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MKL1888:Wechselfieber

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wechselfieber“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 463464
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Wechselfieber. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 463–464. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wechselfieber (Version vom 21.03.2025)

[463] Wechselfieber (kaltes Fieber, Malaria, Febris intermittens), Fieber, bei welchem in mehr oder weniger regelmäßigen Perioden die mit Frost, Hitze und Schweiß verbundenen Anfälle sich wiederholen, während sich der Patient in den fieberlosen Zwischenräumen verhältnismäßig wohl befindet. Der Verlauf der Krankheit ist folgender. Nach mehrtägigem allgemeinen Unbehagen, abwechselndem Frösteln und Heißwerden, Störung des Appetits und der Verdauung, Ziehen in den Gliedern etc., oder auch ohne daß solche Vorboten vorhergegangen sind, tritt der erste Fieberparoxysmus ein, indem der Kranke unter rascher Erhöhung der Temperatur des Rumpfes von einem heftigen Schüttelfrost befallen wird. Zugleich stellen sich heftiger Kopfschmerz, Brustbeklemmung, kleiner, beschleunigter Pulsschlag ein; der Frost steigert sich zum Schütteln des ganzen Körpers; die Haut fühlt sich kalt an, ist bleich, von Gänsehautbeschaffenheit; Lippen und Nägel sind blau, Hände und Füße kalt, der Harn blaß. Gleichzeitig ist objektiv eine zunehmende Schwellung der Milz nachzuweisen. Dies Froststadium dauert 1/2–3 Stunden. Allmählich verbreitet sich nun ein lebhaftes Hitzegefühl vom Gesicht und von den obern Körperteilen nach den untern und über die ganze Haut; es tritt Röte, Wärme und Schwellung der Haut ein; der Puls wird voller, der Harn dunkler, der Kopfschmerz heftiger; der Kranke klagt über Brustbeklemmung und Durst. Nachdem dies Stadium trockner Hitze eine bis mehrere Stunden gedauert hat, bricht Schweiß aus, der Kopfschmerz legt sich, das Atmen wird leicht, das Hitzegefühl schwindet, nur der Durst dauert fort; der erregte Puls beruhigt sich, der Harn wird noch dunkler und gesättigter; häufig versinkt der Kranke in einen wohlthätigen Schlaf, aus dem er mit verhältnismäßigem Wohlbefinden erwacht. Nachdem der ganze Fieberanfall 3–12 Stunden gedauert hat, folgt unter allmählicher Abschwellung der Milz ein mehr oder weniger fieberfreier Zwischenzustand, der nur durch Mattigkeit, Appetitlosigkeit und Verdauungsstörung die Fortdauer des Übels anzeigt. Denn nur ausnahmsweise beschränkt sich dasselbe auf einen einzigen Fieberanfall; meist tritt nach einer gewissen Zeit unter erneuter Anschwellung der Milz ein zweiter, nach gleicher Zwischenpause ein dritter, ein vierter etc. Anfall ein. Kehrt der Fieberanfall genau oder annähernd alle 24 Stunden wieder, so nennt man das Fieber eintägig, Quotidianfieber; tritt er alle 48 Stunden oder jeden dritten Tag auf, so heißt das Fieber dreitägig, Tertianfieber; erfolgt er jeden vierten Tag, so bezeichnet man das Fieber als viertägiges, Quartanfieber. Sind die Perioden nicht genau 24-, 48stündig etc., so nennt man das Fieber anteponierend, wenn es um eine oder mehrere Stunden zu früh, postponierend, wenn es um dieselbe Zeit zu spät eintritt. Das W. ist eine endemische, d. h. in gewissen Gegenden, vornehmlich in wasserreichen Niederungen, an den Ufern langsam fließender, häufig austretender Flüsse, an Flußmündungen, wo sich Seewasser und Flußwasser vermischen, in eigentlichen Sumpfgegenden etc., einheimische Krankheit; in der heißen Zone namentlich ist es von immenser Verbreitung; zuweilen zieht es als weitverbreitete Epidemie über ganze Länder hinweg [464] und verschont dann auch solche Gegenden nicht, wo es sonst ganz unbekannt ist. Es ist zwar keine ansteckende, d. h. von Kranken auf den Gesunden übergehende Krankheit; wohl aber scheint die Disposition dazu eine allgemeine und weder durch Alter noch Geschlecht, auch nicht durch sonstige Körperkonstitution bedingt zu sein. Wahrscheinlich entsteht die Krankheit durch belebte Infektionsstoffe, welche, aus dem Boden stammend und der Luft sich mitteilend, in den menschlichen Körper eindringen. Muß man sich in einer Gegend, wo das W. einheimisch ist, aufhalten, so nehme man soviel wie möglich die Lebensweise der Eingebornen an, trinke an der Weichsel Branntwein, im Banat Slibowitz und in Italien viel Limonade und schwarzen Kaffee, lege des Abends wärmere Kleidung an, schütze sich möglichst vor der Nachtluft, schlafe nie bei offenen Fenstern, vermeide den Aufenthalt in der Nähe von Sümpfen, aber auch alle Diätfehler und sonstigen Exzesse, genieße kein frisches Obst, keine rohe Milch etc., hüte sich vor Durchnässung und Erkältung, bade und schlafe nicht im Freien, besonders nach Sonnenuntergang. Was die Behandlung anbetrifft, so gilt das Chinin als souveränes und geradezu spezifisches Heilmittel. Außerdem bekämpft man das W. mit Arsenik, Salicylsäure, Antifebrin etc. Um Rückfällen sicher vorzubeugen, wechsele man nötigen Falls die Wohnung oder selbst den Aufenthaltsort. Merkwürdig ist, daß die Empfänglichkeit für das W. sich durch wiederholtes Überstehen der Krankheit vermehrt. Wird die Krankheit nicht gründlich geheilt, so verbindet sich mit der zunehmenden Vergrößerung der Milz eine bleibende Funktionsstörung dieses Organs; Schwäche und Blutarmut des Kranken steigern sich; in der Leber und den Nieren entwickeln sich allmählich bleibende Gewebsstörungen; es entsteht unheilbares Siechtum mit schließlich tödlichem Ausgang (Malariakachexie). Während das gewöhnliche W. eine nicht gerade direkt lebensgefährliche Krankheit ist, kommen in heißen Ländern endemische oder epidemische Formen desselben vor, welche durch besondere Steigerung der Symptome, sei es seitens des Hirns oder des Darmkanals oder der Brustorgane, vielfach den Tod zur Folge haben; diese werden als perniziöses W. bezeichnet.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 981982
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[981] Wechselfieber (Malaria). Keine Krankheit besitzt eine so ungeheure Ausbreitung über die bewohnte Erdoberfläche wie das W. Es tritt am häufigsten und heftigsten in den Tropen auf, reicht aber, gegen die höhern Breitengrade an Extensität und Intensität abnehmend, als endemisches Leiden über die gemäßigten Zonen hinaus und tritt als Epidemie nicht selten in weiter Verbreitung auch in solchen Gegenden auf, in denen es nicht heimisch ist. Die berüchtigtsten Brutstätten der Malaria-Erkrankung auf dem europäischen Kontinent besitzt Italien in der römischen Campagna und den Pontinischen Sümpfen. Die Forschung nach der Natur des Malariagiftes datiert weit zurück. Lancisi bildete die Annahme spezifischer Gase als Erreger des Wechselfiebers zur förmlichen Theorie aus, und auch Boussingault suchte dieselbe durch den Nachweis von Schwefel- und Kohlenwasserstoffverbindungen in der Sumpfluft glaubhaft zu machen. Es ist indes eine feststehende Thatsache, daß keines der beschuldigten Gase auch nur ähnliche Krankheitserscheinungen hervorzurufen vermag. Mitchell sprach 1849 zuerst die Vermutung aus, daß Organismen an der Erzeugung des Wechselfiebers beteiligt seien. Man hat dann die Sporen einer Alge, das ätherische Öl der Rhizophoren, der Chara vulgaris, Anthoxanthum odoratum (Ruchgras), ein Sekret von Infusorien verantwortlich gemacht, bis Tommasi-Crudeli und Klebs 1879 einen Bacillus im Boden, im Sumpfwasser und in der Luft der römischen Campagna entdeckten, den sie als Erreger der Malaria ansprachen. Seine Sporen rufen, auf Tiere verimpft, deutliche Malaria-Erkrankung und die derbe, massige Anschwellung der Milz hervor, leider aber konnte der Bacillus niemals im Körper der malariakranken Menschen nachgewiesen werden. Schiavuzzi fand den Bacillus in der Luft bei Pola in größter Menge und zwar um so reichlicher, je höher die Intensität der Malaria stieg. Er wies auch nach der Impfung mit dem Bacillus schwarze Pigmentbildung in den roten Blutkörperchen und amöboide Degeneration derselben nach. Laveran hatte 1880 im Blute von Malariakranken eigentümliche protozoenartige Gebilde, „Malariahämatozoen“, gefunden, welche eine hyaline pigmentierte Masse darstellten und den roten Blutkörperchen anhängen sollten. Richard wies dann nach, daß dieselben sich im Innern der roten Blutkörperchen befinden, und Marchiafava und Celli entdeckten an diesen Gebilden, welche sie Plasmodium malariae nannten, Lebenserscheinungen, durch die sie sich als besonders organisierte Mikroben charakterisieren. Das Plasmodium ist unregelmäßig, verschiedengestaltig, blasser als die Blutkörperchen, zeigt amöboide Bewegungen und enthält braunrote bis schwarze Pigmentkörnchen mit Eigenbewegung. Andre Forscher haben diese Beobachtungen bestätigt, und Golgi hat festgestellt, daß die pigmenttragenden Körper eine vollständige Entwickelung durchlaufen und zwar in der fieberlosen Zeit zwischen zwei Anfällen. Diese Entwickelung verläuft so regelmäßig, daß man geneigt gewesen ist, für die verschiedenen Typen des Wechselfiebers verschiedene Erreger anzunehmen, zumal man auch morphologische Abweichungen bei den Plasmodien entdeckt haben wollte. Die Anhänger des Bacillus malariae sehen in den Plasmodien Degenerationsprodukte der roten Blutkörperchen, die neuesten Forschungen [982] indes sprechen doch zu gunsten der eigenartigen Natur derselben. Nur wird man zunächst verlangen müssen, daß dieselben künstlich gezüchtet werden, und daß durch Verimpfung der Reinkultur auf Tiere W. erzeugt wird. Gelingt beides, dann entsteht noch die Frage, ob nicht zwischen dem Plasmodium und dem Bacillus ein ätiologischer Zusammenhang besteht, dessen Aufdeckung den Streit vielleicht am ehesten entscheiden würde. S. auch Innere Medizin, S. 445, und Akklimatisation, S. 9.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 977
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[977] Wechselfieber, Bekämpfung, s. Wald, S. 968.