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Norddeutsche Wasserstrassen

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Textdaten
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Autor: Otto Blum
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Titel: Norddeutsche Wasserstrassen
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Zweiter Band: Die Aufgaben der Politik, Zehntes Hauptstück: Der öffentliche Verkehr, 48. Abschnitt, S. 274−277
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
Entstehungsdatum: {{{ENTSTEHUNGSJAHR}}}
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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Quelle: Commons
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[274]
48. Abschnitt.


a) Norddeutsche Wasserstrassen.
Von
Dr.-Ing. Otto Blum,
o. Professor an der Technischen Hochschule Hannover.


Das Netz der Wasserstrassen Norddeutschlands erhält seine charakteristischsten Züge durch den Verlauf der vier Ströme Rhein, Weser, Elbe, Oder, die sämtlich von Südost nach Nordwest fliessen und damit diese Verkehrsrichtung gut bedienen. In diesem Zusammenhang bleiben Ems und Weichsel zunächst ungenannt, weil sie keine selbständige Bedeutung haben. Von wesentlicher Wichtigkeit ist ferner, dass durch Rhein, Elbe und Oder auch Süddeutschland und die Schweiz und Böhmen-Oesterreich mit Norddeutschland und mit deutschen Seehäfen verknüpft werden. Damit stärken diese Ströme die Nord- und Ostsee im Gegensatz zum Mittelländischen Meer, denn der Wall der Alpen drängt Nordösterreich, Nord-Ungarn und den wirtschaftlich wichtigsten Teil der Schweiz vom Mittelmeer ab, während die deutschen Ströme diese Länder mit den deutschen Meeren verbinden.

Bei dem Verlauf der Ströme von SSO nach NWN könnte der Gedanke nahe liegen, dass der Ost-West-Verkehr erschwert sei. Das ist aber nur in einem kleinen Gebiet der Fall, nämlich in dem Hügelland, das etwa zwischen Köln und Halle liegt. Im übrigen legt der Charakter Norddeutschlands als einer grossen Tiefebene dem Verkehr nirgendwo Fesseln auf, die nicht mit geringen Mitteln gesprengt werden könnten. Zunächst ist für den Ost-Westverkehr durch die Nord- und Ostsee eine denkbar günstige Wasserverbindung gegeben, deren Wert durch den Nord-Ostsee-Kanal noch gesteigert wird. Sodann sind im Binnenland mehrere ost-westlich gerichtete Wasserläufe vorhanden: die Warthe-Netze, die Havel-Spree, die Mosel-Lahn, der Main und die Donau. Von diesen sind bisher allerdings noch nicht alle als Verkehrsstrassen anzusprechen, dagegen ist durch künstliche Wasserstrassen eine vollständige Ost-West-Durchdringung von der Oder bis zum Rhein vorhanden, bezw. im Bau mit Ausnahme der Strecke Hannover-Elbe. Bei der ganzen Betrachtung der Wasserstrassen kommt es aber gar nicht so sehr darauf an, welche durchgehenden Verbindungen vorhanden sind, als vielmehr darauf, in welcher Weise die wirtschaftlichen Zentren (des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft) untereinander und mit dem Meer verknüpft sind.

Die einzelnen Ströme können in ihrer Verkehrsbedeutung etwa wie folgt skizziert werden:

Die Weichsel fliesst nur auf eine kurze Strecke durch deutsches Gebiet, in Polen geschieht leider nichts für ihre Schiffbarmachung, sodass sie nur von Bedeutung für den Holz- und Getreideverkehr ist. Ihr Seehafen Danzig leidet sehr unter dem niedrigen Wirtschaftsstand Polens.

Die Oder zeigt eine Merkwürdigkeit: Ihr Oberlauf ist für die Schiffahrt wichtiger als der Unterlauf. Begründet ist das in der Lage des Oberschlesischen Kohlenbeckens, das gewaltige Kohlenmengen in Kosel der Oder zuführt, diese aber nicht nach Stettin sendet (denn dort herrscht die englische Kohle), sondern durch den Oder-Spree-Kanal nach dem grossen Zentrum Berlin. Damit erhält die Oder eine zweite Mündung, nämlich durch Spree und Havel zur Elbe und nach Hamburg. Das schwächt Stettin und die Ostsee und stärkt Hamburg und die Nordsee, die an sich schon die stärkeren sind. Man soll diese Kräfte aber nicht überschätzen, denn der Durchgangsverkehr über Berlin hinaus ist verhältnismässig recht schwach. – Zurzeit erhält der Unterlauf der Oder durch den sog. Grossschiffahrtsweg Berlin-Stettin eine künstliche Verlängerung, die nach Berlin, also auch wieder in den Machtbereich der Elbe führt. Dieser Weg wird Stettin stärken. Von den Nebenflüssen der Oder führen Netze und Warthe vor allem Holz herab; die Verbindung Oder-Weichsel [275] wird durch den Bromberger Kanal hergestellt, der vor allem für den Holztransport wichtig ist. – Im Quellgebiet der Oder und ihrer Nebenflüsse ist der Bau zahlreicher Talsperren im Gang, die die Hochwassergefahren einschränken, die Schiffahrt verbessern und Kraft liefern sollen. – In Österreich wird der Bau eines Donau-Oder-Kanals betrieben. Doch scheint nach eingehenden Berechnungen der Ausbau der Eisenbahnen vorteilhafter zu sein.

Die Elbe ist der zweit-wichtigste deutsche Strom. Ihr verdankt Hamburg, der grösste deutsche Hafen (der zweit-grösste in Europa, der viert-grösste der Welt) einen grossen Teil seiner Blüte. Verkehrspolitisch kann man auf der Elbe drei Hauptrichtungen unterscheiden: 1. Hamburg-Magdeburg und weiter elbaufwärts, 2. Hamburg-Berlin und unter Umständen bis nach Oberschlesien. 3. die sächsisch-böhmische Schiffahrt. Die Elbschiffe erreichen eine Grösse bis 1100 t, Schiffe von 1000 t bringen englische Kohle bis Berlin und machen sie dort stark wettbewerbsfähig. Geplant ist der Ausbau der Saale und der Anschluss von Leipzig. Durch den Elbe-Trave-Kanal ist Lübeck an die Elbe und damit an die Nordsee angeschlossen.

Die Weser hat ein wesentlich kleineres Hinterland als die Elbe, sie ist weniger wasserreich und fliesst bis zur Porta Westfalica in vielgewundenem Lauf durch Hügelland. Grosse Schiffe können auf ihr nur bei günstigem Wasserstand verkehren. Diese ungünstigen Verhältnisse machen sich besonders für Bremen sehr geltend, wobei noch zu beachten ist, dass das Wesergebiet in einem Teil des überseeischen Verkehrs von den belgischen und holländischen Seehäfen bedient wird. Die zurzeit im Bau befindlichen Arbeiten bezwecken: 1. die Verbindung des Wesergebietes mit dem Ruhrkohlengebiet durch den sog. Rhein-Leinekanal, der bis Hannover führt, 2. die Herstellung eines Grossschiffahrtsweges bis Minden, also bis zum Schnittpunkt mit dem genannten Kanal, wodurch Bremen Wasserverbindung mit Westfalen-Südhannover erhält, 3. die Verbesserung der Schiffahrt oberhalb Minden. Weitere Pläne beziehen sich auf die Kanalisierung der Werra, sogar auf die Verbindung Werra-Main. –

Die Ems mit dem Seehafen Emden hat eine ziemliche Bedeutung erhalten durch den Bau des Dortmund-Ems-Kanals, der eine „deutsche Rheinmündung“ sein könnte, wenn er nicht soviel Höhe überwinden müsste und wenn seine Schiffe nicht soviel kleiner wären als die Rhein- und die Rhein-Seeschiffe. Die Hauptbedeutung des Dortmund-Ems-Kanals liegt in der Verbindung des östlichen Teiles des Ruhrkohlenbezirks mit Emden. Die Entwicklung des Verkehrs auf dem Kanal und des Hafens Emdens kann nicht gerade als glänzend bezeichnet werden.

Der Rhein ist der wichtigste Strom nicht nur Deutschlands, sondern Europas und neben dem Seen-Gebiet Nordamerikas die wichtigste Binnenwasserstrasse der Welt. Zu beklagen ist, dass seine Mündung nicht deutsch ist, denn damit fällt ein gewaltiges deutsches Hinterland fremden Seehäfen zu; dass sein Oberlauf nicht in Deutschland liegt, wird auch in Zukunft kaum nachteilig werden. Die verkehrsgeographische Lage des Rheins kann man als geradezu einzigartig glänzend bezeichnen: er mündet in die Nordsee, den Knotenpunkt des Weltverkehrs, dem grössten Hafen der Welt (London) gegenüber, er durchströmt das wichtigste kontinentale Kohlenbecken, er verläuft nicht fern ab von zwei weiteren Becken (Aachen und Saar), er sendet nach Osten und Westen Lahn, Main und Neckar, Mosel und Saar aus, Rhône (Doubs) und Donau entspringen in seinem Machtgebiet, er stösst am weitesten nach Süden vor und zwar grade nahe der Stelle, an der das Hindernis der Alpen verkehrstechnisch am wenigsten schlimm ist, und an derselben Stelle stösst das Mittelländische Meer am weitesten nach Norden vor, sodass hier sein wichtigster europäischer Hafen – Genua – sich bildete; hier wohnt ausserdem am Rhein das arbeitsfrohe Volk der Schweizer, und jenseits der Alpen liegt die reichste Gegend Südeuropas, die Lombardei.

Nach der Grösse der Schiffe kann man den Rhein in folgende Strecken einteilen: 1. fahrbar für Seeschiffe bis Köln, ausnahmsweise sogar über Koblenz hinaus, 2. fahrbar für grosse Rheinschiffe (2000 t) bis Mannheim, 3. fahrbar für kleine Schiffe bis Strassburg (auch Basel).

An Verkehrsbeziehungen sind ausser dem sehr hochentwickelten Verkehr der Zwischenorte untereinander folgende Hauptgruppen zu unterscheiden: 1. vom Meer nach dem Ruhrkohlengebiet (Ruhrort, Rheinhausen, Walsum, besonders wichtig für die Eisenerzeinfuhr), 2. vom Meer nach dem Mittelrhein und Main bis ausschliesslich Mannheim, 3. vom Meer nach Mannheim, 4. von den Ruhrhäfen rheinabwärts zum Meer, 5. von den Ruhrhäfen rheinaufwärts bis Mannheim.

[276] Die Pläne zur Verbesserung des Rheins betreffen vor allem die Strecke von Mannheim aufwärts nach Basel und zum Bodensee. Man darf hoffen, dass die gemeinsame Arbeit des neuen Rheinstrom-Bauverbandes und der Schweiz diese Pläne bald verwirklichen wird; in Verbindung damit steht die Anlage grosser Kraftwerke am Oberrhein und die Bodensee-Abflussregulierung, die der Schiffahrt auf dem Rhein zugute kommen wird.

Die Nebenflüsse des Rheins haben noch nicht die Bedeutung als Schiffahrtsstrassen, die ihrer eignen Natur und der Macht des Rheins entspricht. Im Bau ist der Rhein-Herne-Kanal, der den Ruhrkohlenbezirk durchzieht und den Rhein an den Dortmund-Ems-Kanal und den „Mittellandkanal“ anschliessen wird; Lahn, Mosel und Saar harren noch der langerwogenen, heissumstrittenen Kanalisierung; der Main hat bisher Bedeutung nur bis Frankfurt, seine weitere Kanalisierung und die Verbindung mit der Donau durch einen Grossschiffahrtsweg ist das Streben Bayerns, das damit

Zusammenstellung:
Strombau-
verband
Zum Verband gehörige Flussstrecken Beteiligte Staaten Herzustellende Fahrinnen
Name Strecke
von bis
Staat Stimmen im Fluss Strecke
von bis
Tiefe (bezw. Schiffsgrösse)
Verwaltungs-
ausschuss
Strom-
beirat
Rhein Preussen 8 40 Rhein Konstanz–Strassburg  [1]
Rhein Konstanz–Niederl. Grenze Bayern 4 10 Rhein Strassburg–Sondernheim 2 m tief
Neckar Esslingen–Rhein Württembg. 3 8 Rhein Mannheim–St. Goar 2,50 m tief[2]
Main Bamberg–Rhein Baden 5 16 Neckar[3] Heilbronn–Rhein 2,20 m tief
Lahn Giessen–Rhein Hessen 4 10 Main[3] Aschaffenbg.–Offenbach 2,50 m tief
Mosel Metz–Rhein Elsass-Lothr. 3 8 Main Offenbach–Rhein Verbesserung der Kanalisierung
Saar Brebach–Mosel zus. 92
Weser Preussen 4 9 Weser Münden–Karlshafen 1,10 m tief[4]
Weser Münden–Bremen[5] Oldenburg 1 2 Weser Karlshafen–Minden 1,25 m tief
Fulda Kassel–Münden Braunschw. 2 4 Weser Minden–Aller 1,50 m tief
Werra Falken[6]–Münden Lippe 1 6 Weser Aller–Bremen 1,75 m tief
Aller Leinemündung–Weser Bremen 3 [7]+2 Aller Leine–Weser 1,50 m tief[8]
zus. 24
Elbe Preussen 5 20
Elbe Oesterreichische Grenze–Hambg.[9] (Harburg) Sachsen 4 14 Elbe oberhalb Saale 1,10 m tief
Meckl.-Schw. 1 2 unterhalb Saale 1,25 m tief
Anhalt 2 10
Saale Weissenfels–Elbe Hamburg 3 [10]+6 Saale Kreykau[11]–Halle f. 400-t Schiffe
zus. 56 Halle–Elbe

Vorstehende Zusammenstellung ist der „Verkehrstechnischen Woche“ 1912, S. 312 entnommen.

[277] insbesondere im Kohlenbezug wesentlich günstiger gestellt wird; um die Kanalisierung des Neckars ist Württemberg bemüht. Die Frage der Schiffbarmachung des Rheins (oberhalb Mannheim), des Mains und Neckars sind aber Fragen, die in das Kapitel „Süddeutsche Schiffahrtspläne“ gehören.

Als wichtigste Fragen des Ausbaus der norddeutschen Wasserstrassen darf man, abgesehen von den im Bau befindlichen Kanälen, bezeichnen: die Kanalisierung von Mosel und Saar, das Schlussstück des Mittellandkanals (Hannover-Elbe), die Verbesserung der mittleren und oberen Elbe (nebst Saale).

Durch das inzwischen erlassene Reichsgesetz für den Ausbau der deutschen Wasserstrassen sind viele, bisher heiss umstrittene Fragen geklärt worden. Durch das Gesetz werden für Rhein, Weser und Elbe „Strombauverbände“ geschaffen und es wird ein Programm für den künftigen Ausbau aufgestellt. Die wichtigsten Angaben hierüber enthält die vorstehende Zusammenstellung.





  1. Ausgestaltung nach Massgabe von Staatsverträgen, die zwischen den an dieser Stromstrecke und am Bodensee beteiligten Verbandsstaaten abzuschliessen sind.
  2. Nach dem gleichwertigen Wasserstand des Jahres 1908.
  3. a b Kanalisierung.
  4. Bei „erhöhtem Mittelkleinwasser“.
  5. Bis zur Kaiserbrücke.
  6. An der Grenze zwischen Weimar und Preussen.
  7. Je eine Stimme für Schaumburg-Lippe und die Thüringischen Staaten.
  8. Bei „Mittelkleinwasser“.
  9. Bis zu den Eisenbahnbrücken bei Hamburg und Harburg.
  10. Je zwei auf Braunschweig, Lübeck und die Thüringischen Staaten.
  11. Bei Kreykau soll der geplante Verbindungskanal mit Leipzig einmünden.