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MKL1888:Uri

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Uri“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 1112
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Uri. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 11–12. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Uri (Version vom 04.08.2022)

[11] Uri (engl. Oori), Fluß, s. Limpopo.

Uri, einer der drei schweizer. Urkantone, grenzt im O. an Glarus und Graubünden, im S. an Tessin, im W. an Wallis und Unterwalden, im N. an Schwyz und hat ein Areal von 1076 qkm (19,5 QM.). Das Ländchen bildet ein mit Hochgebirgen umrahmtes, nur unten offenes, streng gesondertes Hauptthal mit Nebenthälern. Die Gebirge der Westseite gehören dem östlichen Flügel der Berner Alpen an: Dammastock (3633 m), Sustenhorn (3511 m), Titlis (3239 m), Uri-Rothstock (2932 m), während die der Ostseite: Crispalt (3080 m), Piz Tgietschen (3300 m), Tödi (3623 m) u. a., im Zug der Glarner Alpen liegen. Beide Systeme verknüpft die Gotthardgruppe im S., wo die drei fahrbaren Übergänge des St. Gotthard (2114 m), der Furka (2436 m) und der Oberalp (2052 m) zu den Nachbarkantonen überleiten. Ein wilder Felskamm, am Vierwaldstätter See mit dem Axenberg endend, trennt U. von dem schwyzerischen Muotathal; über diesen Zug führt der rauhe Kinzigpaß. So eingerahmt, bildet U. das enge, rauhe Thal der obern Reuß, dessen Oberstufe das waldlose, alpengrüne Ursern ist, während zum eigentlichen U. eine Menge Nebenthäler sich seitlich öffnen: von der Linken das Göschenen- und das Mayenthal, von der Rechten das Maderaner und das Schächenthal (s. Reuß, Fluß). Das Klima ist im ganzen das rauhe der Gebirgsschweiz, erst im tiefern Reußthal mild. Im Hospiz des St. Gotthard (2100 m) beträgt das Jahresmittel −0,6° C., in Andermatt (1448 m) 3°, in Altorf (454 m) 9,4° C. Der Kanton zählt (1888) 17,285 Einw. Die Urner sind ein durchaus katholisches Völkchen deutschen Stammes (nur 392 Nichtkatholiken), ruhig, friedlich, wenig intelligent und fest am Althergebrachten hängend. Das Ländchen ist dem Bistum Chur zugeteilt; noch bestehen drei Klöster. In der Rinderzucht (12,193 Stück) beruht die Hauptkraft des Landes. Guter Käse, ebenso Häute, Talg und Butter kommen zur Ausfuhr; Ziegen (10,891) und Schafe (10,324) sind in großer Menge vorhanden, weniger Schweine. Auch Holz bildet einen namhaften Ausfuhrartikel, ebenso Kirschwasser und Enzianbranntwein. Der Feldbau ist unbedeutend, Weinbau unbekannt. Einen großen Transit, dem einst die Gotthardstraße diente, besorgt in erhöhtem Maß die Gotthardbahn. Dazu ist U. ein Land der Touristenwelt und der Kurorte, vom Seelisberg bis nach Ursern hinauf, wo zwei große Routen sich kreuzen. Amsteg und Ursern sind die Hauptplätze eines uralten Handels mit Bergkristallen und andern Mineralien. Dem konservativen Sinn der Bewohner entsprechen der niedere Stand des Schulwesens, die geringe Bedeutung der öffentlichen Bibliotheken (im ganzen kaum 10,000 Bände), der Mangel aller humanitären Institute sowie die Opposition gegen fortschrittliche Bestrebungen. Auf der Primarstufe zählt man 50 Lehrer und über 2200 Schüler, auf der Sekundarstufe 5 Lehrer und 60 Schüler. U. bildet eine der Landsgemeinde-Demokratien der Schweiz. Laut der Verfassung vom 6. Mai 1888 steht der Landsgemeinde die Legislative zu wie auch die Entscheidung über alle Staatsverträge und Konkordate, die Festsetzung der Landsteuer und die Bewilligung der Staatsanleihen. Das legislatorische Organ des Volkes ist der Landrat, der von den Gemeinden, je ein Mitglied auf 400 schweizerische Einwohner, auf je vier Jahre erwählt wird. Die Landsgemeinde wählt, ebenfalls auf vier Jahre, den Regierungsrat, d. h. die aus sieben Mitgliedern bestehende oberste Exekutive, deren Leitung dem Landammann übergeben ist. Das Kantonsgericht, der oberste Gerichtshof des Landes, zählt neun Mitglieder und wird auf vier Jahre ernannt. Der Kanton zerfällt in 20 politische Gemeinden; die Einteilung in die zwei Bezirke U. und Ursern ist gefallen. Ursern ist lediglich ein besonderes Kreisgericht und die selbständige Verwaltung der Korporationsgüter zugestanden. Hauptort des Kantons ist Altorf (s. d.). Die Staatsrechnung für 1887 ergibt an Einnahmen 304,202 Frank, an Ausgaben 293,389 Fr.; Ende 1887 betrugen die Aktiva des Kantons 144,028, die Passiva 1,046,972 Fr., was eine Landesschuld von 1,191,000 Fr. ergibt, die hauptsächlich von der Beteiligung des Kantons an der Gotthardbahn herrührt.

Geschichte. Das Thal U. wurde von Ludwig dem Deutschen 853 der von ihm gestifteten Fraumünsterabtei zu Zürich geschenkt. Dadurch gelangte U. unter die Gewalt der Reichsvogtei von Zürich. Nach dem Aussterben der Zähringer, welche dieselbe besessen hatten (1218), verlieh Friedrich II. die hoheitlichen Rechte über U. den Habsburgern; aber schon 1231 erwirkten sich die Urner von seinem Sohn König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit, welche ihnen 1274 auch von Rudolf von Habsburg bestätigt wurde. [12] Dennoch fühlten sie sich von seiten Österreichs bedroht und schlossen mit Schwyz und Unterwalden das ewige Bündnis vom 1. Aug. 1291. Im J. 1309 empfing U. von Heinrich VIII. die Bestätigung seiner Reichsfreiheit, wurde aber von Friedrich dem Schönen 1315 mit Schwyz und Unterwalden in die Acht erklärt und half den Sieg bei Morgarten erfechten (über die Sage von Tell und Geßler s. d.). Die Rechte der Abtei und der übrigen Grundherren wurden nach und nach losgekauft. Reibereien zwischen U. und Mailand führten seit 1403 zu einer Reihe von Feldzügen, deren Resultat die Erwerbung des Leventinathals als eines urnerischen Unterthanenlandes war (1440). In der Reformationszeit schloß sich U. stets der streng katholischen Politik von Schwyz und Luzern an. Nur unwillig fügte es sich der helvetischen Verfassung von 1798, welche es mit Schwyz, Unterwalden und Zug zu einem Kanton Waldstätten verschmolz. 1799 wurde das Thal durch einen Aufstand, den Soult mit großem Blutvergießen dämpfte, dann durch die Kämpfe der Franzosen unter Lecourbe und Loyson mit den Österreichern und hernach der Russen unter Suworow in eine Wüste verwandelt. Nachdem die Mediationsakte 1803 U. wieder als selbständigen Kanton, aber ohne das Livinenthal, hergestellt, nahm es stets Anteil an den Sonderbestrebungen der ultramontanen Kantone und machte im Sonderbundskrieg einen siegreichen Einfall in sein früheres Unterthanenland Tessin, kapitulierte jedoch nach dem Fall von Luzern (27. Nov. 1847). Am 5. Mai 1850 gab sich U. seine erste Verfassung, die es 1888 revidierte. Nachdem durch die eidgenössische Volksabstimmung vom 18. Mai 1879 das Verbot der Todesstrafe aus der Bundesverfassung entfernt worden, war U. der erste Kanton, der dieselbe wieder einführte. Vgl. Schmid, Geschichte des Freistaats U. (Zug 1788–90, 2 Bde.); Lusser, Der Kanton U. (St. Gallen 1834); Derselbe, Geschichte des Kantons U. (Schwyz 1862).