart der Hauptkirche und ihrer Thürme wahrscheinlich gemacht.
  4. Otto IV. verleiht Eßlingen das Stadtrecht 1200. Sein Gegenkönig Philipp hält daselbst Reichsversammlung, 1202.
  5. Kaiser Friedrich II. umfing Eßlingen mit Mauern und Graben. Noch steht von ihm das „Wolfsthor,“ über dessen Bogen ein Adler, zu beiden Seiten des Thorwegs zwei in Stein ausgehauene Löwen, das Wappensymbol der Herzoge von Schwaben.
  6. Der Schulmeister von Esselingen, Minnesänger, (Maness. II. 93 f.) singt „vom lichten Maienschein.
    [156]
  7. Das Predigerkloster, von Heinrich VII. im Jahr 1233 gebaut. Als er 1235 wegen Empörung gegen seinen Vater abgesetzt, in einem Gefängnisse den Tod fand, gab seine Gemahlin Margarita ihre Krone dem Prior des Predigerklosters in Eßlingen, um sie unter die Armen auszutheilen. – Diese Kirche, längst nicht mehr zum Gottesdienste gebraucht, war für das Liederfest aufs Geschmackvollste mit Maien und Blumenkränzen ausgeschmückt.
  8. Gott nu sieh ze dinem Riche
    Also das Er dir nit erschliche
    Dinen Himel ane wer.
     Schulm. v. Essel.
     a. a. O.
  9. Die Bürger nannten ihn zuletzt immer ihren lieben Kaiser.
  10. Ludwig der Baier und Friederich von Oesterreich im Jahr 1316.
  11. Die Frauenkirche mit ihrem herrlichen, durch Quaglio’s Zeichnung allbekannten Thurm, erbaut im Jahr 1440.
  12. Eßlingen reformirte seit 1522.
  13. Auch in Eßlingen bestand eine Meistersängerschule.
  14. Dr. Lucas Osiander der ältere gründete im Jahr 1598 das Alumneum zu Eßlingen, dessen Zöglinge hauptsächlich in der Kirchenmusik unterrichtet wurden.
  15. Mélac’s Einfall im Franzosenkriege von 1688; im Revolutionskriege das Treffen bei Eßlingen am 21. Juli 1796.
  16. Im Jahr 1564 und 1614.
  17. Die Grafen von Würtemberg lebten in beständigen Kriegen mit der Reichsstadt Eßlingen. S. hierüber, wie über das bisherige: Geschichte der Stadt Eßlingen v. J. J. Keller, Pfarrer in Pleidelsheim, 1814.
  18. Seit 1802.
  19. Eßlingen hat ausgezeichnete Fabriken.