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Polnische Dichtung in deutschem Gewande/Von Lindau bis Konstanz

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Textdaten
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Autor: Władysław Tarnowski
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Titel: Von Lindau bis Konstanz
Untertitel:
aus: Schweizer-Skizzen (in: Polnische Dichtung in deutschem Gewande, Seite 27–28)
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1865
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Vorlage:none
Drucker:
Erscheinungsort:
Übersetzer: Albert Weiß
Originaltitel: Z Lindau do Constancyi
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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I.Von Lindau bis Konstanz.


Ob wunderreich – vor meinem Angesicht,
Schweiz, die Karpathen überragst du nicht,
     Wie Salomo, bei aller Majestät
     Die Lilie nicht, die auf das Feld sich sät,

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Wie Memnon nicht die Kunst in Griechenland

In ihrer Nacktheit klassischem Gewand:
     Vom Adler und von Geistern nur bewohnt,
     Seid ihr Karpathen, nur erhellt vom Mond,
Wenn matt er über dunklen Weihern strahlt

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Und aufgetauten Schaum mit Silber malt.


     Die Fahrt beginnt, der Wind die Segel schwellt,
     Wo Lindaus Leu die Wacht am Ufer hält
Auf steilem Fels, das Mähnenhaupt gereckt,
Dess’ Rachen schon so manchen Feind geschreckt.

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     Im Abendrot erglänzt die Saphirflut,

     Wie schmelzender Türkis in Fackelglut,
Als wälzten Feuerschlangen sich einher –
Erinnerungen gleich im Nebelmeer. –
     Schon Baierns Alpenreich dem Blick entschwand,

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     Und aus dem Nebel taucht Helvetias Strand.


Epheuumrankte Hütten, enggesellt,
Wie Geßners winzige Idyllenwelt,
     Sich reihn, wo ich mir Fels-Titanen nur,
     Stein-Jungfraun dacht’ als Bollwerk der Natur;

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Ameisendicht die Menge strömt herbei,

Denn Pfingsten war’s im wunderschönen Mai.
     Bald füllte sich das Deck und munter klang
     Des festgeschmückten Völkchens Jodelsang.
Nur ich, der Fremdling, stimmte nicht mit ein,

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Versunken in des Heimwehs Träumerein.


     Bald wilder wird das Ufer. Rot wie Blut
     Die Sonn’ erlischt im Wogenschnee der Flut;
Der Mond ersteht und hier und da ein Stern.
Schon auf der Alpen Hintergrunde fern

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      Erheben Konstanz’ Türm’ und Mauern sich,

      Darüber reckt sich still und feierlich
Die Gletscherwelt stets höher himmelan,
Als wenn sie dort kein Ende finden kann,
     Wie, ob er auch die ganze Welt umkreist,

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     In des Gedankens Reich – der Menschengeist.


Schon aus dem Schaum der Fluten taucht das Bug
Des Schiffs, das uns zum schmucken Hafen trug:
     Ich aber schritt am Felsenstrand entlang
     Und lauschte bang der Wogen Nachtgesang,

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Die mir zu Füßen brandeten zu Schaum,

Wie meiner Kindheit märchenhafter Traum,
     Und sah die Sternlein, kaum noch dichtgeschart,
     Erlöschen, wie auf weiter Pilgerfahrt
So mancher Feuerseele Jugendschwung

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Samt ihrer Hoffnung und Erinnerung!