MKL1888:Wirbelsäule
[684] Wirbelsäule (Rückgrat, Columna vertebralis, s. Spina dorsalis), die beim Menschen senkrecht stehende, leicht S-förmig gekrümmte, bei den übrigen Wirbeltieren mehr oder weniger geneigte oder horizontale Knochensäule, welche an ihrem einen Ende sich auf das Becken stützt und an dem andern den Schädel trägt. Sie dient dem Rumpf als feste Stütze und den Gliedmaßen als Anheftungsstelle. Bei den meisten Wirbeltieren (Fischen, Amphibien etc.) besteht sie aus einer sehr verschiedenen Anzahl von Knochenstücken, den Wirbeln (s. d.), bei den niedersten jedoch (Leptokardiern, Cyklostomen und einigen Fischen) und bei den übrigen während des Embryonallebens ist sie ein ungegliedertes Rohr, welches das Rückenmark umschließt (s. Rückensaite). Indem dieses Rohr erst verknorpelt und darauf zum Teil verknöchert, entstehen knöcherne Abschnitte, die Wirbel, welche durch knorpelig gebliebene, die Zwischenknorpel, voneinander getrennt sind und sich aneinander bewegen können (s. Tafel „Eingeweide des Menschen II“, Fig. 3). Bei niedern Wirbeltieren bleiben auch die Wirbel ganz oder teilweise knorpelig, zugleich besteht die Rückensaite noch in verschiedener Ausdehnung fort (s. Wirbel). Zur W. verbunden sind die Wirbel durch verschiedene Bänder, welche an der ganzen Länge derselben verlaufen und die Beweglichkeit der W. beschränken (s. Tafel „Bänder des Menschen“). In dem Raum zwischen dem Wirbelkörper und seinem dorsalen Bogen verläuft das Rückenmark und schickt zwischen je zwei Wirbeln durch seitliche Öffnungen rechts und links ein Nervenbündel in den Körper; bei vielen Wirbeltieren ist in ähnlicher Weise die Fortsetzung der Hauptschlagader des Körpers, die Schwanzarterie, in den aus den ventralen Bogen (Rippen im weitern Sinn) und den Wirbelkörpern gebildeten Kanal eingeschlossen. Die W. ist nicht in ihrer ganzen Länge gleichartig, vielmehr kann man an ihr schon bei den Fischen einen Rumpf- und Schwanzteil, bei den höhern Wirbeltieren einen Hals-, Brust-, Lenden-, Kreuz- und Schwanzabschnitt unterscheiden, welche mehr oder weniger scharf voneinander geschieden sind. Die Halswirbel tragen meist nur Reste von Rippen (im engern Sinn), welche entweder beweglich sind, oder mit den Wirbeln verschmelzen; bei den Säugetieren sind ihrer stets nur sieben vorhanden. Die Brustwirbel sind fast immer mit gut entwickelten Rippen versehen (Ausnahme: die Frösche), den Lendenwirbeln fehlen dieselben meist wieder; die Kreuzwirbel verschmelzen mit den Darmbeinen zum sogen. Kreuzbein (s. d.), an dessen Bildung jedoch auch noch Lenden- und Schwanzwirbel teilnehmen können (z. B. bei den Vögeln); die Schwanzwirbel endlich fehlen mitunter fast ganz und bilden dann das sogen. Steißbein (s. d.) oder sind in größerer Anzahl (bis zu mehreren Hunderten) vorhanden, tragen nie Rippen, sondern bilden zwischen ihren untern Bogen und den Körpern den sogen. Kaudalkanal zur Aufnahme der Schwanzarterie (die Einzelheiten s. bei den verschiedenen Gruppen der Wirbeltiere). – Die menschliche W. (s. Tafel „Skelett des Menschen I“) besteht aus 7 Hals-, 12 rippentragenden Brust-, 5 Lenden-, 5 Kreuz- und 4 Schwanzwirbeln. Im allgemeinen nehmen an ihr die Wirbel von vorn nach hinten an Größe und Gewicht zu (Höhe des 3. Halswirbels 14, des 5. Lendenwirbels 29 mm, Gewicht 7, resp. 32 g). Der 7. Halswirbel hat einen sehr stark hervorragenden Dornfortsatz. Die Länge der W. beträgt etwa zwei Fünftel von der Gesamtlänge des Körpers, also gegen 70 cm; ihre Krümmung ist bei Neugebornen kaum merklich und auch bei Erwachsenen nicht gleich. Der Wirbel- oder Markkanal (canalis vertebralis) für das Rückenmark ist mit 31 Paar Öffnungen zum Austritt der Nerven versehen und hat am 2. Halswirbel einen Querschnitt von etwa 380 und am 5. Lendenwirbel von 320, in der Mitte der Rückenwirbelsäule hingegen nur von 230 und am 3. Kreuzwirbel nur von 80 qmm Fläche.