MKL1888:Zündhölzchen
[989] Zündhölzchen (Reibzündhölzchen), Stäbchen aus Holz, welche mit dem einen Ende in geschmolzenen Schwefel, Paraffin oder Stearinsäure und dann in eine Zündmasse getaucht wurden und sich nach dem Trocknen der letztern beim Reiben auf jeder rauhen Fläche oder auf einer Zündfläche von bestimmter chemischer Zusammensetzung entzünden. Man benutzt zu Z. meist Tannen-, Fichten-, Espen-, seltener Kiefernholz, welches in Würfel zerschnitten und dann in Stäbchen gespalten oder mittels eines eigentümlichen Hobels bearbeitet wird. Das passend geformte Eisen des Hobels enthält Löcher, deren vordere Ränder zugeschärft sind, und liefert daher, wenn man es gegen eine glatte Holzfläche führt, so viele runde Holzstäbchen (Draht), als das Eisen Löcher enthält. Auf einer andern Maschine werden die Stäbchen der Länge nach zerschnitten. Die Erzeugung der regelmäßigen runden Hölzchen ist mit einem enormen Holzaufwand verknüpft und daher nur bei sehr billigem Rohmaterial möglich. In Schweden zerschneidet man die Stämme in Klötze von 35–40 cm Länge, entrindet diese und verwandelt sie auf einer drehbankartigen Maschine, auf welcher sie zwischen zwei Spitzen eingespannt und in Rotation versetzt werden, durch ein seiner ganzen Länge nach angreifendes Messer in ein spiralförmig sich abwickelndes Band von der Stärke eines Zündhölzchens, während acht kleine Messer das Band in Streifen zerschneiden, deren Breite der Länge der Z. entspricht. Die Streifen werden endlich auf einer Maschine, die mit einer Häckselmaschine Ähnlichkeit hat, zu Z. zerschnitten. Vielfach hat man angefangen, in holzreichen Gegenden, wie im Bayrischen, Böhmischen und Thüringer Wald, in Schweden und Norwegen, Holzdraht zu hobeln, und gibt die fertigen Hölzchen an die Zündholzfabriken ab. Die geschnittenen Hölzchen gelangen auf eine Putzmaschine, wo sie sich durch Aneinanderreiben glätten, während der Staub durch Gebläsewind entfernt wird. Um die Hölzchen mit Schwefel und Zündmasse zu versehen, werden sie auf schmale, fußlange Brettchen, welche mit entsprechenden Rinnen versehen sind, gelegt und derartige auf der Unterseite mit Flanell bekleidete Brettchen zu einem Stapel aufgeschichtet, den man durch Schrauben zusammenhält. Durch diese Vorrichtung sind alle Hölzchen in gleicher Höhe und hinreichender Entfernung aneinander befestigt. Mit einer Maschine, welche dies Hölzchenstecken mechanisch ausführt, steckt ein Knabe in 10 Stunden 5–600,000 Z. Man schmelzt den Schwefel in einem flachen, genau horizontal stehenden Kasten, so daß er eine Schicht von 1 cm Höhe bildet, taucht die Rahmen mit den eingespannten Hölzchen ein und schleudert den überschüssig anhängenden Schwefel in den Kasten zurück. Sollen die Hölzchen mit Paraffin oder Stearin getränkt werden, so trocknet man sie scharf und taucht sie so lange in eine nur 3 mm hohe Schicht des geschmolzenen Fettes, daß dieses in das Holz eindringen kann. Auf 1 Mill. Hölzchen rechnet man etwa 8 kg Schwefel oder 3–3,5 kg Stearinsäure oder Paraffin. Die Zündmasse besteht aus einem Bindemittel (Dextrin, Senegalgummi, seltener Leim), welches zu einem dünnen Sirup gelöst, mit dem Phosphor bei etwa 50° innig verrieben und nach dem Erkalten mit den übrigen Bestandteilen gemischt wird. Die Mischung geschieht zum Schutz der Arbeiter vor Phosphordämpfen in geschlossenen Gefäßen, mit Anwendung von Ventilationsvorrichtungen und mit Maschinen, welche die Arbeit beschleunigen. Dieselben Vorsichtsmaßregeln kommen für das Eintauchen der Hölzer in Anwendung, wobei die Zündmasse in etwa 6,5 mm hoher Schicht sich auf einer Stein- oder Eisenplatte oder auf einem Lederpolster befindet. Der Phosphorgehalt der Zündmasse übersteigt bisweilen 17 Proz., doch genügen 5–7 Proz. vollständig. 1 Mill. deutscher Z. verbraucht etwa 500 g Phosphor. Alle phosphorärmern Mischungen enthalten sauerstoffabgebende Körper, wie Bleisuperoxyd mit Salpeter oder salpetersaurem Bleioxyd, auch Mangansuperoxyd und als Verdickungsmittel, welche die Reibung beim Streichen erhöhen sollen, Kreide, Zinkoxyd, Eisenoxyd, Bimsstein, Glas, Sand, Infusorienerde etc. Zusammensetzung einiger Zündmassen:
Phosphor | 5 | 5,5 | 4,5 | 2,75 | 1,5 |
Salpeter | 3 | – | – | – | – |
Mennige | 3 | 12 | 20 | 21 | 5 |
Salpetersäure | – | 4 | 10 | 12 | 2 |
Schwefelkies | 3 | 3 | – | 1 | – |
Braunstein | 3 | 5 | 3 | – | – |
Bleiweiß | – | – | 0,6 | 0,3 | – |
Bimsstein | 3 | 2 | 3 | – | – |
Kienruß | – | 0,5 | 0,25 | 0,25 | 0,25 |
Leim | 9 | 9 | – | – | – |
Gummi | 1 | – | 9 | 5,5 | 3 |
Terpentin | 0,5–1 | 0,5–1 | 0,5–1 | 0,5 | – |
Die betupften Hölzchen werden in geheizten Kammern getrocknet, dann aus den Rahmen genommen und mit Hilfe von Maschinen verpackt. Die „geruchlosen“ Z. (Iris-, Salonhölzchen) werden nach dem Trocknen mit gefärbten Harzlösungen überzogen; auch macht man sie durch Eintauchen in Harzlösungen, Kolophonium, geschmolzenes Paraffin etc. wasserdicht, oder man taucht sie in verdünnte Bleizuckerlösung und setzt sie dann der Einwirkung von Schwefelwasserstoff aus, um einen metallisch glänzenden Überzug von Schwefelblei zu erzielen. Um [990] den giftigen Phosphor zu verbannen, hat man zahlreiche Sicherheitszündmassen für Antiphosphorfeuerzeuge probiert. Von diesen muß man solche unterscheiden, welche auf jeder rauhen Fläche wie die gewöhnlichen Z. sich entzünden, und solche, die einer Reibfläche von bestimmter chemischer Zusammensetzung bedürfen. Zu den letztern gehören die schwedischen Z., welche in vorzüglicher Qualität zuerst in Jönköping dargestellt wurden. Sie bedürfen einer Reibfläche, welche roten Phosphor enthält, der bekanntlich die giftigen Eigenschaften des zu den gewöhnlichen Z. benutzten weißen Phosphors nicht besitzt, vielmehr so gut wie unschädlich ist. Die Zusammensetzung derartiger Z. und Reibflächen ist:
Zündmasse | Reibfläche | |||||||
a | b | c | d | 1 | 2 | 3 | 4 | |
Chlorsaures Kali | 11 | 10 | 6 | 11 | – | – | – | – |
Rotes chromsaures Kali | 2 | 1 | – | 2 | – | – | – | – |
Braunstein | 1 | 1 | – | 11 | – | 8 | – | 4,3 |
Schwefelkies | 1,5 | 2 | – | 1,5 | 7 | – | 7 | – |
Schwefelantimon | – | – | 2–3 | – | – | – | – | 16,4 |
Umbra | – | – | – | – | – | – | – | 1 |
Glaspulver | 1,5 | 2 | – | 1,5 | 3 | – | 3 | – |
Roter Phosphor | – | – | – | – | 9 | 10 | 9 | 10 |
Leim | – | – | 1 | – | 1 | 3–6 | 1 | 1,5 |
a Salonhölzer ohne Schwefel mit 3 Teilen Gummilösung; b für geschwefelte Hölzer; d mit 3 Teilen Gummilösung anzureiben und mit Firnis zu überziehen. 1 Reibfläche für alle Antiphosphorzündhölzer, 2 Reibfläche für c, 3 Reibfläche für d. |
Phosphorfreie Z., die sich auf jeder Reibfläche entzünden, haben noch keine große Verbreitung gefunden; man hat für dieselben sehr verschiedenartige Zündmassen zusammengesetzt, z. B. 8 Teile chlorsaures Kali, 8 Teile Schwefelantimon, 8 Teile oxydierte Mennige, 1 Teil Gummi; oder 7,8 Teile chlorsaures Kali, 2,6 Teile unterschwefligsaures Bleioxyd, 1 Teil Gummi; oder 4 Teile chlorsaures Kali, 1 Teil Schwefel, 0,4 Teil rotes chromsaures Kali; oder 3 Teile chlorsaures Kali, 0,25 Teil Goldschwefel; oder 8 Teile chlorsaures Kali, 0,5 Teil rotes chromsaures Kali, 8 Teile Schwefelantimon, 3 Teile salpetersaures Bleioxyd. Die Reibzündkerzchen gleichen vollständig den Z., nur haben sie statt des Holzdrahts einen dünnen Wachsstock. – Phosphorfeuerzeuge werden zuerst 1805 in Paris erwähnt, Derosne wandte 1816 Phosphormasse für Zündhölzer an, und Jones lieferte 1832 Reibzündhölzchen mit Schwefelantimon und chlorsaurem Kali, welche zwischen zwei rauh gemachten Papierstreifen hindurchgezogen wurden. Um diese Zeit aber tauchten in Österreich und Deutschland Phosphorstreichhölzer von so großer Vollkommenheit auf, daß sie alle andern Feuerzeuge schnell verdrängten. Preshel in Wien, Moldenhauer in Darmstadt und der Schwabe Kammerer waren die ersten Förderer der Reibzündhölzchenindustrie in Deutschland; ihre Fabrikate erschienen aber anfangs so gefährlich, daß sie in vielen Staaten verboten wurden. Erst nachdem Trevany 1835 das bis dahin angewandte chlorsaure Kali teilweise durch eine Mischung von Mennige und Braunstein, Preshel 1837 vollständig durch Bleisuperoxyd und 1840 durch die eingetrocknete Mischung von Mennige und Salpeter verdrängt hatte, begann der große Aufschwung der Zündwarenindustrie, welche sich seitdem namentlich in Österreich entwickelt hat. Die ersten brauchbaren Z. mit rotem Phosphor lieferte Hochstätter in Langen bei Frankfurt a. M. 1848 zeigte Böttger die Verwendbarkeit des im Vorjahr von Schrötter entdeckten roten Phosphors zu Reibflächen für phosphorfreie Z. Eine in Schuttenhofen gegründete Fabrik für Darstellung derartiger Z. mußte aber eingehen, weil das Publikum die Anwendung einer bestimmten Reibfläche zu unbequem fand. Erst als zehn Jahre später die Böttgerschen Hölzchen aus Schweden zu uns kamen, wurden sie bereitwillig acceptiert und schnell zur Modesache. Die Fabrik zu Jönköping produzierte 1872 über 128 Mill. Stück verschiedener Feuerzeuge, und der Gesamtexport Schwedens bezifferte sich 1874 auf 8,635,000 kg Zündhölzchenfabrikate im Wert von 4,800,000 Mk. Nach dem deutschen Reichsgesetz vom 13. Mai 1884 dürfen Z. unter Verwendung von weißem Phosphor nur in Anlagen angefertigt werden, welche ausschließlich für die Herstellung von Z. benutzt werden, also nicht in den Wohnungen von Hausindustriellen. Auch ist die Verwendung von Kindern und jugendlichen Arbeitern bei der Fabrikation von Z. nur in beschränkter Weise gestattet. Vgl. Wagner, Licht und Feuer (Weim. 1869); Jettel, Zündwarenfabrikation (Braunschw. 1871); Freitag, Zündwarenfabrikation (2. Aufl., Wien 1887); Kellner, Handbuch der Zündwarenfabrikation (das. 1886).
[838] Zündhölzchen (Hygienisches). Bei der Herstellung der Z. kommen, abgesehen von Schädigungen leichterer Art, welche durch das Schneiden des Holzes und den dabei entwickelten Staub sowie durch das Schwefeln hervorgebracht werden, namentlich die Phosphordämpfe in Betracht. Es ist notwendig, daß die Arbeitsräume voneinander getrennt werden, so daß die Phosphordämpfe wenigstens nicht unnötigerweise sich verbreiten. Zur Herstellung der phosphorhaltigen Masse sind geschlossene Apparate anzuwenden, der Phosphorgehalt der Zündmasse ist möglichst zu verringern und die Masse so zusammenzusetzen, daß sie kalt verarbeitet werden kann. Leider bietet die warm zu verarbeitende Leimmasse vor der kaltflüssigen Gummi- oder Dextrinmasse so große Vorteile, daß von ihrer Anwendung die Existenz mancher Fabriken abhängt. Dafür ist das Trocknen der leimhaltigen Masse weniger schädlich als das der gummihaltigen. Alle Arbeitsräume der Zündhölzchenfabriken müssen geräumig und mit guter Ventilation und Aspiratoren versehen sein. Als Schutzmaßregel gegen die Phosphordämpfe wird vielfach Terpentinöl zur Verdunstung gebracht, indem man dasselbe in Schalen aufstellt oder jedem Arbeiter einen Behälter mit Terpentinöl vor der Brust tragen läßt. In kleinern Fabriken und in der Hausindustrie treten Phosphorvergiftungen viel häufiger auf als in großen Fabriken, wo man namentlich für energische Ventilation besser sorgt. In Dänemark und in der Schweiz ist die Verarbeitung weißen Phosphors und die Einfuhr mit ihm hergestellter Z. verboten. In allen Kulturstaaten bestehen Verordnungen, welche die Anlage und Einrichtung von Zündholzfabriken und die Fabrikation der Zündhölzer mit weißem Phosphor im Interesse der Arbeiter regeln. Hierbei kommen besonders in Betracht: isolierte Lage der Fabriken, hohe Schornsteine, Isolierung der Arbeitsräume, in welchen auf jeden Arbeiter 10–12 cbm Luft entfallen müssen. Aufgenommen werden dürfen nur gesunde Arbeiter und Arbeiterinnen, welche namentlich an den Zähnen keinerlei Krankheiten zeigen. Die Leute sind unter Androhung sofortiger Entlassung zu verpflichten, jede Gesundheitsstörung, namentlich Schmerzen in Zähnen und Kiefern, sofort anzuzeigen. Erforderlich sind ferner: kleine Trockenkammern, die erst nach Abkühlung und Lüftung betreten werden dürfen; gute Gelegenheit zum Waschen der Hände; das Waschwasser ist im Fuchs einer Feuerung zu verdampfen. Die Arbeiter haben besondere Fabrikanzüge zu tragen. In den Arbeitsräumen darf nicht gegessen werden, vor dem Essen sind die Hände zu waschen, und der Mund ist mit übermangansaurem Kali zu spülen. Die Arbeiter müssen zeitweise mit der Arbeit wechseln, so daß sie nicht beständig den Phosphordämpfen ausgesetzt sind. Bei Erteilung der Konzession wird ein Maximalquantum des Phosphorverbrauchs pro Woche nach Maßgabe der Anzahl und Leistungsfähigkeit der Einlegemaschinen und der Kapazität der Trockenstuben festgesetzt. Die Fabriken, welche keinen weißen Phosphor verarbeiten, bieten sehr viel geringere Gefahren dar und erfordern nur die gewöhnlichen Schutzvorrichtungen.