MKL1888:Zeit
[845] Zeit (Tempus), eine der Reihenformen unsers Vorstellens, in welche sich der Stoff der sinnlichen Erfahrung bei der Auffassung notwendigerweise gruppiert. Während das Nebeneinanderliegende sich in räumliche Formen ordnet, ist die Z. die Form für die Auffassung dessen, was nacheinander geschieht. Aristoteles nannte sie das Maß der Bewegungen im Weltall; nach Kant sind Raum und Z. ursprüngliche, notwendige Formen der Erfahrung, welche nicht durch Abstraktion entstanden sind, auch nicht als allgemeine Begriffe zu denken, sondern als reine Anschauung a priori aufzufassen sind. Die Z. wird durch den stetigen Übergang von drei relativen Bestandteilen, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gebildet; ihr Gesamtbegriff heißt Ewigkeit (s. d.). Zur Messung der Z. dient die Rotation der Erde um ihre Achse (vgl. Sonnenzeit und Tag) sowie der Umlauf der Erde um die Sonne (vgl. Jahr). – Die katholische Kirche nennt die Zeiten, in welchen sie keine Hochzeiten und lärmenden Vergnügungen gestattet, die geschlossene Z. (s. d.) und teilt das Kirchenjahr in drei heilige Zeiten: die Weihnachtszeit, Osterzeit und Pfingstzeit. Die erste beginnt mit dem ersten Adventsonntag und endigt mit dem letzten Sonntag nach Epiphania; die zweite währt vom Sonntag Septuagesimä bis zum Himmelfahrtstag Christi, und die dritte fängt am Tag nach Christi Himmelfahrt an und endigt mit dem letzten Sonntag nach Pfingsten. – Über Physiologische Z. s. d. Vgl. Baumann, Die Lehre von Raum und Z. in der neuern Philosophie (Berl. 1868 bis 1869, 2 Bde.); Eyfferth, Über die Z. (das. 1871).