MKL1888:Wettturnen
[576] Wettturnen. Während die griechische Gymnastik (s. d.) durchaus agonistischen Charakter trug, d. h. alle ihre Übungen auf einen Wettstreit um die beste Leistung hinzielten, hat die neuere Gymnastik die Leibesübung von vornherein mehr um der allseitigen Ausbildung des einzelnen willen gepflegt, und ganze Übungsgebiete derselben sind so für den Wettkampf ungeeignet. Doch führen zu einem solchen naturgemäß auch viele Übungen der Turnkunst, und daher sind diese besonders in den Rahmen öffentlicher Turnfeste aufgenommen worden. Während sich dies anfänglich auf einzelne und zwar meßbare Übungen, wie des Laufens, Springens, Werfens (Steinstoßens) und des Ringens, beschränkte, suchte man später eine möglichst vielseitige Leistungskraft zu ermitteln und zu erzielen durch Verbindung verschiedener Übungen zu einem Wettkampf. Dies geschieht entweder nach Art des griechischen Pentathlon (s. d.) durch fortschreitendes Ausscheiden der das Mindeste leistenden Kämpfer bei den aufeinander folgenden Übungen oder durch in Zahlen (Punkten) erfolgende Beurteilung der Einzelleistungen durch Kampfrichter mit darauf folgender Berechnung des Gesamtergebnisses. Letzteres Verfahren hat, insbesondere zur Vereinigung von Leistungen in dem Kunstturnen an den Geräten und in den volkstümlichen Übungen, nach dem Vorbild der Schweizer W. die deutsche Turnfestordnung gewählt, die 1879 beschlossen und nach den Erfahrungen der Turnfeste von Frankfurt und Dresden wiederholt revidiert worden ist. Sie ist abgedruckt im „Handbuch der deutschen Turnerschaft“ (3. Ausg., Hof 1888). In der Schweiz hat man seit 1860 auch ein W. ganzer Abteilungen im sogen. Sektionswettturnen. Dem entspricht einigermaßen, daß sich die auf den deutschen Festen auftretenden Musterriegen der Beurteilung von Kampfrichtern zu unterziehen haben. Die Preise für das W. auf deutschen Turnfesten dürfen nur in Ehrenurkunden und außerdem in Kränzen für die besten Sieger bestehen.