MKL1888:Zinnchlorid
[924] Zinnchlorid (Zweifach-Chlorzinn) SnCl4 entsteht bei Einwirkung von Chlor auf Zinn oder Zinnchlorür und beim Erhitzen von schwefelsaurem Zinnoxyd mit Kochsalz. Es bildet eine farblose Flüssigkeit, raucht an der Luft sehr stark, spez. Gew. 2,234, wirkt höchst ätzend, ist noch bei −20° flüssig, siedet bei 120°, löst Schwefel, Jod und Phosphor, erstarrt mit wenig Wasser zu einer kristallinischen Masse (Zinnbutter) und löst sich in mehr Wasser. Lösungen von Z. erhält man auch beim Behandeln von Zinnsäure mit Salzsäure, von Zinnchlorürlösung mit Chlor, beim Behandeln einer mit Salzsäure versetzten Zinnchlorürlösung mit Salpetersäure, beim Lösen von Zinn in Königswasser. Letztere Lösung enthält auch Zinnchlorür und führt in der Färberei den Namen salpetersaures Zinn, Scharlach-, Zinnkomposition, Zinnsolution, Physik, Rosiersalz, Rosasäure. Statt dieser Lösungen von unsicherm Gehalt kommt jetzt häufiger Z. in fester Form in den Handel. Man erhält dies, indem man Zinnchlorürlösungen von 60° B. mit Salzsäure versetzt und bei 40° durch Salpetersäure oxydiert. Die Flüssigkeit erstarrt dann beim Erkalten zu Z. mit 5 Molekülen Kristallwasser. Man kann das Zinnchlorür auch durch Einleiten von Chlor oxydieren. Zur Darstellung von Z. aus Weißblechabfällen, welche 3–5 Proz. Zinn enthalten, soll man dieselben mit Chlor behandeln und das verflüchtigte Z. in Schlangenröhren verdichten. Die Lösung des Zinnchlorids gibt beim Verdampfen große, zerfließliche Kristalle mit 5 Molekülen Kristallwasser. Die verdünnte wässerige Lösung zersetzt sich beim Erhitzen unter Abscheidung von Zinnsäure. Die Dämpfe von Z. geben mit Wasserdampf bei Rotglut Zinnsäureanhydrid, mit Schwefelwasserstoff Zinnsulfid. Z. dient als Beize in der Färberei und Zeugdruckerei, zur Darstellung von Anilinblau und Farblacken, auch zum Verzinnen. Ammoniumzinnchlorid (NH4)2SnCl6 entsteht beim Vermischen konzentrierter Lösungen von Z. und Salmiak als farbloses kristallinisches Pulver, welches sich in 3 Teilen Wasser löst, in konzentrierter Lösung Siedetemperatur verträgt, dessen verdünnte Lösung aber beim Erhitzen Zinnhydroxyd abscheidet. Man benutzt es unter dem Namen Pinksalz als Beize in der Zeugdruckerei, wo die freie Säure enthaltende Zinnchloridlösung nicht anwendbar ist. Die erste Erwähnung des Zinnchlorids findet sich 1605 bei Libavius (daher Spiritus fumans Libavii), aber schon 1630 benutzten es die Holländer in der Kochenillefärberei.