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MKL1888:Volksschriften

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Volksschriften“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Volksschriften“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 16 (1890), Seite 269
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Volksschriften. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 269. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Volksschriften (Version vom 30.05.2021)

[269] Volksschriften, im allgemeinen solche Bücher, welche die Belehrung und Unterhaltung der bildungsbedürftigen niedern Volksschichten zum Zweck haben. Die Anfänge dieser Litteratur finden sich bereits im 15. und 16. Jahrh. in den Volksbüchern (s. d.), in Flugschriften und fliegenden Blättern. Ihre eigentliche Blüte begann gegen Ende des 18. Jahrh., als gleichzeitig mit dem pädagogischen Philanthropismus das Bewußtsein zur Herrschaft gelangte, daß die geistige Bildung und sittliche Hebung der niedern Klassen über die Schule hinaus nicht bloß Sache der Kirche, sondern eine der wichtigsten Pflichten der gebildeten Gesellschaft überhaupt sei. Dieser Pflicht suchte man teils unmittelbar durch Belehrung über die Ergebnisse der Wissenschaft (Popularisierung der Wissenschaft), teils mittelbar durch anregende Unterhaltung zu genügen. Die Schriften der erstern Richtung, obgleich unter den Begriff der V. fallend, entziehen sich der zusammenfassenden Beurteilung, indem sie sich mehr an die einzelnen Wissenschaften anlehnen, deren Ausbreitung sie anstreben. Am fleißigsten und glücklichsten ist und wird in dieser Art das Gebiet der Naturwissenschaften angebaut (Roßmäßler, Bernstein, Grube, Brehm u. a.). Im engern Sinn versteht man unter V. solche Bücher, welche den breitern Schriften des Volkes gesunde geistige Nahrung in der Form erheiternder, aufklärender und sittlich hebender Unterhaltung bieten, mögen diese nun als einzelne Erzählungen u. dgl. oder als Zeitschriften und Sammelwerke auftreten. Als Urbild derartiger V. ist im Gebiet der deutschen Sprache Pestalozzis „Lienhard und Gertrud“ (1781) zu betrachten. Unter den Zeitgenossen und ersten Nachfolgern Pestalozzis ragen Salzmann und R. Z. Becker („Not- und Hilfsbüchlein“) hervor. Als andre Meister der volkstümlichen Unterhaltung sind vor allen J. P. Hebel („Schatzkästlein“), Zschokke, Jerem. Gotthelf (Bitzius), Berth. Auerbach, Schaumberger, Ferd. Schmidt u. a. zu nennen. Eine beliebte Form, dem Volk gute Lektüre darzubieten, ist, namentlich nach Andrés und Hebels Vorgang im Anfang des 19. Jahrh., die der Volkskalender geworden (vgl. Kalender, S. 385). An die Stelle der Aufklärungstendenz schob sich in den V. unsers Jahrhunderts mehr und mehr die christlich-religiöse; sie tritt besonders in den Schriften von G. H. v. Schubert, Caspari, Ahlfeld, Stöber, Horn, Glaubrecht (Öser), E. Frommel u. a. in den Vordergrund. Unter den katholischen Verfassern sind L. Aurbacher, Alban Stolz, Herchenbach, Kolping, Konrad v. Bolanden (Bischoff) zu nennen. Der Verbreitung guter und billiger V. dienen außer den Volksbibliotheken besondere Volksschriftenvereine, welche durch Aussetzung von Preisen die Abfassung guter V. fördern helfen oder gegen bestimmten Jahresbeitrag V. und ganze Volksbibliotheken abliefern. Solche Vereine sind: der Zwickauer Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler V. (seit 1841), der Württemberger Volksschriftenverein (seit 1843), der Zschokke-Verein zu Magdeburg (seit 1844), der Norddeutsche Volksschriftenverein in Berlin, der Nordwestdeutsche Volksschriftenverlag in Bremen, die Niedersächsische Gesellschaft zur Verbreitung christlicher Schriften in Hamburg, der Österreichische Volksschriftenverein in Wien (1848), der Deutsche Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse in Prag (1869), der Verein zur Förderung des Volkswohls in Berlin u. a. Vgl. Auerbach, Schrift und Volk (Leipz. 1846); Bernhardi, Wegweiser durch die deutschen Volks- und Jugendschriften (das. 1852, Nachtrag 1854); Jannasch, Die Volksbibliotheken, ihre Aufgabe und Organisation (Berl. 1876); „Musterkatalog für Volksbibliotheken“ (1882 u. ö., hrsg. vom Gemeinnützigen Verein zu Dresden). S. auch Jugendschriften u. Bildungsvereine.