Zum Inhalt springen

Pritschenschläge deutschen Volkshumors

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Moritz Busch
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Pritschenschläge deutschen Volkshumors
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5 und 8, S. 84–86, 136, 138, 139
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[84]
Pritschenschläge deutschen Volkshumors.


Von Moritz Busch.


Nr. 1: Ein „Nichtsfürungut!“ zur Einleitung. – Die uralte deutsche Necksucht. – „Stadtfiguren.“ – Der Schabernack als Gevatter bei Familiennamen. – Die Gewerbe unter der Pritsche des Volkshumors: der Schuster, der Schneider, der Maurer und Andere. – Die Wirthshausschilder. – Ganze Stämme als Zielscheibe der Necksucht. – Deutsche Narrenstädte: Schilda, Lalenburg etc. – Lustige Stückchen aus allerlei Städtchen. – Der Humor in den Spitznamen der Städte.


Das Folgende möge der Beitrag der „Gartenlaube“ zur diesjährigen Carnevalsfeier – der Narrenkirmeß – sein. Sein Motto aber heiße: „Mit Gunst, und nichts für ungut!“ Denn es soll hier geschildert werden, wie die Deutschen einander schrauben, necken, foppen und hänseln, oder – um einen volksthümlichen Ausdruck zu brauchen – „sich zum Narren haben“, und da giebt es zuweilen Dinge, die wehthun oder doch verstimmen könnten, wenn in diesen lustigen Wochen das Uebelmeinen und Uebelnehmen überhaupt gestattet wäre, und wenn sich’s nicht ganz andere Leute als wir, Doctor Luther, der alte Fritz, andere große Helden und Heilige, der Herr Christus, ja der liebe Gott selber, hätten gefallen lassen, daß die Ausgelassenheit unserer Witzbolde ihrem Wesen eine ganz artige Dosis Komik beimischte.

Von alten Zeiten her liebten es die Deutschen wie andere Völker, und mehr als diese, närrische Seiten aneinander herauszufinden oder sich lächerliche Züge und Streiche anzudichten. Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte scheint diese Necksucht ganz besonders geblüht und reichlich Blüthen und Früchte getragen zu haben, aber noch jetzt ist sie namentlich in kleinen Städten und auf dem Lande, bald Altes nacherzählend, bald Neues erfindend, fleißig und mit Erfolg am Werke. Fast jedes Dorf hat seinen Narren. Kaum ein größerer Ort, der nicht, wie Dresden früher in Helmert, Rehan und Peter Groll, wie Leipzig in seinem „Spittelgottlob“ und seiner „Gänsehalsen“, ein paar „Stadtfiguren“ besäße. Keine ausgedehntere Genossenschaft, die sich nicht eines Hasenfußes oder Bramarbas, eines Urgrobians, eines Lügenschmieds, eines Pechvogels, eines Confusionsrathes, oder sonst eines wunderlichen Kauzes erfreute. Aber nie bleiben diese Persönlichkeiten auf die Dauer reines Naturproduct, sondern immer wird das Burleske, das Komische, das Närrische an ihnen vom dichtenden Humor der Nachbarn durch Uebertreibung oder Erfindung gesteigert und noch burlesker gemacht. Manche von diesen Scherzen, namentlich die ältesten, sind recht grob und unfläthig. Von Verblümtheit ist in der Regel nicht die Rede. Aber sie gefielen dem Geschmacke der Zeit, die sie erdachte, und sie gefallen wohl auch heute noch den Gästen im Rathskeller der Kleinstadt und in der Schenke des Dorfes. Das scheint sich mit der Gemüthlichkeit der Deutschen nicht recht zu vertragen. Aber es scheint auch nur so. Die Fopperei war in der Regel nicht böse gemeint, und am Ende galt das Sprüchwort: „Was sich liebt, das neckt sich“ auch von dieser Neckerei, selbst wenn sie sehr unzart war. Sehr wahr sagt Auerbach in seinem „Volksbüchlein“: „Gott verhüte, daß das Necken unter den deutschen Landsleuten abkomme! Es wäre das ein übles Anzeichen, daß auch das Lieben bei ihnen abgekommen sei.“

Eine ganze Anzahl seltsamer Familiennamen dankt diesem Hange zu Neckereien ihre Entstehung. Man denke an Rindsmaul, Ziegenbalg, Duvenkropp (Taubenkropf) und Ossenkopp (Ochsenkopf), an Käsebier und Schluckebier, an Sauerhering und Brathering, an Luderhaas und Grasewurm, an Hauto oder Hotho (Hau zu), an Griepenkerl (Greif den Kerl), Störtebecher (Stürze den Becher, gleich: Zecher, Saufaus) und Hebenstreit (Heb’ an den Streit, gleich: Zänker, Störenfried)!

Wie aber das Gefallen am Carrikiren und humoristischen Fabuliren den Einzelnen oft recht derb vorgenommen hat, wie der Volkshumor in seinen Uebermuthe und seiner Harmlosigkeit sich selbst an das Höchste und Heiligste gemacht, dem Weltheilande allerlei Schwänke in den Mund gelegt, Gott Vater in manchen Geschichtchen aus dem Himmel ungefähr wie König Nobel im Reinecke Fuchs aufgefaßt, und selbst des Teufels nicht geschont, sondern ihn in hundert lustigen Anekdoten als Bethörten und Geprellten dargestellt hat, so sind im Laufe der Zeit auch ganze Berufsclassen, ganze Orte, ganze Stämme und Landschaften in das Bereich dieser schnurrpfeiferischen Behandlung von Menschen und Dingen gezogen und mit neckischen Anhängseln bedacht worden.

Zunächst ist hier daran zu erinnern, daß eine Anzahl von Gewerben vom Volkswitze Spitznamen bekommen haben. Der Schuhmacher ist ihm ein Pechhengst, der Seemann ein Jan Maat oder eine Theerjacke, der Seiler ein Galgenposamentirer, der Maurer ein Lehmklitsch, der Leineweber ein Knirrficker, der Materialist ein Tütchenkrämer, der Apotheker ein Pillendreher.

Uebel beleumundet – natürlich nur in Narragonien – sind die Barbiere als Schwätzer und Herumträger, die Jäger als vollkommene Lügner, die Müller als Schelme, weil die Metze, die sie bezahlt, nach der Meinung der bösen Zungen, die bei ihnen mahlen lassen, meist reichlicher als billig ausfällt. Ein alter Spruch in der Schweiz sagt von ihnen: „Die Schelme sind nicht alle Müller, aber die Müller alle Schelme.“ Der Beamte ist auf diesem Gebiete ein Federfuchser; die Advocaten sind Rabulisten, böse Christen und Beutelräumer, die Wundärzte Pflasterkasten, und bei der höheren Classe der Mediciner wurde früher, wo Marktschreierei und Pferdecuren an der Tagesordnung waren, vielfach an Doctor Eisenbart gedacht.

Zahllos sind die Dönchen und Schwänke, mit denen der Bauer einst an Pastoren und Schulmeistern sein Müthchen kühlte und seinem humoristischen Bedürfnisse, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen, Genüge that. Der Unterofficier flucht und wettert im Volksmunde ohne Unterlaß und viel geläufiger und phantasiereicher als in der Wirklichkeit; ein Amtmann kann nur sackgrob sein; der Matrose ist allezeit und immerdar ein gutmüthiger Tölpel. Die Leineweber gelten für Hungerleider – „mit Fasten halten sie Zusammenkunft,“ heißt es von ihnen im Liede. Der Maurer ist [85] faul. Wer kennte nicht den Maurerschwamm, „der da gar nicht, gar nicht brennen thut“? „Die Zimmerleut’ und Maurer sind die ärgsten Laurer,“ meint ein Reimspruch, „während sie essen, messen und sich besinnen, ist der halbe Tag von hinnen.“ Von den Schuhmachern sagt ein alter Spottvers mit Bezug auf den blauen Montag:

„Montag ist des Sonntags Bruder,
Dienstags liegen sie auch noch im Luder,
Mittwoch gehen sie nach Leder,
Donnerstag kommen sie weder,
Freitag schneiden sie zu,
Samstags machen sie Pantoffel und Schuh.“

Ganz übermäßig reichlich hat endlich der Geist des Schabernacks dasjenige ehrsame Handwerk gezaust und mit der Lauge seines Spottes begossen, welches unser sterbliches Theil mit Kleidern versorgt, was um so mehr verwundern muß, als nach dieses selben neckischen Kobolds Behauptung Niemand geringeres der erste Meister dieser Innung gewesen ist, als Gott der Schöpfer, wie er Adam und Eva nach dem Sündenfalle Schürzen aus Feigenblättern machte. Factum für den Volksglauben ist, daß die Schneider – mit Gunst, Meister und Gesellen, und nichts für ungut, wegen dieser Narrenfreiheit! – von den ihrer Scheere anvertrauten Rock- und Hosenstoffen mehr in die „Hölle“ werfen, als nothwendig und mit einem reinen Gewissen verträglich ist. Behauptet wird ferner, doch ist’s nicht erwiesen, daß ihrer einst neunundneunzig auf einem Kartenblatt Ball gehalten, nachdem sie sich insgesammt aus einem Fingerhute betrunken hätten, und daß sie, beim Tanze durch einen Ziegenbock überrascht und erschreckt, zum Schlüsselloch hinausgesprungen wären. „Was ein echter Schneider ist, muß wiegen sieben Pfund.“ Allbekannt ist endlich, daß der alte Volkswitz geradezu von einer Verwandtschaft der Schneider mit dem Thiere wissen wollte, das den ersten Bart auf Erden trug. Schon um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts verlautet davon etwas in einem Spottliede, das 1469 zu Regensburg verboten wurde. Hans Sachs dichtete einen Schwank von der Feindschaft der Schneider und der Gaiß, aber Anspielungen auf die Vetterschaft zwischen beiden blieben beliebter, obwohl man sich vergeblich den Kopf zerbrechen wird, wenn man nach dem Grunde sucht. Das Sprüchwort, daß neun Schneider an einem Ei genug haben, war schon zu Luther’s Zeit im Umlaufe. Für dumm aber haben sie niemals gegolten. Im Gegentheile, im Märchen überlistet ein schlauer Kleiderkünstler sogar den Gottseibeiuns, und ein Reimspruch sagt: „Mutterlist und Schneidertrug dem Teufel selber sind zu klug.“

Daß ungastliche Wirthshäuser mit prellsüchtigen Wirthen, von denen es früher mehr gab als jetzt, vom Volkshumor nicht ohne Denkzettel gelassen wurden, versteht sich von selbst, und nach den Spottnamen, welche diese Schenken oder Gasthöfe von ihm erhielten, haben hin und wieder ganze Orte, die sich um sie bildeten, ihre jetzige Benennung bekommen. Von letzteren führe ich Fegebeutel, Zehrbeutel und Leerbeutel in Schlesien und Vegesack an der Unterweser an. Ein Wirthshaus in Holstein hieß Luerup (Lauere auf), ein anderes „biem Dredüwel“ (dreifachen Teufel), wieder ein anderes Nobiskrug (ein Name der Hölle). Sowohl bei Dresden wie bei Hildesheim giebt es eine Schenke, die den Namen „Der letzte Heller“ führt.

Wir begegnen dann ganzen Stämmen, denen die Necksucht der Nachbarn einen oder mehrere Mängel, Schwachheiten oder Narrheiten angedichtet hat. Die Sachsen, richtiger die Meißner, sollen knausernde Hungerleider sein, deren Lieblingsgericht Kalbsbraten mit Backpflaumen, und deren Leibgetränk der „Blümchenkaffee“ wäre, zu dessen Bereitung alljährlich in der Sylvesternacht eine Bohne Mokka auf den Boden des Kaffeetopfes genagelt würde, die mit viel Wasser und noch mehr Genügsamkeit die nächsten zwölf Monate der Familie zur Herstellung ihres Morgenlabsals zu dienen hätte. Ein Stück Zuckerkand hinge die Zeit über zur Versüßung des letzteren an einem Faden von der Decke herab. „Ei Herrjeses!“ und „nu eben!“ sind Ausrufe, mit denen jeder, der einen Sachsen sprechen läßt, dessen Rede verzieren zu müssen meint. Die Pommern und die Altbaiern gelten für grob und ungelenk. Die Hessen sind blind, was irrthümlich als von ihrem blinden Draufgehen im Kriege herrührend gedeutet worden ist, da andere Leute das, wo es noththut, ebenfalls verstehen. Vor Allen aber sind die Schwaben Stichblatt und Zielscheibe des Witzes und der Spottlust der übrigen Deutschen gewesen. Sehr alt sind die Behauptungen, daß die Schwaben erst mit vierzig Jahren klug werden, daß sie bis dahin allerlei „Schwabenstreiche“ begehen, daß sie nur vier Sinne haben (weil sie schmecken für riechen sagen), daß sie kein Herz, aber zwei Magen besitzen, daß sie, wenn ihnen die Braut am Charfreitag stirbt, noch vor Ostern heirathen, und dergleichen Possen mehr. Ebenfalls alt ist die Mähr von den sieben Schwaben, dem Gelbfüßler, dem Nestelschwab, dem Knöpfleschwab, dem Spiegelschwab, Blitzschwab, Seehaas und Allgäuer oder, wie sie anderswo heißen, dem Herrn Schulz, dem Jackli, dem Marli, dem Jergli, dem Michel, dem Hans und dem Veitli, die gegen den Hasen ausrückten und dabei in ihrer Einfalt allerhand Abenteuer, unter anderen das von Paulus Diaconus schon von den Herulern erzählte, erlebten, daß sie ein blühendes Flachsfeld für Wasser hielten und darin zu schwimmen versuchten.

Endlich sehen wir den Humor sich aus dem Stamm oder der Landschaft auf eine bestimmten Ort oder mehrere concentriren und hier Bilder aus der verkehrten Welt zu Stande bringen. Es sind die deutschen Narrenstädte, die ihr Gesammtbild in Schilda (nicht zwischen Torgau und Dahlen, sondern in Narragonien gelegen) und im utopischen Lalenburg haben, und mit denen wir im Folgenden genauere Bekanntschaft machen wollen. Die Schild- oder Lalenbürger stammen nach dem humoristischen Historiker, der 1598 die Geschichte ihrer Thaten herausgab, von einem der sieben weisen Meister ab und sind in Folge dessen so klug, daß man sie an alle Höfe als Kanzler und Räthe beruft. Bei ihrer langen Abwesenheit von der Heimath geräth das in dieser Zeit den Weibern überlassene Gemeinwesen in argen Verfall. Endlich nach Hause entboten, finden sie Alles in Zerrüttung, und da sie die Ursache davon in ihrer großen Weisheit suchen, beschließen sie, einmal zu sehen, ob es nicht mit der Thorheit besser gehe. Die Verwandelung der Weisen in Narren gelingt, nicht so aber die hiervon erhoffte Verbesserung der städtischen Zustände. Sie unternehmen verschiedene gemeinnützige Werke, greifen Alles auf das Verkehrteste an, gewinnen aber nichts dabei, als daß jedes Mal auf Kosten des Stadtsäckels wacker getrunken und ein Loch in das öffentliche Gut gegessen wird.

Das Buch, in welchem dies berichtet wird, war nur eine Sammlung und Verschmelzung von Witzen und Schwänken, die in den einzelnen Landschaften von gewissen Orten erzählt wurden und zum Theil schon in älteren Anekdotenbüchern zu lesen waren. Es hat aber unzweifelhaft beigetragen, daß sich die vermuthlich zuerst in Schwaben oder sonstwo im südwestlichen Deutschland entstandenen Anekdoten von angeblichen Pinselstreichen und Gimpeleien dortiger Städtchen und Dörfer auch in der norddeutschen Luft verbreiteten und sich aus dieser auf nieder- und obersächsische, schlesische und pommerische, schleswig-holsteinische und hessische sowie mecklenburgische Orte niederließen. Es war das Magazin, aus dem man in Ermangelung eigenen Witzes und eigener Phantasie das Material nahm, wenn man den Nachbarn etwas am Zeuge flicken oder ihnen eine Narrenschelle anhängen wollte. Der Fall, wo die Necklust stärker war als die humoristische Erfindungsgabe, ist offenbar der häufigere gewesen; denn eine Menge von den im Buche von den Schildbürgern und in den älteren Facetiae Bebel’s erzählten Anekdoten finden sich mit geringen Abweichungen in den Einzelnheiten in der späteren Zeit norddeutschen wie süddeutschen, schwäbischen wie schleswig-holsteinischen Orten angeheftet.

Die beliebtesten und deshalb von mehr als einem Städtchen erzählten Stückchen sind die folgenden. Der Feldhüter des Ortes soll die Störche von einer Wiese vertreiben, aber das Gras dabei nicht zertreten, und man hilft sich damit, daß man den Mann auf eine Bahre setzt und von vier Männern nach allen Richtungen hin über die Wiese tragen läßt.

Man begegnet einem Krebs, bei dessen Anblick man erschreckt Sturm läutet, da man nicht weiß, was man aus dem schrecklichen Thiere machen soll. Ein vielgewanderter Schneider, den man herbeiruft und um Auskunft befragt, kennt es auch nicht, meint indeß, wenn es nicht ein Hirsch sei, so müsse es eine Turteltaube sein. Das Ungethüm wird zuletzt mit Büchsen erschossen.

Die Bürger der Stadt bauen ein neues Rathhaus, vergessen [86] aber dabei Thür und Fenster und bemühen sich dann, das Licht in Säcken aufzufangen und hineinzutragen. Sie versuchen die Sonne mit Stangen vom Himmel zu stoßen oder den Mond aus dem Brunnen oder Fluß zu schneiden. Sie versehen ihre Sonnenuhr mit einem Schutzdache gegen den Regen, sodaß sie nun die Sonne nicht bescheint. Sie messen einen Brunnen dadurch, daß der Bürgermeister eine Stange über die Oeffnung legt und, sich an dieselbe anhaltend, sich in ihn hinabläßt, und daß die Anderen sich, einer immer an die Füße des vorigen, anhängen, bis die Last jenem zu schwer wird, und er den Brunnenrand losläßt, um in die Hände zu spucken, worauf die ganze Gesellschaft natürlich hinabplumpt.

Ebenfalls von mehr als einem Orte wird die Geschichte erzählt, wo das Gras auf der Stadtmauer auf dem erfinderischen Wege entfernt und zugleich nützlich gemacht werden soll, daß man einen Ochsen an einem Stricke um den Hals hinaufwindet. Als er erstickend die Zunge ausstreckt, rufen Alle: „Seht, er leckert schon darnach.“

Ferner gehört hierher die Erzählung, nach welcher die Bauern nach gutem Wetter in die Apotheke schicken. Der Apotheker giebt dem Boten in einer Schachtel eine Hummel oder Horniß mit. Die Schachtel soll bis zur Heimkunft ungeöffnet bleiben, der Bote ist aber neugierig, zu wissen, wie das gute Wetter aussieht; er macht auf dem Wege die Schachtel auf, und als sein gutes Wetter nun fortfliegt, freut er sich, daß es den Flug nach seinem Orte hinnimmt.

Andere, mehreren Städten nachgesagte Pinselstreiche sind folgende. Mann ist in Verlegenheit, wie man einen Balken durch das Stadtthor bringen soll, da man das nur so zu bewerkstelligen meint, daß man ihn quergelegt hineinträgt. Da hilft ein Sperling aus der Noth, indem er mit einem Strohhalm hineinfliegt, den er der Länge nach vor sich hinhält.

Neun Männer haben gebadet. Sie zählen dann einander ab, ob nicht einer fehlt, und da der Zählende sich mitzuzählen vergißt, so sind es richtig nur acht. Einer muß also ertrunken sein, und betrübt wollen sie nach mehrmaliger Zählung nach Hause gehen und das Unglück melden, als ein Fremder ihnen den guten Rath giebt, die Nasen in den Sand zu stecken, worauf die neun Abdrücke sie beruhigen.

Man kauft einem Schwindler einen Kürbiß als Eselsei ab. Der Bürgermeister soll es ausbrüten – nach einer Weile entrollt ihm der Kürbiß in einen Busch, wo er einen Hasen aufscheucht, über den sich die Leute dann als über einen jungen Esel freuen.

Die Bauern wünschen ihre Kirche ein Stück fortzuschieben. Ein Spaßvogel räth ihnen, hinter der Kirche ihre Röcke und Jacken hinzulegen, damit sie sehen können, wie weit sie dieselbe fortgerückt haben. Als sie eine Weile geschoben haben, sind ihre Sachen verschwunden, und der Spaßvogel, der sie bei Seite geschafft hat, weiß sie zu überzeugen, daß sie die Kirche über den mit den Kleidern bezeichneten Punkt hinausgerückt haben.

Endlich heften sich an verschiedene Dörfer humoristische Sagen, nach denen deren Bewohner mit den Vorgängen bei der Feldwirthschaft völlig unbekannt sind, sodaß sie Salzsamen und sogar Kuhsamen säen und die Sense für ein Ungeheuer halten.

Aus dem Histörchen von dem Krebs entwickelten sich ähnliche Erzählungen von unbegreiflicher Unbekanntschaft mit der Thierwelt. Man sagte den Bauern eines und des anderen Dorfes nach, daß sie einen Krebs, einen Aal oder einen Frosch hätten ertränken wollen, und daß, als er lustig im Wasser gezappelt, einer von ihnen ausgerufen: „Seht, wie er sich quält!“ Man berichtet von einem anderen Orte, daß die Leute dort einen Hecht gefangen und, als er nach Wasser geschnappt, ihn für einen Singvogel gehalten und in einen Käfig gesperrt hätten. Man wußte von einer Bauerngemeinde, daß sie einen Müller-Esel für einen Storch angesehen hatte. Man neckte andere Dörfer dann, daß sie mit Wehr und Waffen gegen ein vermeintlich reißendes Thier ausgerückt seien, das sich zuletzt als Katze, Hase oder gar nur als ein im Weiher schwimmender Backtrog erwiesen habe.

Die Erfindung, die solche Thorheitsproben von den Nachbarn ersann, reichte nicht aus, der Necksucht dem nöthigen Stoff zu liefern, und so hat diese zu anderen Bezichtigungen ihre Zuflucht genommen, die geeignet waren, dem betreffenden Orte einen Makel anzuheften. Beinahe jedes Städtchen hat seinen Spitznamen. Ich denke dabei an die Eselsfresser, Räpplesfresser und Herrgottsbader süddeutscher Landschaften, an die „Muffrikaner“, welche die Perle von Meppen im Reichstage vertritt, an die „wendische Türkei“, an komische Deutungen gewisser Städtenamen, z. B. an die des Fleckens Wyk auf der Insel Föhr, das nach dem Gequiek eines Ferkels benannt sein soll, an Bezeichnungen von Orten nach den dort vorzüglich betriebenen Gewerben, z. B. „Kuhpege“ (Pegau in Sachsen) und „Pantoffelgroitzsch“ bei Leipzig, an solche Spitznamen ferner, die von eigenthümlichen Speisen hergenommen sind, wie derjenige der Diedenheimer im Elsaß, welche Mehldesch (von Mehlsuppe), derjenige der Augsburger, welche (nach einem Gebäck mit Aepfeln und Zwetschen) Datschen, und diejenigen der Bewohner einer Anzahl von Orten im Aargau, welche Krautstirzel, Kabisköpfe oder Schnitze heißen, endlich an die Rede, die von mehreren norddeutschen Städten geht, daß in ihnen „Füchse und Wölfe sich gute Nacht sagen“ oder daß dort „die Hunde mit den Schwänzen bellen“, was unter anderen von Buxtehude behauptet wird, aber, wie ich bezeugen kann, erlogen ist.

In einem zweiten Capitel werde ich nun die einzelnen mit solchen und ähnlichen Spöttereien bedachten Orte Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz anführen und dabei noch eine Fülle mehr oder minder hübscher Erfindungen des Volkshumors nachholen.



[136]
Nr. 2. Die Schildbürgerthorheiten der verschiedenen deutschen Landschaften. – Die schwäbischen „Kröpfle“. – Elsässische Abderastreiche. – Der schweizerische Palmesel. – Der fränkische Weiberwetzstein. – Der schleswigsche Mühlstein und andere Gimpeleien.


Ich komme jetzt zu den einzelnen deutschen Orten, denen der Volkshumor eins mit seiner Pritsche gegeben hat, und zwar zunächst, wie billig, zu den schwäbischen, in denen die hier besprochene Art der Neckerei und Fopperei zuerst aufgekommen zu sein scheint. Hier begegnen uns (vgl.  Meier) zuerst die Seebronner, welche „Sensenschmecker“ heißen, weil einst der dortige Schultheiß alle Sensen des Ortes zu sich bringen ließ, um durch Anriechen (schwäbisch „schmecken“) derselben herauszubekommen, wer einem der dortigen Bauern heimlich seinen Hanf abgemäht habe. Die Kiebinger werden als „Mondfänger“ verspottet. Sie wollten nämlich einmal den Mond im Neckar mit einem Netze fangen, und ein anderes Mal sollte ein Schweinestall als Falle dienen. Als der Mond ihnen hier wie dort entwischte, sie ihn aber gar zu gern gehabt hätten, gedachten sie ihn mit einer Stange vom Himmel zu stoßen, und da dieselbe nicht bis hinauf reichte, sollte sie gestreckt werden. Zwei Mann zogen, der eine an dem, der andere am andern Ende, bis endlich der Stärkere den Schwächeren niederriß und nun mit dem Rufe „Es geht“ allein fortlief, indem er glaubte, daß die Stange sich verlängere. Die Ulmer tragen den Spitznamen „die Spatzen“, weil das im vorigen Abschnitte erzählte Histörchen vom Sperling, der mit dem Strohhalme die richtige Behandlung des Balkens lehrte, sich unter ihnen begeben haben soll.

Eine andere vielgeneckte Schwabengemeinde sind die Hirschauer bei Tübingen, welche „die Waden unter dem Kinn haben“ und deshalb „Kröpfle“ genannt werden. Man sagt auch von einem Hirschauer: „er hat alle seine Glieder beisammen“, was daher rührt, daß, als einst ein den Ort passirender Fremder von Kindern verspottet wurde, weil ihm der Kropf fehlte, die Mutter es ihnen mit den Worten verwies: „Dankt Ihr doch lieber Gott, daß Ihr alle Eure Glieder beisammen habt!“ Die Rottweiler sind dadurch zu dem Spitznamen „Esel“ gekommen, daß ihnen die Geschichte mit dem Kürbiß passirt sein soll, den man für ein Eselsei hielt, und aus dem der Bürgermeister den Hasen ausbrütete. Ein Maler brachte den Schabernack fertig, daß sie den Esel in ihre Stadtfahne bekamen. Er malte ihnen die Flucht der heiligen Familie nach Aegypten darauf und nahm nur zu dem Esel Oelfarben, zu dem Uebrigen blos Wasserfarben, die der Regen mit der Zeit abspülte. Die Derendinger heißen „Gelbfüßler“, weil sie einmal, als die Körbe bei einer großen Eierlieferung die Eier nicht fassen wollten, sich damit halfen, daß sie in die Körbe sprangen und die Eier zusammen traten. Die Weilheimer neckt man mit ihrer Kirchweih, weil sie keine haben, die Hornberger mit ihrem Schießen, weil sie einst mächtige Vorbereitungen zu einem großen Schützenfeste getroffen, als der Herrgott aber den Schaden besah, das Wichtigste vergessen hatten – die Besorgung von Pulver.

Die meisten Schildbürgerthorheiten hat das brave Dorf Ganslosen im Oberamte Göppingen sich andichten lassen. Außer einer Menge anderer Geschichten werden ihm von der Spottlust der Nachbarn nicht weniger als drei von den im ersten Capitel erwähnten Gimpeleien, die von dem Storch, zu dessen Vertreibung der Feldhüter der Schonung des Getreides halber von vier Mann auf einer Bahre durch das Feld getragen wurde, die von der durch Ueberdachung vor dem Regen geschützten Sonnenuhr und die von der genialen Brunnenmessung, auf sein Conto geschrieben. Berühmt ist endlich der Spion von Aalen. Als diese Stadt einst mit dem Kaiser Streit hatte, schickte sie den pfiffigsten ihrer Bürger aus, damit er das kaiserliche Lager und Heer auskundschafte. Selbiger Schlaukopf begab sich alsbald zu den Feinden, die er schön grüßte, und denen er, als sie ihn fragten, wer er sei und was er wolle, sogleich die beruhigende Versicherung gab, sie sollten nur nicht erschrecken, er wäre blos der Spion von Aalen und wollte sich ihr Lager ein wenig besehen. Das wurde ihm selbstverständlich gestattet, und aus Dankbarkeit und Bewunderung so großer Klugheit haben die Aalener ihm dann einen Platz an ihrer Rathhausuhr verliehen. Hier war er leibhaftig abgebildet, drehte den Kopf, wie der Perpendikel kam und ging, und schnitt dem Publicum Gesichter.

Auch das Elsaß bietet uns (vergl. Stöber) eine große Anzahl von Orten, welche der Humor des Volkes in der Scheere gehabt und mit seiner Marke gezeichnet hat. Die Illzacher gehören zu den Mondfängern; die Killstetter heißen „Fröschevertränker“, die Pfaffenheimer „Bannsteinrücker“, die Flachslander „Engelsschmelzer“. Die Bewohner von Straßburg führen den Spitznamen „Meisenlocker“, die von Colmar „Knöpfler“, die von Pfirt gar „Spaasen“, d. h. Spitzbubenvolk. Die zwischen Ill und Rhein Wohnenden hat der Volkswitz „Rheinschnaken“, die von Türkheim „Lochschlupfer“, die von Oberbronn „Büchsensäcke“ oder „Mantelträger“ getauft.

Die Schweiz hat gleichfalls eine Menge von Orten, die Schildbürgerstreiche verübt haben sollen, oder wenigstens mit Spitznamen, an die sich eine komische Geschichte knüpft, bedacht sind. In Appenzell gilt letzteres fast von jedem Dorfe. Im oberen Wallis erzählt man von den Visperthalern, im unteren von den Salvansern die Lalenbürgergeschichte vom Gemeindehausbau, wo man die Fenster vergaß und darauf das Licht in Säcken hineintrug. Hornussen im Frickthal soll seinen Namen davon haben, daß hier das Histörchen von dem Boten, der gutes Wetter holen soll und es in einer Schachtel in Gestalt einer Horniß mitbekommt, passirt wäre. Schinznacht bei Winterthur heißt nach einer Witzelei der Nachbarn eigentlich Schind z’Nachts, weil die Leute dort eine Kuh, die sie verspeisen gewollt, aus Scham nicht am Tage geschlachtet, sondern Nachts geschunden hätten. Die Freiämtler foppt man mit dem Namen „Bschindesel“, die von Tägerig mit der Bezeichnung „Eselsohren“; die Bremgartner sind im Volksmunde „Palmesel“, die Mellinger einfach „Esel“. Die letzteren beiden Namen werden durch folgende Erzählung erklärt. In Bremgarten wurde früher am Palmsonntag eine Procession abgehalten, bei der man einen auf Rädern gehenden Holzesel herumzog. Dabei stürzte er einmal um, und sein schlecht geleimter Schwanz fiel ihm aus. Indeß stellte man ihn rasch wieder zurecht, und auch der mit Mantel und Stab hinter ihm herschreitende Schultheiß verlor die Fassung nicht; er hob den Schwanz auf, zog ihn durch den Mund und steckte ihn wieder in den allein dafür schicklichen Ort. Als die Stadt der Reformation beitrat, warf man mit anderen Heiligenbildern auch den Palmesel in die Reuß, die ihn dem Nachbarstädtchen Mellingen zutrug. Die dortigen Katholiken wollten ihn in die Kirche stellen, die Protestanten wehrten es ihnen, und ein Metzger unter ihnen schnitt dem Esel den Hals ab und warf ihn wieder in den Fluß. Der Mann bekam zur Strafe dafür einen Kropf, das Volk des Ortes aber den obenerwähnten Spitznamen, aus dem sich ein eigenthümlicher Gebrauch der Mellingener entwickelt haben soll. So oft sie nämlich ihre Brücke passirten, an der nur Fremde Zoll zu erlegen hatten, drückten sie dem lauernden Einnehmer schon von weitem ihre Zollfreiheit damit aus, daß sie einen Zipfel ihres Rockes, zur Form eines Eselsohres zusammengefaßt, sich an den Kopf hielten.

Die Bewohner des Dorfes Ellikon, im Kanton Zürich, heißen von Alters her, von einer Variation der Mähr vom Feldhüter auf der Tragbahre, „wilde Schweine“. Einmal richtete in den Feldern der dortigen Bauern ein Wildschwein arge Verheerungen an und ließ sich mit Nichts herauslocken. Da meinte Jemand, diese Thiere fräßen gern Eier, vielleicht ließe der Eber sich damit fangen. Das gefiel, doch wußte man nicht, wie man es ausführen sollte, ohne das Korn zu zertreten. Endlich hatte man es. Ein Mann wurde in einen Korb gesetzt, vier Andere trugen ihn an Stangen durch das Getreide, und bei jedem Schritte warf er ein Ei aus.

Als der Papst Martin einmal von Deutschland nach Rom zurückreiste, kam er auch nach dem Städtchen Brugg. Die Bürgerschaft gedachte ihm eine Ehre und Güte anzuthun, und sie wählte dazu das Beste, was sie kannte: sie kochte ihm [138] eine prächtige rosenrothe Kirschsuppe. Martinus hatte etwas Solideres erwartet, begnügte sich indeß mit dem „Chriesisüpple“ und ritt den andern Tag weiter nach Lenzburg. Auch dieses setzte dem heiligen Vater das Edelste vor, was es hatte, nämlich einen von jenen scharfduftenden grünen Ziegenkäsen, die man ihrer Härte wegen nur geschabt essen kann, und die deshalb „Schabziegerstöckle“ heißen. „Wieder ein Fasttag!“ seufzte Martinus und reiste am nächsten Morgen weiter nach Aarau. Hier gedachte man den Luxus der beiden anderen Orte zu überbieten, indem man dem Oberhaupte der Christenheit und seinen Cardinälen in einer mächtigen Schüssel das Leibgericht der Aarauer, schneeweißen Mehlbrei, auftrug. „Wunderbar, wie streng die ganze Gegend mein Fastenmandat hält!“ klagte der Magen des frommen Herrn. In Olten, wo die betrübte Gesellschaft am nächsten Mittag Halt machte, meinte man dem hohen Gaste nichts Schöneres bieten zu können, als eine Froschsuppe. „Das sind ja Christen von exemplarischem Wandel!“ riefen die hungernden Kirchenfürsten. Indeß lag Aarburg nahe, wo man gediegenere Verköstigung zu finden hoffte. Aber auch hier sah man sich getäuscht. Dort giebt es in Hecken und Hagen einen reichen Segen fetter Schnecken, welche die Kapuziner zu schätzen wissen, und so bereitete man dem Papste und seinem Gefolge ein paar tüchtige Schüsseln von dieser Delicatesse. Fünf Fastenmahlzeiten nacheinander war selbst für einen sehr strammen Magen zu viel, und verdrießlich über eine Welt, die das Christenthum auf die Spitze trieb, bestieg Martin sein Maulthier und ritt weiter gen Zofingen. Kaum war er hier abgestiegen, so erschien die Schule mit Kreuz und Fahne und begrüßte ihn mit lateinischen Versen. Aergerlich wollte er sie eben abweisen – da senkte sich die Fahne; die Reihe öffnete sich, und heran schritt die Ehrengabe der Stadt, ein mit Fasanen und Kapaunen behangener, blumenbekränzter Mastochse. Gerührt stiftete Martin auf der Stelle ein Schülerstipendium, das noch heute vertheilt wird. Die Brugger aber erfreuen sich seitdem des Spitznamens „Chriesisüppler“, die Lenzburger heißen „Schabziegerstöckli“, die Aarauer „Pappehauer“, die Oltener „Frösche“, die Aarburger „Schnecken“, während den Zofingern der Ehrentitel „Ochsen“ geblieben ist.

In Altbaiern ist nicht viel Spott gewachsen. Ein Sprüchwort sagt: „Schwäbisch ist gäbisch; baierisch ist gar nichts.“ Von den Straubingern heißt es: „Sie lassen fünf gerade sein.“ Als Hans Sachs dichtete, war Schrobenhausen, vielleicht seines Namens wegen (schrauben, verschroben), etwas anrüchig. Hirschau in der Oberpfalz gehört zu den Orten, die mit vielen Lalenbürgereien geneckt werden, und ebenso ist Weilheim im Oberlande übel weggekommen.

In Franken ist die Neckerei, von der hier gesprochen wird, wieder reichlich gediehen. Es hat „Herrgottsbader“ in den Monheimern, die ein Crucifix, das bei einer Procession bestäubt worden, in einem Teiche wuschen, „Hummeln“ in den Mistelgauern, die mit der bereits wiederholt erwähnten Geschichte von dem Boten verspottet werden, der in der Apotheke gutes Wetter holen sollte, „Herrgottsschwärzer“ in den Nürnbergern, die ein massives Christusbild an der Sebalduskirche schwarz angestrichen haben sollen, damit es die Raubsucht der Soldaten nicht anlocke. „Die Nürnberger henken keinen, sie hätten ihn denn,“ sagt ein bekannter weiser Spruch. Daß Heideck eine Klaue im Stadtwappen führt, erklärt der Volkswitz in den Nachbarorten damit, daß die Heidecker einmal ein Kuhhorn gefunden und für eine Klaue vom Vogel Greif gehalten hätten. Von den Karlstädtern heißt es, sie hätten in Kriegszeiten einen Schatz in den Main versenkt und, um ihn wiederfinden zu können, über der Stelle eine Kerbe in den Kahn geschnitten. Die Münchberger und Weißenstädter im Fichtelgebirge sind Kumpane der sieben Schwabenhelden; jene ziehen gegen einen Pudel, diese gegen einen Backtrog zu Felde.

In Franken gab es endlich Städte, die nicht nur geneckt wurden, sondern auch ihrerseits neckten. So hatte Kalten-Westheim an der Rhön seinen Weiberwetzstein, an dem Niemand wetzen durfte. That dies Jemand aus Unkunde des Brauches oder Muthwillen, so kamen die Frauen herzu, tauchten ihn in Wasser und ließen ihn eine Geldbuße zahlen. So mußten ferner die von Würzburg her in Karlstadt einwandernden Handwerksburschen die Frage beantworten: „Was machen die Heiligen auf der Würzburger Mainbrücke?“ Die Antwort hatte zu lauten: „Ein Dutzend,“ und wer das nicht wußte, wurde zu näherer Erkundigung nach Würzburg zurückgeschickt. Aehnlich in Schweinfurt, dessen Wahrzeichen, ein Adler, beim Volke die Eule hieß. „Was macht die Eule?“ wurden die Handwerksburschen gefragt, und die Antwort mußte sein: „Nichts.“

Hessen hat seine Schwarzenborner und seine Griesheimer, „von denen sich ein Buch schreiben ließe.“ Die Thüringer hießen in alter Zeit „Heringsnasen“, und ein lateinisches Gedicht sagte von ihnen, daß sie „einen gesalzenen Hering mit Dank annehmen und sich aus dem Kopfe allein fünf Gerichte herzustellen verstünden“. Im Nassau’schen hatte früher das Städtchen Hefftrich einen Anflug lalenbürgerischen Leumunds. Im Meißnischen gilt dies von Mutzschen und, wie Wachsmuth behauptet, von Adorf. Sonst hat hier Schilda alle Neckerei auf sich gelenkt und absorbirt. Die Schlesier führten ehemals wie viele andere Deutsche den Namen der „Eselsfresser“. Ihr Narrenort ist das weitberühmte Polkwitz, von dem eine Menge Gimpeleien erzählt werden.

Die deutsche Bevölkerung Oesterreichs hat im Böhmerwalde verschiedene Orte mit Spitznamen, und im kärnthenischen Lesachthale wimmelt es förmlich von solchen. Die Wiener werden als „Flaschelträger“, die Salzburger als „Stierwäscher“ geneckt. Letztere wollten den schwarzen Stier ihrer bunten Stadtheerde weiß waschen und verwendeten darauf etliche Centner Seife.

Auch der Norden Deutschlands ist reich an Spitznamen der hier besprochenen Art und dazu gehörigen Späßen und Schnurren. In Ostpreußen gelten die Domnauer für einfältig, und die Schippenbeiler heißen „Erbsenschmecker“.

Ganz außerordentlich reich an Namen, die mehr oder minder Schimpf einschlossen, war ehemals Pommern. Hier finden wir unter Anderen die „Stintköppe“ von Wollin, die „Plunderköppe“ von Cammin, die „Pomuffelsköppe“ von Gollnow. Die Mönchsguter wurden von den Putbusern (nach ihren großen Messern) „Pook“, letztere aber von ersteren (nach ihren Streitkolben) „Kolber“ genannt. Die Cösliner heißen „Sacksöfer“, weil sie einen katholischen Barbier, der mit einer quakenden Ente den lutherischen Gottesdienst gestört hatte, in einen Sack steckten und ersäuften, die Anclamer „Swinetröcker,“ weil sie, als der Herzog Schwäne von ihnen verlangte, Schweine schickten. Die Stralsunder endlich sollten, wie die Necksucht ihrer Nachbarn beanspruchte, auf den Namen „Hans Katte“ hören, da sie sich einmal gegen eine Katze in ihrem Kirchthurm, die sie für einen Fuchs gehalten, in die Rüstung geworfen haben sollten.

In Mecklenburg giebt es nur einen Ort, wo Schildbürger wohnen sollen, Teterow, dafür aber hat der fopplustige Kobold demselben einen ganzen Sack voll Thorheiten in seine Chronik geschüttet.

Hannover hat wieder eine ziemliche Menge von Städtchen und Dörfern, denen wunderliche Dinge nachgesagt werden. Da haben wir zunächst das vielberufene Dorf Jühnde bei Göttingen, von dessen Bauern die Umgegend wohl ein Dutzend Gimpelstreiche zu erzählen weiß. Nicht weit davon liegt Dransfeld, dessen Bewohner einst die berühmte Jagd auf einen Esel unternahmen, der ihnen ein großer Hase zu sein schien. Sie wurden dabei von den Göttingern überfallen, die den Esel fingen und als Hasen verspeisten. Die Göttinger bekamen davon den Necknamen „Eselsfresser“, die Dransfelder aber heißen seitdem „Hasenköppe“, und ihr Bier wurde „Hasenmilch“ getauft. Ferner haben die Schuhmacherstadt Peina und die Dörfer Brämele und Bardewyk ihre Nota als Orte, wo unfreiwillige Komik zu Hause ist. Von Buxtehude geht in Hamburg der Spruch: „Broder, ick und Du, wie gaat na Buxtehu, wöllt den Buur in Keller krupen un em all sien Beer utsupen.“

Braunschweig hat an dem einen, aber weitberühmten Schöppenstedt genug, welches indeß in den Ruf der Thorheit wohl nur dadurch gekommen ist, daß Kneitlingen, der Geburtsort Eulenspiegel’s, nicht weit davon entfernt liegt oder daß man bei seinem Namen statt an Schöppe an Schöps dachte.

Von Bremen singt der Spruchdichter des Volkes: „Wer stehlen will und nicht hangen, der geh’ nach Bremen und lasse sich fangen.“ Im Oldenburgischen Ammerland giebt es eine Unzahl Neckereien von Ort gegen Ort. In Ostfriesland heißt „Feeling“, das heißt Westfale, ungefähr so viel wie Schildbürger, [139] und das ist nicht unbegreiflich, da die Bewohner Westfalens einander selbst allerlei seltsame Schnurrpfeifereien nacherzählen. Dies gilt namentlich von den Rodlinkern und den Leuten im münsterschen Beckum. Die Attendörner und die Olper aber necken einander mit den Spitznamen „Kattfillers“ und „Pannenklöppers“.

Eine fast überreiche Fülle von Lalenanekdoten hat endlich, wie ein Blick in die Müllenhoff’sche Sammlung schleswig-holsteinischer Sagen zeigt, der südliche Theil der cimbrischen Halbinsel hervorgebracht. Obenan stehen unter den hier in Betracht kommenden Orten das holsteinische Büsum und das schleswig’sche Hostrup. Von den Büsumern wird zunächst die Geschichte von den Badenden erzählt, die, um sicher zu werden, daß Keiner von ihnen ertrunken ist, die Nasen in den Sand stecken müssen. Sie sind ferner Mondfänger; sie halten den Hammer für einen Schneider; sie bestellen ein Feld mit Kuhsamen; besonders schön endlich sind die Abenteuer derjenigen von ihnen, die den Mühlstein suchen sollen, welcher ihnen gestohlen worden ist. Sie kommen nach Friedrichstadt und entdecken den Senf; sie geben in der Schenke, um nicht dem Ofen zu nahe zu sitzen und zu viel Hitze auszustehen, dem Wirthe ein Stück Geld, daß er den Ofen weiter wegschiebe, er aber erfüllt ihren Wunsch dadurch, daß er, als sie hinausgegangen, die Stühle ein wenig vom Ofen wegsetzt; sie gelangen schließlich nach Hamburg und finden hier in einem Pastor mit der dort gebräuchlichen ungeheuern Halskrause den Dieb ihres Mühlsteins. „Ga hen na Hostrup und lat dy de Dös utsnyden!“ (geh hin nach Hostrup und laß Dir die Dummheit ausschneiden!) sagt man in Angeln. An einem Sommertage befand sich das ganze Dorf auf dem Felde. Da kam Einer zu ihnen und erzählte vom Kriege, über den er eben in der Stadt reden gehört. „Krieg, wat is denn Krieg?“ fragte ein Hostruper. „Wenn de Trummel geit,“ antwortete der Andere. „Wo geit (wie geht) de Trummel denn?“ erkundigten sich die Leute. „Bumm, bumm, bumm!“ erwiderte der Fremde. Nun arbeiteten jene ruhig eine Weile weiter, aber die Trommel steckte Allen in den Köpfen. Sie hatten eine Tonne voll Bier mitgehabt und bei der Hitze schon ausgetrunken. In deren Spundloch flog eine Hummel hinein, und da sie den Ausweg nicht wieder finden konnte, stieß sie wiederholt mit ihrem dicken Kopfe an das Holz, sodaß es wie das Bumm, bumm einer Trommel klang. Da dachten die Hostruper, es wäre der Krieg, und jeder hätte gern mehr als zwei Beine gehabt. Augenblicklich rannten sie, was das Zeug hält, davon und sprangen in ihrer Angst über Hecken und Gräben.

Die Böeler in Angeln führen den Spitznamen „Falenbieters“ (Füllenbeißer). Die Jageler bei Schleswig heißen die „tollen“, nehmen aber Vernunft an; denn die Ulmer Spatzengeschichte ist auch bei ihnen vorgekommen, und noch heute tragen sie Balken der Länge und nicht der Quere nach durch Thüren. Von den Bishorstern erzählen ihre Nachbarn, die Haseldorfer Marschbauern, folgenden Schwank: In alten Zeiten war es gebräuchlich, am Morgen des heiligen Christtages vor Tagesanbruch in die Kirche zu gehen, um den frommen Hirten im Evangelio nichts nachzugeben. Um nun in der Dunkelheit nicht irre zu gehen, hatten die Bishorster ein Seil ausgespannt, an dem sie sich bis zur Kirchthür hintasteten. Ein Schalk aber wußte darum, und um den Leuten einen Schabernack zu thun, leitete er das Seil ab und nach einem seichten Brunnen hin. Die Bishorster dachten an nichts Arges und gingen, als es läutete, Einer hinter dem Andern an dem Seile hin. Als nun der Erste an den Brunnen kam, fiel er hinein und das Wasser schlug ihm klatschend über dem Kopfe zusammen. Der Nächste meinte, es sei die Kirchenthür und rief: „Plump in helgen Karken! Laet apen! Ick will oek rin,“ und damit fiel auch dieser hinein. Die Anderen aber machten es ebenso, bis sie zuletzt Alle im Brunnen lagen. Ferner giebt es viele Dönchen von den Neuenkirchenern in der Krempermarsch, von den Kussauern bei Plön, sowie von den Kisdorfern bei Bramstede. Einmal fuhr ein Geestbauer mit Torf nach Kisdorf und hatte eine Sense mit auf dem Wagen, um damit am Wege das nöthige Gras für seine Pferde zu mähen. Nahe bei dem Orte fand er schönes Gras, stieg ab und schnitt seinen Pferden eine gute Mahlzeit, ließ dann aber die Sense liegen, um am Abend noch eine tüchtige Portion mit nach Hause zu nehmen. Als nun die Kisdorfer merkten, daß auf ihrer Meente Gras fehlte, und sie die Sense dort fanden, wußten sie erst nicht, was es sei. Dann meinte Einer, die Sense werde wohl das Thier sein, welches das Gras gefressen habe. Als er sie näher betrachten wollte, trat er auf ihren Griff, worauf ihm die Schneide an den Hals fuhr und ihn verwundete. Da sahen die Kisdorfer, daß die Sense nicht blos Gras, sondern auch Menschen fresse, und um sich vor weiterem Schaden zu bewahren, beschlossen sie, die Stelle, wo sie lag, zu umzäunen. Abends fand der Geestbauer sie mit einer soliden Dornenhecke umfriedigt.

Andere schleswig-holsteinische Lalenbürger sind die Thadener im Gute Hanerau, die, als ihnen beim Grasmähen ein Frosch begegnete, nicht wußten, welch ein Ungethüm sie vor sich hätten, bis der Bauervogt, nachdem er ihn lange betrachtet, meinte: „Lüt, hier bön ek wörklich in Twiefel – wenn dat keen Hartbock (Hirsch) est, so möt dat en Töttelduef (Turteltaube) wäsen,“ und die Fockbecker bei Rendsburg, die ihren Teich mit gesalzenen Heringen besetzen und den Aal, der sie ihnen weggefressen haben soll, mit Ersäufung bestrafen.

Wäre das Alles wirklich einmal passirt, so würde das ein neuer Beweis sein, daß nicht die alte Zeit die gute, sondern unsere die vorzüglichere ist; denn nicht blos die Jageler wären dann zur Vernunft gekommen. Kein Kisdorfer und kein Büsumer wird heutzutage noch Gimpeleien sich nachsagen lassen, und auch anderswo ist man dermalen eher zu hausbacken als zu übermüthig.