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Philipp der Zweite, König von Spanien

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Textdaten
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Autor: Louis-Sébastien Mercier
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Titel: Philipp der Zweite, König von Spanien
Untertitel:
aus: Thalia – Erster Band,
Heft 2 (1786), S. 71–104
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1786
Verlag: Georg Joachim Göschen
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Friedrich Schiller
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Quelle: UB Bielefeld = Commons
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[71]
VII.
Philipp der Zweite,
König von Spanien.
Von Mercier[1]


Philipp der zweite ist Staub. Zwei Jahrhunderte trennen ihn von uns, und sein Name lebt nur durch die Gerechtigkeit der Zeit. Ich will ein Gemählde seines abergläubischen und schreklichen Despotismus entwerfen – alle Bestandtheile dieses grausamen Charakters, die uns in der Geschichte durchschauern, will ich in ein Bildniß zusammen schmelzen, und den Abscheu, der mich durchdrungen hat, allgemein machen.

Welch ein Ungeheuer, je länger ich bei seinem Anblik verweile! – Man erzählt von einem Bildhauer, der sich anbetend zu den Füßen des Jupiters niederwarf, den sein Meisel erschaffen hatte – ich stürze erschroken vor dem Bilde zurück, das ich zeichnete.

Der richtende Kiel des Schriftstellers soll die schlechten Könige brandmarken; dadurch ehrt er die guten. Alle nach der Reihe müssen sich endlich dem [72] unbestechlichen Grabstichel unterwerfen, der ihre Laster oder Tugenden auf die Nachwelt bringt. Die verborgensten Winkelzüge ihres Charakters werden hervorgezogen an den Tag, welcher Schleier sie auch deke, alle ohne Unterschied müssen vor dem Richterstul der Menschheit erscheinen, die da ist und kommen wird.

Kein Tiran, finster und grausam wie dieser, bestieg seit Tiberius den Tron. Philipp der Zweite ließ das Schiff der römischen Kirche auf einer See von Menschenblut treiben. Einverstanden mit dem Inquisitionsgericht, dessen barbarische Verfolgungen in Flandern, Spanien, Amerika er beförderte, grausam von Natur und nach Grundsäzen, mußte er noch zugleich sein Vertrauen an zwei Kreaturen verschenken, die seiner vollkommen würdig waren, an den Kardinal Granvella, und den Herzog von Alba. Beiden überließ er seine königliche Macht, denn beide waren wie er unmenschlich und unerbittlich.

Seine Absicht war, die furchtbare Gewalt, die er schon besaß, durch eine geistliche Monarchie zu verstärken, weil er wußte, daß sich die leztere über den ganzen Menschen erstrekte. Eben so wie die göttliche Regierung die ganze Schöpfung umfaßt, solte der Despotismus des Glaubens ihm die ganze politische Welt unterjochen. Jeder Aufrührer wäre dann zugleich Kezer, und jeder Kezer würde als Aufrührer behandelt. Man hätte sich gegen den Monarchen vergangen, sobald man sich von der Formel seines Glaubens [73] entfernte. Eine solche Tirannei des Gewissens, – die schlimmste aller schlimmen Regierungsformen, – wollte Philipp in seinen Staaten errichten. Er wollte seine irrdische profane Gewalt mit einem göttlichen Zepter vermählen.

Die kirchliche Regierung hatte schon seit einigen Jahrhunderten die Form der alten römischen angenommen. Ihre Maximen, von dem marktschreierischen Prunk der Zeremonie unterstüzt, hatte eine verführerische blendende Außenseite, der Wille wurde gefeßelt, und alle Gewissen unter einem einzigen Gottesdienste vereinigt; dann freilich waren nur wenige Schritte zu einem einzigen Gesez. Eben darum dachten auch schon mehrere Fürsten auf eine Wiedervereinigung der Monarchie mit dem Priesterthum, und glaubten durch diesen Kunstgriff sich einer gränzenlosen Gewalt zu versichern. Aus keinem andern Grund gestand Philipp der Zweite, der es in Anschlägen dieser Art allen seinen Vorgängern und Zeitgenossen zuvorthat, dem römischen Bischoff die Unfehlbarkeit zu; er selbst wollte sich dieses Vorrecht in seinen Staaten anmaßen, und mit dem heiligen Kreuz so gut als mit seinem Schwerde befehlen. Es lag ihm daran, jeden Widerspruch abzuschneiden, wo sein Vortheil im Spiele war; man sollte zittern, wenn er sein Kruzifix in die Hand nahm; der intoleranteste Pfaffe sprach aus dem Mund des unempfindlichsten Königs.

[74] Nothwendig mußte das einen Geist der Verfolgung entzünden, welcher bald in einen politischen Fanatismus übergieng. Dieses Gift verbreitete sich bald durch alle Adern der Regierung, alles ward der Religionsmeinung untergeordnet und aufgeopfert. Wer sich unterstand zu denken wurde hinweggeschaft, was nur den Geist der Untersuchung athmete, verdächtig gemacht und gebrandmarkt. Unnatürliche Ausschweifung einer Religion, die sich auf allgemeines Wohlwollen gründet!

Dieser schändliche Despotismus verunstaltete bald alle Zweige der Gesezgebung, und machte sie zugleich kleingeistisch und grausam. Die Form des Gottesdiensts glich einer abgeschmakten lästigen Etikette, und dieser ewige Zwang mußte endlich die Heuchelei, eine Mutter so vieler Laster, gebähren. Ein finstrer und grausamer Aberglauben verschlang das Licht der Vernunft, und errichtete seinen Tron auf den Trümmern der Gewissensfreiheit. Dieses traurige Loos traf alle spanische Reiche – der Fanatismus legte in diesem weiten Erdstrich der Dummheit seine Pflanzungen an, und das Volk wurde zum Thier heruntergestoßen. Aber dennoch hintergieng der Erfolg die Erwartungen, die man sich von diesem Verfahren gebildet hatte. Der Mensch, von dem doppelten Joch der Sklaverei und der Dummheit belastet, schweift gerne von einem Extrem zum andern, und geht von einem blinden Gehorsam zu zügellosen Empörungen über. So fand sich [75] endlich Philipp der Dritte gezwungen, die vereinigten Provinzen für einen unabhängigen freien Staat zu erklären, und mußte sich anheischig machen, ihren Handel hinfort weder in Indien noch in Amerika anzufechten.

Der Monarch, dessen Charakter ich jezt entwerfe, besaß in Europa die Königreiche Spanien und beide Sicilien, die Niederlande, die Franche Comte’ und das Herzogthum Mailand; in Afrika, Tunis, Oran, die kanarischen Inseln, und einen Theil des grünen Vorgebürges; in Asien die Philippinen, die Sonda-Inseln und einen Theil der moluccischen, in Amerika die Reiche Peru und Mexiko, Neu-Spanien, Chili und beinahe alle Inseln, die zwischen dem festen Land von Europa und Amerika liegen. Ungeheure Besizungen in der Hand eines Einzigen, und der auch nicht einmal den Namen davon verdiente!

Alles kam zusammen, diesen Monarchen zum Grösesten der Welt und der Geschichte zu machen, hätte er seine furchtbare Ueberlegenheit auf die Seite der wahren Größe geschlagen – aber die wahre Größe war es eben, wovon er nichts wußte. In einem Zeitraum von zwei und vierzig Jahren, worin er die Unterjochung von ganz Europa schmidete, hatte er auch nicht einen Tag mit dem Glük der Menschheit bezeichnet, überal Tyrann und Betrüger, überal Sklave des finstersten Aberglaubens, hielt er hartnäkig auf jeder Gelegenheit, die sich ihm anbot, seine strafende Macht zu zeigen.

[76] Er trachtete nach der Eroberung von Britannien, denn er verabscheute alles, was frei war. Wäre es Drake nicht gelungen, hundert seiner Schiffe im Hafen von Cadix zu verbrennen, und hätte nicht ein wohlthätiger Sturm jene furchtbare Flotte zerstreut, die mit dem Namen der Unüberwindlichen pralte, so war dieser glükliche Freistaat aus dem Globus vertilgt[2]. Welcher Zuwachs seiner Größe, wenn er auch noch dieses mächtige Reich mit seinen vielen Erbländern hätte vereinigen können!

[77] Ohngeachtet der reichen Goldgruben in Amerika waren dennoch seine Finanzen sehr oft in Unordnung, und seine Reichthümer erschöpft. Er borgte von der Republik Genua, ja sogar von seinen flämischen Unterthanen, wirkte sich am römischen Hof ein Privilegium über die Kirchengüter aus, und, wer wird es glauben? [78] und seine eigenen Truppen empörten sich bei der Belagerung von Amiens, weil sie keinen Sold erhielten.

Was sezte Philipp nicht in Bewegung, Heinrich den Vierten zu unterdrüken! Was für Maschinen ließ er nicht spielen, die Aussöhnung dieses Prinzen mit dem Römischen Stul zu hintertreiben! Als ein Schwager der leztern französischen Könige machte er sich Hoffnung, die Krone dieses Reichs an seine Tochter Isabelle zu bringen.

Frankreich kannte seinen Charakter, und verschonte ihn auch nicht. Noch zu seinen Lebzeiten pflegte man ihn mit dem egiptischen Pharao zu vergleichen, und ein [79] Schriftsteller drükt sich mit folgenden Worten über ihn aus: „Seht diesen alten Satrapen, den Mörder seines Weibs und seines einzigen Sohns, wie einen zweiten Xerxes das Meer mit seinen Schiffen bedeken, aber der Himmel zerschmettert sie an den Küsten von Schottland und Irrland. Alter kindischer König, der mit einem Fuß schon im Grabe steht, im Grabe, worauf deine Staaten schwanken, und nur auf das Signal deines lezten Augenbliks lauren, ihr Joch abzuwerfen. Dein Reich ist nur ein zusammengestükkelter Körper, dessen Fugen von einem kühnen Stoß aus einander springen.“

Aber aller Verläumdungen ohngeachtet, welche Haß und Eifersucht von ihm ausstreuten, blieb das Kabinet dieses Königs das gefürchtetste in der Welt. Im Besiz seiner amerikanischen und indischen Schäze spielte er in Europa den Meister, und behielt das Uebergewicht bei jeder großen Verhandlung; auch verließ er sich so sehr auf seine Entwürfe, daß er laut und öffentlich von seinem Paris, seinem Orleans sprach. Hätte er seinen Sieg bei S. Quentin zu verfolgen gewußt, so war es um Frankreich geschehen.

Das Haus Oesterreich war ehrgeizig, herrschsüchtig und stolz, aber gemeiniglich verlor es im Kabinette die Zeit, die es auf dem Schlachtfelde benuzen sollte. Philipp dem Zweiten war es ein leichtes, die französische Monarchie zu zerstören, und doch hat er nur die Ligue zerstört; er besaß weder den Muth seines Vaters noch Eduards. Die Eroberung von Portugal, [80] wenn sie anders diesen Namen verdient, war der einzige Zuwachs den die spanische Macht unter Philipp dem Zweiten gewonnen hat.

Karl der Fünfte hatte der Welt ein außerordentliches Schauspiel gegeben, da er auf einmal dem kühnen Phantom einer allgemeinen Herrschaft entsagte, seiner ungeheuren Macht sich freiwillig entlastete, und alle seine Kronen einem Sohn übergab, den er nicht einmal liebte. Merkwürdig war die Erscheinung, diesen mächtigen Souverain so viele königliche und kriegrische Geschäfte ohne Rükbehalt gegen Mönchsübungen vertauschen zu sehen. Er beschloß seine erhabene Rolle mit einem gänzlichen politischen Tode, indem er sich vor den Augen der Welt in die Mauren eines Klosters begrub, und für seine abgeschiedne Seele Messen absingen ließ, gleichsam als hätte er aufgehört zu seyn; und doch fehlte noch etwas, sein Leichenbegängniß vollkommen zu machen – eine Stimme der Wahrheit, welche nach dem Tode sonst zu erschallen pflegt.

Karl der Fünfte that stets das Gegentheil von dem was er aufs heiligste zusagte; Zweideutigkeit war die Base seines Charakters. Von jener erstaunenswürdigen Entsagung der Krone bleibt der wahre Bewegungsgrund noch immer ein Räthsel; aber kaum hatte er die Begräbnißfarce gespielt, als ihn dieser Schritt schon gereute. So wie Philipp Besiz von der Regierung genommen hatte, achtete man Karls nicht mehr. Von seinen Unterthanen vergessen, lebte er mitten unter [81] ihnen, wie in einem fremden Lande. Hofleute sah er nicht mehr; für sie war nichts bey ihm zu gewinnen. Seine Diener zu belohnen hatte er sich eine kleine Summe vorbehalten; Philipp war undankbar genug mit der Auszahlung zu zögern. Vormals Beherrscher so vieler Königreiche, war er izt ohne Geld, wandelte mit dem Breviar in der Hand in einem einsamen Kloster umher; geisselte sich jeden Freytag in der Fastenzeit – ein Kaiser wie dieser, welch ein Schauspiel für die Welt!

Indessen war es eine feierliche und sogar rührende Handlung als er die Regierung niederlegte. Er schloß seinen Sohn in die Arme, und sagte zu ihm: „nur deine Sorgfalt für das Glük deines Volks kann meine Zärtlichkeit belohnen. Möchten deine Kinder es werth seyn, daß du dereinst für einen unter ihnen eben das thun könntest, was ich jezt für dich thue.“

War Karls Seele würklich über den Thron erhaben, oder ließ er sich bloß von einer vorübergehenden Laune hinreißen? Es fehlt hierüber nicht an Vermuthungen, aber die wenigsten sind befriedigend. Vor ihm war niemand auf den Einfall gekommen, seine eigenen Exequien zu feyern; während der Leichengesänge die man um ihn her anstimmte, erkältete er sich in dem bleyernen Sarge, und starb noch in eben dem Jahr, an den Folgen dieser Erkältung.

[82] Karl war intolerant gewesen, hatte sich durch Verfolgungsgeist seinem Zeitalter schreklich gemacht. Jezt wollte er in seinem Kloster zwey Uhren so stellen, daß sie nie von einander abwichen, und kam nicht damit zu Stande. Da entwischte ihm jener Ausruf: „und doch sollen zwey Menschen nie in ihrem Glauben von einander abgehen?“

Philipp erbte die Vorurtheile seines Vaters, und sein despotischer Stolz trieb ihn an, das ganze Menschengeschlecht seinem Glauben zu unterwerfen. Dieß war ein Hauptzug seines Charakters. Kaum hatte er den Thron bestiegen, als er den Beichtvater seines Vaters in effigie verbrennen ließ; und es fehlte wenig, daß er nicht selbst Karln für einen Kezer erklärte, und sein Andenken lästerte. Ein solcher Aberglaube, war er die Eingebung seines Herzens oder des Charakters seiner Nation?

Der mächtige Karl gieng damit um, Maximilians und Ferdinands Plane auszuführen, und sein Glük zu einem Gipfel zu erheben, der ganz Europa überschatten sollte. Aber für einen solchen Ehrgeiz war er nicht kriegerisch genug. Der anhaltende glükliche Erfolg seiner Unternehmungen wurde nicht von ihm benuzt; seine Kriege wurden zu oft unterbrochen.

Er untergrub die Grundpfeiler seiner angeerbten Macht durch den Staatsfehler, daß er die Unterjochung des deutschen Reichs für den ersten Schritt [83] zur allgemeinen Monarchie ansah. Dieser Irrthum zertheilte seine Kraft, und die Eilfertigkeit seinen Bruder zum Römischen König wählen zu lassen, war vielleicht in der Folge die vornehmste Ursache von Europens Befreyung. Auch das deutsche Reich erholte sich wieder unter einem weniger drükenden Joche.

Ein Glück war es, daß die Kaiserwürde nicht eben so von Karln abhieng, wie der Besiz seiner erblichen Staaten. Er würde seinem Sohne seine ganze Macht überlassen haben; und schon reute es ihn, daß es sein Bruder war, der den Titel eines Römischen Königs bekommen hatte. Vergebens hatte er sich bemüht, ihn durch die listigsten Anerbietungen zu bewegen, sich seines Rechts zu begeben. Er hatte alles angewandt die Reichsstände zu gewinnen; aber von jeher für die Erhaltung ihrer Freyheit besorgt, fürchteten sie auch jezt ein zu mächtiges Oberhaupt, das ihnen gefährlich werden könnte. Durch diese Hindernisse und durch die Widersezlichkeit seines Bruders ermüdet, überließ ihm endlich Karl wider Willen das deutsche Reich.

Dieß war der Zeitpunkt, da das Haus Oesterreich Europa in Schreken sezte. Richelieu sahe die Größe der Gefahr in der Zukunft voraus, und aus diesem Gesichtspunkte kann er für den Wohlthäter mehrerer Europäischen Nationen angesehen werden. Philipp träumte so gut, wie Karl von einer Universalmonarchie; nur hatte diesen die Lage seiner Staaten mehr bey seinen Absichten begünstigt. Das Haus Oesterreich [84] hatte damals den höchsten Gipfel von Größe und Macht erreicht. Die alten Unterthanen waren treu und im Kriege geübt; Spanien bereicherte sich mit den Schäzen der neuen Welt; die Niederlande waren für Frankreich und Deutschland gleich furchtbar; und die Religion, damals die Quelle der heftigsten Unruhen, gab bald einen Vorwand die einzelnen Staaten des Reichs zu entzweyen und zu schwächen, bald sie wieder zu vereinigen.

Die Spanische Monarchie verlor viel von ihrem Ansehen unter Philipp dem Zweiten, weil er sein Land erschöpfte um die Burgundsche Erbschaft zu erhalten, und weil jene allgemeine Triebfeder die unter seinem Vater die ganze Masse seiner Macht in Bewegung gesezt hatte, unter ihm erschlafft war.

Philipps Politik war künstlich aber unthätig. Dieser Dämon in Süden, wie man ihn nennte, war mehr damit beschäftigt, den Saamen von Unruhen und Streitigkeiten in ganz Europa auszustreuen, als diese selbst zu benuzen. Ueberzeugt von dem Einflusse des Pabstes und der Religion, wußte er ihn durch den Schein einer eifrigen Anhänglichkeit an sein Glaubensbekenntniß sich zu eigen zu machen. So wurde er der Vertheydiger und Rächer aller katholischen Glaubensgenossen; nöthigte den Pabst, ihm seine Macht zu übertragen, herrschte durch Vorurtheile wie durch Waffen. –

[85] Daher jene wütenden und unaufhörlichen Ausbrüche von Bigotterie. Und doch führte er gewöhnlich seine Entwürfe mit solcher Langsamkeit aus, daß ihm selbst Mangel an Klugheit nicht hätte nachtheiliger seyn können. Spanien hatte es bloß den Fehlern seiner Feinde zu danken, daß es nicht noch mehr verlor. Mußte nicht Philipp troz seines Stolzes Heinrich den Vierten um Frieden bitten? Verlor er nicht Tunis und Goulette? Und was vermochte er gegen die vereinigten Niederlande, was gegen England, so sehr er es bedrohte?

Oft verschwendete er seine Zeit mit unbedeutenden Gegenständen, wenn ihn die günstigsten Umstände aufforderten seinem Glüke einen neuen Schwung zu geben. Eine Zänkerey unter Geistlichen beschäftigte ihn eben so ernstlich, wie die Ligue von Frankreich. Die Errichtung eines Mönchsklosters war ihm so wichtig, als der Erfolg einer Schlacht. Der Wille der Päbste war ihm ein heiliges Gesez, und gegen die Reformirten war er so aufgebracht, daß er Ruhe und Ehre der Begierde sie auszurotten, aufopferte. Selbst seine Feinde unterstüzte er, wenn sie nur im geringsten den Protestanten zuwider zu seyn schienen; und das Glük einer Nation die er als Nebenbulerin haßte, war ihm erwünscht, wenn nur der Kezerei dadurch Abbruch geschah.

Den Glauben an die Untrüglichkeit des Pabstes behauptete er selbst zuerst, oder wollte ihn wenigstens bey andern allgemein machen. Seine Politik war es [86] unstreitig, dieses geheiligte Vorurtheil gegen seine Feinde zu benuzen, und es daher gegen alle Zweifel zu sichern.

Kein Jahrhundert ist durch größere Verbrechen und durch größere Begebenheiten ausgezeichnet, als das sechszehnte. Welchen Fürsten mußten damals die Menschen gehorchen! Katharina von Medizis, Karl IX, Heinrich III, Philipp II, Christian II, Heinrich II; die ränkevollen und grausamen Päbste nicht einmal zu rechnen.

Der Protestantismus war der Widerstand, welchen die deutschen Kraise der Uebermacht Karl des Fünften entgegensezten. Aus einem theologischen Streite machte man ein Bollwerk gegen die Tirannei. Und nach diesen Begriffen nur wird man sich überzeugen, wie es einen Fürsten geben konnte, welcher der Inquisition befahl, alles auszurotten was nicht an die Transsubstanziation glaubte. Aber freilich mußten auch die Völker, die man um diesen Lehrsaz so hart verfolgte, aus allen ihren Kräften entgegenwürken. Die Protestanten wuchsen unter den Streichen wieder auf, womit man sie niederdrüken wollte.

Elisabeth war die Urheberinn ihrer Freiheit, und dies ist ihr schönster Lorbeer in den Augen der Nachwelt. Von Liebe zum wahren Ruhme, Toleranz und Standhaftigkeit geleitet, betrat Elisabeth den Weg der Ehre, und ihre weise Regierung gab England einen mächtigen Einfluß.

[87] Als Holland und Seeland, der Tirannei Philipp des Zweiten überdrüßig, sich unter die Oberherrschaft der Elisabeth begeben wollten, antwortete sie den Gesandten die ihr den Antrag thaten, sie hielte es nicht für schön noch anständig sich fremden Eigenthums zu bemächtigen, und fügte hinzu, Holland habe Unrecht der Messe wegen so viel Verwirrung anzurichten; aber nachdem sie so gesprochen hatte, wußte sie auch als Fürst zu handeln; sie errieth, daß die Neuerer in Europa die Stüzen einer Freiheit werden würden, welche der Römische Hof und das Haus Oesterreich zu vernichten strebten.

Man will behaupten, daß Elisabeth das Völkerrecht verlezte, indem sie die Niederländer unterstüzte, daß sie nicht berechtigt war sich in diesen Streit zu mischen und sich zum Richter über die Ungerechtigkeit Philipps gegen die Niederländer aufzuwerfen. Aber das ist ein Trugschlus; die Staaten hängen so gut zusammen, als die einzelnen Menschen. Politik und Menschlichkeit erfordern, daß ein Unrecht, welches einer Nation zugefügt wird, von allen andern bemerkt und geahndet werde. Das Interesse der großen Gesellschaft will es augenscheinlich, daß man die Grundgeseze eines Staats nicht ungestraft verlezen lasse; die große Gesellschaft darf bei den überlegten Beleidigungen eines blinden oder unbändigen Tirannen nicht unthätig bleiben; das gemeinschaftliche Interesse muß alle Regungen der politischen Körper bestimmen; die Europäische Gesellschaft hat keinen andern wesentlichen Zwek.

[88] Wie? Eine ganze Nation sollte mit ruhigem Auge das Blut ihrer Nachbarinn unter widersinnigen und barbarischen Launen fließen sehen? Sobald die Geseze der Menschheit verlezt werden, tritt alles in das ursprüngliche Recht zurük; einem unterdrükten Volke beizustehen und großmüthig aufzuhelfen, das ist die Aufforderung der Natur; eine mächtige Aufforderung, welche mit den Grundsäzen der natürlichen Freiheit übereinstimmt und allen Nationen wechselsweise zu gute kommen kann, weil hier die Sache der Völker gegen die Sache einiger Fürsten in Anschlag kömmt.

Ein Staat der bei den wichtigen Unglüksfällen seiner Nachbarn sich ausschlöße, der gegen ihre Seufzer taub bliebe und alles übersähe, was nicht sein besondres Interesse verlezte; ein solcher Staat würde seinen Anspruch auf die Vermittelung oder den Beistand einer angränzenden Macht, dieses uralte und heilige Recht unglüklicher Völker, verlieren; die Unterdrüker würden auf Erden nie aussterben, denn sie könnten mit Musse die Vorrechte des gesellschaftlichen Vertrags übertreten, indem sie der Schranken der lebendigen Geseze spotteten.

Freilich wird der Despot Rebellion ausrufen, sobald sich der geringste Seufzer hören läßt, aber jeder wahre Fürst, jedes edle Volk wird der Nation beispringen die einem eisernen Joch unterliegt oder ein Raub der Anarchie wird. Er wird den Muth haben die Geseze der Natur geltend zu machen, er wird nicht zugeben, [89] daß ein übermüthiger Monarch oder ein aufrührerisches Volk der öffentlichen und besondern Ruhe drohe. Die kleine heimliche Politik ist trügerisch und hat den Charakter der Unempfindlichkeit, aber das große Interesse der Menschheit, in dem unermeßlichen Umkrais vergangener und zukünftiger Zeiten erblikt, schaft der Seele Licht, und täuscht sie niemals.

Das Beispiel der Schweiz und Hollands hat glüklicher Weise diese Grundsäze in der Geschichte anschaulich gemacht und erwiesen. Heinrich IV that für die Helvetischen Kantons, was Elisabeth für die vereinigten Provinzen gethan hatte.

Und wollte Gott, daß der unbändige Philipp von seinen Nachbarn im Zaum gehalten worden wäre! Erlaubte er sich in Paris einen mächtigen Anhang zu unterhalten, um Frankreich besser zu schaden, so war man berechtigt genug seine elenden Unterthanen den glühenden Scheiterhaufen der Inquisition zu entreißen und dem heiligen Blutdurst zu wehren, welcher das unzählbare Heer seiner Henker bewafnete, die auf Alba’s Stimme von Stadt zu Stadt herumstreiften, und mit hohnsprechender Grausamkeit Ströme von Blut vergossen. Seine Henker folgten seinen Kriegern auf dem Fuß nach.

Philipp machte sich zum Generalissimus des Pabstes, und dieses Mittel wandte er an, um nach und nach alle Rechte umzustoßen, die seinen Gözen, den [90] Despotismus einschränken konnten. Er warf sich zum Monarchen der Kirche auf und erbte in der That die furchtbare Gewalt der Päbste. Pius V, von niedriger Geburt, verstand sich mit ihm, begünstigte seine Plane, und zeigte sich als den eifrigsten Verfolger der Protestanten. Der spanische Monarch hielt den Kalvinismus für die Sekte die am besten zu der Verfassung freier Staaten paßte, und er war entschlossen eine Reformation von Grund aus zu zerstören, die sich nicht mit der Monarchie vereinigen lies, wo die Gränzen der Macht unbestimmt sind.

Freilich waren es Menschen von niedrigem Stand gewesen, die den Kalvinismus eingeführt hatten; und diese sind immer auf einen Luxus neidisch, von welchem sie sich ausgeschlossen finden, und einer Gewalt Feind, deren Gewicht sie mehr fühlen als die Reichen. Der Katholizismus dünkte ihnen die Seele der Tirannei, und in dem Umsturz der Römischen Uebermacht hoften sie das Ende ihrer Sklaverei. Was das Gepräge der Pracht trug, erbitterte sie, weil ihre Umstände ihnen jeden Genuß der Reichen verwehrten; darum entrissen sie den Tempeln ihre Zierrathen und der Religion ihren Glanz.

Ihre Strenge und vorzüglich ihr Entwurf jeden Unterschied des Rangs aus der Gesellschaft zu verbannen, mußte die Großen gegen sie aufbringen. Ihre Meinungen, welche dem Ansehen sowohl, als den Vergnügungen der Fürsten abbrachen, mußten den heftigsten [91] Widerstand von Seiten der reichen und unbeschränkten Monarchen erfahren. Auch hätte Philipp denen die er Rebellen nannte, Alles bewilligt, bis auf die Gewissensfreiheit: diese, sagte er selbst, würden sie nie von ihm erhalten, wenn er auch seine Krone aufs Spiel sezen müßte. Er sah diese Gewissensfreiheit als die Zerstörung seiner politischen Grundsäze an.

Wie die Inquisition alles vertilgte, was unglüklich genug war nicht zu glauben, daß Gott Brod, daß Gott Wein seyn könnte, war ihre Absicht eben nicht die Menschen zu diesem Glauben zu zwingen, aber sie wollte die Besizungen der Geistlichen in unverlezlicher Achtung erhalten; sie stellten die Misterien zur Wache über ihr angemaßtes Eigenthum. Dem Ehrgeiz der Priester war es von der höchsten Wichtigkeit, daß die Worte Kezerei und Rebellion verwechselt würden.

Elisabeth, welche eine[3] getheilte Macht für eine verlorne hielt, war sehr entfernt, Philipp dem Zweiten ihre Hand zu geben. Wie hätte sie, die so fest auf ihre Grundsäze hielt, den Sohn des mächtigen Karl neben sich auf den Thron sizen lassen? Auch hätte sie sich mit diesem Fürsten nicht vermählen können, ohne um eine Dispensation bei dem Pabst anzusuchen: durch diesen Schritt aber würde sie die Gewalt des Pabstes anerkannt haben. Man sieht, daß alles zusammen kam, den Kalvinismus zu begünstigen.

[92] Frankreich selbst würde ganz protestantisch geworden seyn, ohne die unvorsichtige Heftigkeit, zu welcher ihr Eifer die Reformatoren verleitete. Ihr Troz während des Kolloquiums zu Poissi, ihre wenig politische Unbiegsamkeit entzog ihrer Lehre den Ruhm ein ganzes Reich eingenommen zu haben und muß ihnen noch heute gereuen. Denn welche Reihe von glüklichen Vorfällen mußte auf einen so wichtigen Fortschritt gefolgt seyn!

Während dieser Streitigkeiten hatte die scholastische Theologie, dieses vielköpfige Ungeheuer, die Alleinherrschaft über die Welt. Sie predigte jene frechen Säze, welche die Vernunft schreken und niederdrüken. Sie lieferte die Menschen irdischen Flammen, und damit noch nicht zufrieden, lies sie die Scheiterhaufen der Inquisition bis in die Ewigkeit fortdauern. Kein tröstendes Licht über die Rechte der Menschen, weder in bürgerlichen noch in politischen Verhältnissen. Alles, bis auf die Geschichte und die schönen Wissenschaften, trug das finstre Gepräg der Schule, alles unterlag einem überall verbreiteten Geist von Wuth, von Intoleranz, und von theologischem Geschwäz. Mit verbundenen Augen, in eine Mönchskutte verhüllt, die Fakel in der Hand, streifte der Fanatismus durch Europa.

Philipps Ehrgeiz und Barbarei machten die Finsterniß noch dichter. Er legte es darauf an, dem Menschen seine unverlezbarsten Rechte zu entreissen und alle Pflichten, alle Tugenden, alle Kenntnisse zu vertilgen.

[93] Dieser schrekliche Monarch der gleich dem Pabst Anspruch auf die Untrüglichkeit machte, hatte dem Protestantismus den Untergang geschworen und ließ den Prinzen von Oranien, den er von dem Interesse der Niederlande nicht hatte abziehen können, durch einen Meuchelmörder umbringen. Schon war Egmonts und Horns Tod das Signal zu der Hinrichtung achtzehn andrer Edelleute gewesen, welche durch eine besondre Kommission verurtheilt worden waren; aber giebt es in der Geschichte, selbst der Römischen Kaiser, ein abscheulicheres Denkmal, als Philipps Achtserklärung gegen den ersten Statthalter von Holland? Wer kann ohne Schaudern die folgenden Worte lesen? „Wir versprechen auf unser königliches Wort und als ein Diener Gottes, wenn sich jemand findet der edel genug ist die Welt von dieser Pest zu befreyen und ihn uns todt oder lebendig zu überliefern oder ihm das Leben zu nehmen, diesem fünf und zwanzig tausend Kronen zu bezahlen; und wenn er auch ein noch so großes Verbrechen begangen, so versprechen wir ihm unsre königliche Begnadigung, und wenn er noch nicht adlich ist, versezen wir ihn und alle die ihm darinn helfen und beistehen, in den Adelstand.“ In den Adelstand! – Und seinerseits wetteiferte Alba mit seinem König in der Grausamkeit; er rühmte sich, daß er achtzehntausend seiner Mitbürger auf dem Schaffot hätte sterben lassen.

Die Bartholomäusnacht wurde mit Freudenbezeugungen an Philipps Hof gefeiert, während daß [94] ganze Europa in Trauer über diese schrekliche Begebenheit versunken war.

Aber die aufrührerischen Niederländer, die man damals Bettler nannte, legten durch ihren Muth den Grund zu einem mächtigen Freistaat. Sie gaben einen Beweis, daß einem Volke[4] nichts unmöglich ist, welches sich fest vorgesezt hat, entweder frei oder nicht mehr zu seyn. Die Inquisition, welche in der Nähe die Neuerer zerschmetterte, half in der Ferne den Lutheranismus verbreiten, und der Haß, den man gegen die Bischöffe hatte, oder vielmehr Philipps eiserne Ruthe förderte diese Revolution die Europa zum Erstaunen zwang.

Was waren die Holländer in der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts? Ihre schnellwachsende Größe ist vielleicht die bewundernswürdigste Begebenheit in der neuen Geschichte. Ein Haufen Matrosen und Fischer, Bewohner eines sumpfigen Landes, kämpfen mit dem Meere das sie zu verschlingen droht, und wehren sich gegen die besten Krieger in Europa, die Spanien mit dem Golde von Mexiko und Peru besoldete.

Tollkühnheit mußte es scheinen, daß sie ihrem furchtbaren Herrn zu widerstehen hoften; aber eine unüberwindliche Beharrlichkeit ersezte bei ihnen die würklichen Kräfte. Gezwungen auf sich selbst allein Rechnung zu machen, sahen sie sich durch ihre Unermüdlichkeit im Handel endlich in dem Stand, Spanien [95] seine Schätze und Besizungen zu entreißen; und Spanien troz seinen Amerikanischen Bergwerken, fand sich endlich erschöpft.

Was erreichte er durch so viele Grausamkeiten, Ränke und Kriege, dieser Despot, der mächtigste Monarch in Europa? Er machte seine Staaten arm, und nachdem er die Amerikanischen Bergwerke erschöpft hatte, hinterlies er eine Schuld von 140 Millionen Dukaten. Eine blinde Hartnäckigkeit verleitete ihn zu einer Reihe von politischen Fehlern. Er hatte Holland von seinem Vater ererbt, er konnte ruhig über dieses Volk herrschen; aber er brachte es auf, er zwang, so zu sagen, die Niederländer zur Empörung. Nachdem er den unsinnigen Plan ausgebrütet hatte, Frankreich und England zu unterjochen, nachdem er die Aufrührer der benachbarten Nationen unterstüzt und alle Zwiespalten genährt hatte, mitten in dem Wahn, daß die Künste seiner Politik ihm alles unterwerfen müßten, hatte er den Schmerz die Staaten von Brabant, Flandern, Seeland, Holland und Friesland sich einer fremden Herrschaft antragen zu sehen; er sah diese Bettler, die eine hölzerne Schale, als spöttisches Attribut hatten, seiner Macht trozen, und verlor ein Land das heutzutage reicher ist als alle Spanischen Herrschaften, das 1710 die Gewalt hatte den Thron seiner ehemaligen Tirannen nach Gefallen zu vergeben, und den Spaniern einen König zu ernennen.

[96] Ein großes Beispiel! die Generalstaaten, im Haag versammelt, erklärten feierlich Philipp den Zweiten für verlustig der Souveränität, weil er die Vorrechte der Völker verlezt hätte.

Also gewann sein Ehrgeiz dabei nichts, daß er Europa in Aufruhr gebracht hatte. Dürftigkeit und Elend schändeten ein Land, wo er vergebens ungeheure Reichthümer verschwendet hatte um den Sektirern das Joch der Römischen Kirche aufzuzwingen.

Aber wenn wir auch seinen Despotismus und seine Barbarei verabscheuen, müssen wir doch den Talenten die er würklich besaß, Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Er hatte die weise Politik in Spanien selbst, Frieden zu erhalten; er wußte seine Minister zu wählen, er bildete sie selbst.

Auch kann man ihm die tiefe Menschenkenntniß nicht absprechen. Er studierte sorgfältig den Karakter seiner Minister, bevor er sie in Thätigkeit sezte. Seine Aufmerksamkeit war unermüdet in diesem Stüke, und sicher ist diese Kunst den Gehalt der Menschen zu ergründen deren man sich bedient, das erste Talent bei einem Fürsten. Aber da man seine tirannische Hartnäkigkeit kannte, handelten seine Minister nach seinen eignen Grundäzen, und suchten ihm ähnlich zu seyn. Indessen hatte er eine übertriebne Gefälligkeit gegen den Herzog von Alba, der unter dem äusseren Schein der Ruhe die grausamste Seele verbarg: diese [97] Gefälligkeit kostete ihm die sieben vereinigten Provinzen.

Keine Farben sind stark genug Alba’s unersättlichen Blutdurst zu schildern. Er sprach allen Gesezen Hohn, und hinterlies überall die blutigen Fustapfen seiner unseligen Gewalt.

Aufmerksamkeit und Wachsamkeit bezeichneten diesen Monarchen in einigen Theilen der Staatsverwaltung. Sein Rath mußte in seiner Gegenwart die Vortheile und die Gefahren einer Unternehmung aus einander sezen. In zweifelhaften Fällen nahm er die Meinungen schriftlich an; er überdachte sie reiflich und vereinigte die entgegengesezten Partheien. Aber wenn von den Kezern die Rede war, dann sties er alle Geseze um, gegen diese gährte ein unauslöschlicher Haß in seiner Seele.

Indessen findet man in seinem Leben eine Menge widersprechender Züge, die den Mahler niederschlagen. Der Erzbischof von Toledo hinterlies als er starb, eine Million Thaler für fromme Legate. Diese Million einete sich Philipp zu, indem er durch ein paar Doktoren ohne Pfründen entscheiden lies, Er als Vater der Armen sei der Erbe dieses Prälaten. Auch war seine Achtung gegen die Geistlichkeit nicht so groß, daß er sie nicht zu bestrafen gewußt hätte, wenn er durch sie beleidigt war. Er lies ohne Anstand einige zwanzig Prediger aus allen Orden aufhängen, weil sie in Portugal [98] gepredigt hatten, er sei im unrechtmäßigen Besiz der Krone; und er hatte sogar Gregor dem Dreizehnten, der sich zum Schiedsrichter dieses Streits aufwerfen wollte, geantwortet, daß seine Rechte nur seinem Schwerdt unterworfen wären. Also schonte er die Priester seiner Kirche nicht, wenn sein Eigennuz oder sein Stolz auf dem Spiele war, und dieses muß sehr viel Licht auf seine Politik werfen, die den Schein und die äusserlichen Mummereien seiner Religion beibehielt, um mit unvergleichlicher Klugheit die zeitliche Gewalt desto besser an sich zu reissen.

Diese Heuchelei, diese Strenge, diese Grausamkeit spricht auch aus dem Privatleben dieses Fürsten. Seine Seele war dem Mitleiden unzugänglich. Ohngeachtet seines Rangs fand er Vergnügen daran, den Todesmartern der unglüklichen Schlachtopfer der Inquisition zuzusehen, und er versicherte, daß er selbst bereit seyn würde, des Henkers Stelle zu ersezen, wenn es an einem fehlen sollte. Er schien – schaudernd schreib’ ich es nieder, und doch ist es historisches Faktum – er schien sich an dem Rauchen des Bluts dieser Märtirer zu ergözen; und bei diesen zermalmenden Schauspielen lies er noch besoldete Spionen herumgehen, welche auf die unwillkührlichen Regungen des Mitleidens in den Augen der Zuschauer lauerten; und wehe dem Unglüklichen, in welchem die Natur erwacht war, er wurde dem Arm der Inquisition ausgeliefert.

[99] Ein einzigesmal sah man ihn unter den Waffen. Es war den Tag, als Saint Quentin mit Sturm erobert wurde; aber an eben diesem Tage war seine Furcht so gros, daß er gelobte, im Fall er davon käme, ein prächtiges Kloster zu Ehren des heiligen Laurentius zu errichten. Er baute noch eine Kirche und einen Pallast dazu, und diesem Gelübde hat das Eskurial sein Daseyn zu verdanken. Es scheint, daß er bei dieser Gelegenheit noch ein zweites, aber im Herzen, ablegte, sich nie wieder bei einer Schlacht zu befinden.

Zu seinem Stolze gesellte sich auch noch Eitelkeit; man durfte nicht anders als kniend mit ihm sprechen. Selbst die Theilhaber seiner Grausamkeiten zitterten vor ihm, und der treuste Diener seiner königlichen Schandthaten, der Herzog von Alba, der einst unangemeldet in das Kabinet des Monarchen getreten war, mußte von ihm diese durchbohrenden Worte hören: „Eine Frechheit wie die Eurige verdiente das Beil.“

Er sezte seinen Fuß nie auf Gräber, weil man über der Grabschrift zuweilen ein Kreuz findet. Durch diese frömmelnden Mummereien schläferte er sein Gewissen ein. Er lies über 50000 Protestanten umbringen, und seine Kriege kosteten ihm, nach seinem eignen Geständniß, 564 Millionen Dukaten.

Ohngeachtet seines Eifers für die Lehrsäze der katholischen Religion, hatte er verschiedne Maitressen. Er lebte im Ehebruch mit Anna von Mendoza, deren [100] Gemahl er als Diener seiner Vergnügungen brauchte. Seine ganze Freigebigkeit theilte sich zwischen den Klöstern und seine Konkubinen. Uebrigens wandte er alles an, um seine natürlichen Töchter allen Augen zu verbergen. Er begrub sie lebendig in Klöstern, und seine tiefe Heuchelei lies es ihm nie an Kunstgriffen fehlen, seine Laster zu bemänteln.

Dieser Monarch kam an die Regierung in dem schönsten ruhmvollsten Zeitpunkt Spaniens, da der Stolz seines Volkes es über alle andere Völker erhob. Aber Philipp der Zweite vergas seine Stärke, und verschwendete an spizfündige Unterhandlungen, an Intriguen, die einander ewig durchkreuzten, eine wahre und ausgebreitete Macht. Diese unbeständige, hin und her schwebende Politik schickt sich für kleine Republiken, für eingeschränkte Staaten; aber große, wichtige Reiche müssen diesen Kunstgriffen entsagen; kühne Gedanken allein und die Gewalt der Waffen müssen sie zu ihrem Zweke führen.

Die Verstellung ist freilich einem Fürsten zuweilen nöthig: die Leidenschaften um ihn herum sind zu heftig, als daß er ihnen immer offen entgegenwürken könnte. Aber Philipp der Zweite übte Betrug, nicht Verstellung. Er war für diesen großen Zeitpunkt nicht geboren; Spanien brauchte einen tiefblikenden Geist; Philipps Geist war blos verschlagen.

[101] Er war es, der den Gebrauch Spionen zu besolden, welche sich in die verborgensten Intriguen zu schleichen wußten, zu einem Theil der Regierungskunst machte. Diese unruhige, kleine Neugierde ziemt einem großen Fürsten nicht. Die verborgnen Handlungen der Menschen gehen ihn nichts an; er darf nur Fälle bemerken, die der Ruhe des Staats drohen.

Eine große Begebenheit in seinem häuslichen Leben zieht noch jezt die Neugier der Welt auf sich. Von dem Verbrechen, daß er seine Gemahlinn vergiftet haben soll, sprechen ihn viele Geschichtschreiber frei, und versichern, daß Elisabeth über den Kummer starb, den ihr Dom Karlos Tod verursachte. Nichts ist aber gewisser, als daß Philipp Mörder seines Sohnes war. Er lieferte seinen Sohn dem Haß der Inquisition aus, und Philipp und die Inquisition waren Eins.

Dieser Monarch, dessen blutige Regierung vier und vierzig Jahre gedauert hatte, starb ruhig in dem Alter von vier und siebenzig Jahren. Zwei Tage vor seinem Tode sah er die Himmel offen. Er blieb bei einer schreklichen langwierigen Krankheit standhaft und unerschüttert; er empfieng das heilige Sakrament vierzehnmal eh er den Geist aufgab: sein Gewissen warf ihm nichts vor.

Wer möchte es wohl unternehmen, über die Frömmigkeit dieses Königs ein Urtheil zu fällen! Sollte es möglich seyn, daß er wirklich ein rechtschaffener Mann [102] war? Wäre das, so war seine fromme Raserei freilich unheilbar, aber dann verdienen seine ungeheure Maximen unsern Unwillen mehr als unsern Abscheu. Doch ist es mehr als zu wahrscheinlich, daß er sich der Religion nur als eines Schleiers bediente, seine unrechtmäßigen Handlungen in dieser heiligen Hülle vor den Augen der Welt zu verbergen.




Im Abregé chronologique de l’ Histoire d’ Espagne, findet sich folgender Abriß von Philipp dem Zweiten, dessen Mittheilung dem Leser nicht unangenehm sein wird.

„Er war von mittelmäßiger, aber wohl proportionirter Statur – von breiter Stirne blauen Augen, standhaftem Ansehen, und einer ernsthaften gravitätischen Miene. Religionseifer, Stolz und Härte machten die Grundzüge seines Charakters aus. Er würde mit kaltem Blut und mit Gelassenheit die Kezer bis auf den lezten Mann ausgerottet haben. Um die Staatsangelegenheiten bekümmerte er sich so sehr, als ein Fürst nur thun konnte, er gieng in die geringsten Kleinigkeiten der Verwaltung hinein. Er sezte aus seinem Kabinet alle Triebfedern der grausamsten Staatskunst in Bewegung, er wollte für sich allein, ohne Bundsgenossen handeln. Er war undurchdringlich, mißtrauisch, voll Verstellung und Rachsucht; er achtete nichts, sobald es auf Ausführung seiner Anschläge ankam; nichts schröckte ihn – er schien über alle Vorfälle erhaben [103] und hörte glückliche und unglückliche Zeitungen mit der nämlichen ernsten Gelassenheit an. Seine Schwärmerei war kalt – er wollte nur eine Leidenschaft – den Schrecken einflößen. Seine Befehle waren wie die Aussprüche des Schicksals, die ohne menschliche Kräfte vollstreckt werden, und unwiderruflich sind. Das Blut seiner Unterthanen ließ er stromweiß fließen, die Flamme des Kriegs verbreitete er über alle benachbarte Staaten, stets war er bewaffnet, seine Unterthanen oder Feinde zu schlagen. Selbst sein Sohn, der damals einzige Erbe seiner Staaten, konnte sein unbiegsames Herz nicht bewegen. Wenn die Beledigung geschehen war, so war die Strafe nothwendig. Nie schmeckte er die Wollust zu vergeben; in einer zwei und vierzigjährigen Regierung genoß er die Süßigkeit des Friedens auch nicht einen Tag. Seine Minister, seine Generale, seine Günstlinge näherten sich ihm nicht anders als zitternd, redeten nicht anders als knieend und mit der größten Behutsamkeit mit ihm. Er foderte dieses ernsthafte Ansehen auch von seinem Volk. Das schreckliche Inquisitionsgericht wachte unaufhörlich, jene unschuldige Freude, die den Reiz der Freiheit ausmacht, aus seinen Staaten zu verbannen. Er besaß alle Eigenschaften zu einem großen Staatsmann – einen lebhaften Geist, ein erstaunendes Gedächtniß, eine unermüdete Arbeitsamkeit; er wußte die Menschen vollkommen zu beurtheilen, und nach ihren Talenten zu gebrauchen. Er war gerecht, großmüthig, an seinem Hofe prächtig, in seinen Anschlägen [104] beherzt, in ihrer Ausführung unerschüttert. Seine unbeugsame Strenge brachte die Niederlande zum Abfall – er schwächte seine Staaten durch Vertreibung der Mauren, und durch sein barbarisches Verfahren gegen die Ketzer. Die Schätze der neuen Welt und seine Einkünfte mußten seinem Hasse und seiner Rache dienen, und seine Politik machte nur Elende. Mit weit geringerer Bemühung, Geist und Gaben würde er mächtiger, reicher, größer, mehr geehrt und geliebt worden seyn, hätte er nur jene sanften Tugenden besessen, die einen guten König vollenden.“


Anmerkungen:
  1. Precis historique zu seinem Protrait d. Philippe second.
  2. Diese merkwürdige Begebenheit hat ein Dichter jener Zeit in folgender Ode besungen:

    Die unüberwindliche Flotte.

    Sie kömmt – sie kömmt des Mittags stolze Flotte,
         das Weltmeer wimmert unter ihr,
    mit Kettenklang und einem neuen Gotte
         und tausend Donnern, naht sie dir –

    5
    Ein schwimmend Heer furchtbarer Citadellen

         (der Ocean sah ihres gleichen nie)
    unüberwindlich nennt man sie,
         zieht sie einher auf den erschroknen Wellen;
    den stolzen Namen weiht

    10
         der Schreken, den sie um sich speit.


    Mit majestätisch-stillem Schritte
    trägt seine Last der zitternde Neptun,
         Weltuntergang in ihrer Mitte,
    naht sie heran und alle Stürme ruhn.

    [77]
    15
         Dir gegenüber steht sie da,

    Glükselge Insel – Herrscherin der Meere,
    dir drohen diese Gallionenheere,
         großherzige Britannia.
    Weh deinem freigebohrnen Volke!

    20
    Da steht sie, eine wetterschwangre Wolke.


    Wer hat das hohe Kleinod dir errungen,
         das zu der Länder Fürstin dich gemacht?
    Hast du nicht selbst von stolzen Königen gezwungen,
         der Reichsgeseze weisestes erdacht,

    25
    das große Blatt, das deine Könige zu Bürgern,

         zu Fürsten deine Bürger macht?
         Der Segel stolze Obermacht
    hast du sie nicht von Millionen Würgern
         erstritten in der Wasserschlacht?

    30
    Wem dankst du sie – erröthet Völker dieser Erde –

    wem sonst als deinem Geist und deinem Schwerde?

    Unglükliche – blik hin auf diese feuerwerfenden Kolossen,
    blik hin und ahnde deines Ruhmes Fall,
         bang schaut auf dich der Erdenball,

    35
    und aller freien Männer Herzen schlagen,

    und alle gute schöne Seelen klagen
         theilnehmend deines Ruhmes Fall.

    [78]

         Gott der Allmächtge sah herab,
    sah deines Feindes stolze Löwenflaggen wehen,

    40
         sah drohend offen dein gewisses Grab –

    Soll, sprach er, soll mein Albion vergehen,
         erlöschen meiner Helden Stamm,
    der Unterdrükung lezter Felsendamm
    zusammenstürzen, die Tirannenwehre

    45
    vernichtet sein von dieser Hemisphäre?

         Nie, rief er, soll der Freiheit Paradies,
    der Menschenwürde starker Schirm verschwinden!
         Gott der Allmächtge blies,
    und die Armada flog nach allen Winden.

    Die zween leztern Verse sind eine Anspielung auf die Medaille, welche Elisabeth zum Andenken ihres Sieges schlagen ließ. Es wird auf derselben eine Flotte vorgestellt, welche im Sturm untergeht, mit der bescheidenen Inschrift: Afflavit Deus et dissipati sunt.

  3. Vorlage: jene (Berichtigung. Siehe Heft 3, S. 140)
  4. Vorlage: einem Wollen (Berichtigung. Siehe Heft 3, S. 140)