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MKL1888:Tierschutz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tierschutz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Tierschutz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 15 (1889), Seite 704705
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Tierschutz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 704–705. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tierschutz (Version vom 01.04.2024)

[704] Tierschutz, der Inbegriff aller Anordnungen und Bestrebungen, welche zum Zweck haben, den Tieren unnötige Quälereien zu ersparen. Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich bedroht (§ 360, Ziff. 13) „mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft denjenigen, welcher öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft quält oder roh mißhandelt“. Zur Verhütung einzelner Arten von Mißhandlungen der Tiere bestehen auch vielfach besondere Polizeivorschriften, wie z. B. bezüglich des Transports kleinerer Haustiere, des Bindens der Füße derselben, bezüglich der Hundefuhrwerke etc. In vielen Fällen ist es schwer zu erkennen, wann eine Handlung wirklich als eine strafbare Tierquälerei zu erachten ist; denn der Charakter, das Benehmen u. die Benutzungsweise der verschiedenen Tiere weichen wesentlich voneinander ab u. machen deshalb eine verschiedene Art in der Behandlung derselben, zumal bei Arbeitstieren, nötig. Um den Tieren eine humane Behandlung zu sichern, haben sich allenthalben Tierschutzvereine gebildet, wozu der verstorbene Hofrat Perner in München zuerst die Anregung gegeben hatte. Diese Vereine suchen Mitglieder in allen Schichten der Bevölkerung zu gewinnen und verpflichten dieselben, nicht nur selbst keinerlei Tierquälerei zu begehen und von ihren Angehörigen zu dulden, sondern auch andre davon abzumahnen und nötigen Falls polizeiliche Abhilfe zu veranlassen. Da in erster Linie schon bei der Erziehung der Kinder darauf hingewirkt werden muß, Mitgefühl für die Leiden der Tiere und Abscheu vor allen Handlungen zu erwecken, welche Tieren jeder Art unnötige Schmerzen verursachen, suchen diese Vereine durch Schriften und bildliche Darstellung auf die Jugend einzuwirken. Durch diese Tierschutzvereine sind schon manche tierquälerische Mißbräuche bei der Benutzung und Behandlung von Tieren abgestellt worden; ihren Bemühungen ist es unter anderm zuzuschreiben, daß mit Fußleiden und andern Gebrechen behaftete Pferde, anstatt noch länger herumgeplagt zu werden, zum Zweck des Fleischgenusses in Pferdeschlächtereien eine nutzbringende Verwendung finden, daß ferner unzweckmäßige Zuggeräte, wie das Doppeljoch, immer mehr außer Gebrauch kommen, bessere Schlachtmethoden angewendet werden, nutzlose und unsinnige Operationen, wie Stechen und Brennen des Gaumens sowie Nagelschneiden bei Pferden, Ohrenschneiden bei Hunden etc., immer seltener werden. Es bleibt für [705] den T. übrigens noch ein großes Feld der Thätigkeit, wenn er seine Aufmerksamkeit auch fernerhin auf entsprechendere Einrichtungen bei dem Transport der Tiere auf den Eisenbahnen, auf Verbesserungen der häufig noch unbeschreiblich schlechten Ställe sowie des unzweckmäßigen, zu schmerzhaften Fußleiden führenden Hufbeschlags etc. richtet. In Deutschland richtete sich die Agitation der Tierschutzvereine in letzter Zeit namentlich gegen die Vivisektion (s. d.). Auch wird eine Abänderung des deutschen Strafgesetzbuchs in dem Sinn angestrebt, daß zu dem Begriff der Tierquälerei nicht mehr das Requisit der Öffentlichkeit oder das Erregen von Ärgernis gehören soll. Der T. darf jedoch nicht in übertriebene Sentimentalität ausarten, die für zuweilen unvermeidliche Leiden der Tiere Ausdrücke des tiefsten Bedauerns findet und alles mögliche aufbietet, vermeintliche Tierquälereien abzustellen, während sie für Leiden der Menschen weniger empfindlich ist. Insbesondere kann der (bei Verleihung von Medaillen etc.) übertriebene Diensteifer niederer Polizeiorgane, in vielen an und für sich unschuldigen Handlungen Tierquälereien zu erblicken, zuweilen unangenehm werden und zu lästigen Plackereien führen. Im weitern Sinn erstreckt sich der T. auch auf die Verhinderung der Ausrottung oder der zu starken Verminderung gewisser Arten von Tieren, besonders nützlicher Vogelarten, der Fische etc., zu welchem Zweck besondere Polizeivorschriften zu erlassen sind. Dem T. gewidmete Zeitschriften erscheinen gegenwärtig in Berlin („Ibis“, seit 1872), Darmstadt (seit 1874), Stuttgart (seit 1875), Köln (seit 1877), Guben (seit 1881), Riga (seit 1885), Aarau (seit 1887).