MKL1888:Wasserkrebs
[424] Wasserkrebs (Noma, Wangenbrand), eine eigentümliche Form des Brandes, welcher die Wangen und Nasengegend befällt und oft kolossale Zerstörungen anrichtet, wird fast ausschließlich bei Kindern beobachtet, welche unter schädlichen Einflüssen, bei unzureichender oder verdorbener Kost, in schlechten Wohnungen elend und kachektisch geworden sind, oder bei solchen, welche kurz vorher schwere Krankheiten überstanden haben und durch dieselben in hohem Grad geschwächt worden sind. Am allerhäufigsten tritt der W. nach überstandenen Masern und Scharlach auf. In nördlichen Ländern, namentlich in Holland, ist die Krankheit weit häufiger als im Süden, scheint übrigens niemals epidemisch aufzutreten. In den seltenen Fällen, wo der W. in Genesung ausgeht, werden die brandigen Massen abgestoßen, das Geschwür reinigt sich, und an Stelle des Substanzverlustes bildet sich ein erst weiches, dann fest und fibrös werdendes Narbengewebe. Fast immer bleiben Verwachsungen im Mund und oft die furchtbarsten Entstellungen des Gesichts zurück. Während sich meist ohne alle Schmerzen der Brand auf der innern Wangenfläche zu entwickeln beginnt, schwellen Wange und Lippen an, und die teigige Geschwulst breitet sich über die benachbarte Gegend aus. Meist am fünften oder sechsten Krankheitstag zeigt sich der Brand auch äußerlich am Gesicht und schreitet in den folgenden Tagen schnell nach allen Richtungen hin vorwärts. Bald liegen dann die Kräfte vollständig danieder, meist stellen sich Durchfälle ein, der Durst ist kaum zu löschen, die Haut erscheint kühl und trocken, der Puls klein und unfühlbar; das Kind geht endlich an Erschöpfung zu Grunde. Die Behandlung ist vorzugsweise eine allgemeine, kräftigende Diät, womöglich Aufenthalt in südlicherm Klima (Nizza, Meran), erst dann kann man von der örtlichen Behandlung, von Ätzungen mit dem Glüheisen, dauernden Erfolg erhoffen.