MKL1888:Tempelherren
[582] Tempelherren (Templer, Tempelbrüder, Milites templi, Templarii), geistlicher Ritterorden, entstand zur Zeit der Kreuzzüge in Palästina, indem 1119 neun französische Ritter, an ihrer Spitze Hugo von Payens und Gottfried von St.-Omer, zu einer Gesellschaft zusammentraten, um zur Ehre der süßen Mutter Gottes Mönchtum und Rittertum miteinander zu verbinden und am Grab des Heilands sich zugleich dem keuschen und andächtigen Leben sowie der tapfern Beschirmung des Heiligen Landes und der Geleitung der Waller durch die gefährlichen und unsichern Gegenden zu widmen. Sie erhielten vom König Balduin II. einen Teil seiner auf dem Platz des ehemaligen Salomonischen Tempels erbauten Residenz und zur Beherbergung armer Pilger von den Kanonikern des Heiligen Grabes mehrere Gebäude in der Nähe und nannten sich daher T. oder Templer. Ihre Kleidung bestand in einem weißen leinenen Mantel mit einem achteckigen blutroten Kreuz und in einem weißen leinenen Gürtel; ihr Ordenssiegel zeigte den Tempel, später zwei Reiter (einen Templer und einen hilflosen Pilger) auf Einem Pferd. Papst Honorius II. erteilte dem Orden 1127 die Bestätigung. Bernhard von Clairvaux entwarf 1128 in Troyes die erste Ordensregel, welche den spätern Ordensstatuten (72 Artikel) zu Grunde lag, und schrieb eine Schrift zum Lob des Ordens („Liber de laude novae militiae ad milites templi“). Auf einer Reise in das Abendland bewirkte Hugo von Payens den Eintritt vieler Ritter in den Orden und die Schenkung reicher Besitzungen. Während sich der aristokratische Teil des Ordens dem Kampf gegen die Ungläubigen widmete, beschäftigte sich eine Anzahl von Brüdern mit dem religiösen Dienst, andre mit dem Pilgerschutz und der Pilgerpflege; aber erst bei der Revision der Statuten in der Mitte des 13. Jahrh. wurden die Ordensmitglieder förmlich in Ritter, Priester und dienende Brüder (Waffenknechte und Hausleute) eingeteilt. An der Spitze des Ordens stand der Großmeister (magister Templariorum), der fürstlichen Rang hatte, unter ihm die Großprioren, welche den Provinzen vorstanden, dann die Baillifs, Prioren und Komture. Der Großmeister hatte zur Seite das Generalkapitel oder an dessen Stelle den Konvent zu Jerusalem und durfte nur mit dessen Zustimmung über Krieg und Frieden, Käufe und Veräußerungen etc. beschließen. In den Provinzen des Ordens hatten die Vorsteher der einzelnen Landschaften ähnliche Kapitel zur Seite. Der Orden der T. entsprach am meisten dem Ideal des Rittertums und genoß deswegen besonders die Gunst der Großen, weshalb er sich rasch vermehrte und durch Schenkungen großen Besitz und Vorrechte erwarb. Um 1260 zählte er an 20,000 Ritter und besaß 9000 Komtureien, Balleien, Tempelhöfe etc. mit liegendem Besitz, der zehntfrei war. Unter den Nachfolgern Hugos von Payens (gest. 1136) in der Großmeisterwürde sind hervorzuheben: Bernhard von Tremelay, der 1153 bei einem Angriff auf Askalon fiel; Odo de Saint-Amand (gest. 1179), der viel für die Erweiterung der Macht des Ordens that; Wilhelm von Beaujeu, unter dem Akka, das letzte Bollwerk der Christen in Palästina, im Mai 1291 in die Hände der Sarazenen fiel, und Gaudini, unter dem sich der Orden nach Cypern zurückzog. Schon im 12. Jahrh. waren Klagen über Anmaßlichkeit, Treulosigkeit und [583] Ausschweifungen der T. laut geworden. Bibere templariter (saufen wie ein Templer) wurde fast sprichwörtlich gebraucht. Ohne Rücksicht auf die allgemeinen Interessen verfolgten sie aus Habgier und Herrschsucht eine nicht selten verderbliche Sonderpolitik. Oft standen sie mit den Sarazenen im geheimen Bunde, den Kaiser Friedrich II. wollten sie auf seinem Kreuzzug an dieselben verraten; mit den Johannitern lebten sie in beständigem, oft blutigem Streit, und von den Bischöfen wurden sie, weil deren Aufsicht seit 1162 vom Papst entzogen, ohnedies gehaßt. Dazu waren die Fürsten schon lange auf die Macht des Ordens eifersüchtig. Der Orden gab auch dem Neid und der Mißgunst aufs neue Nahrung, als er den Kampf gegen die Ungläubigen aufgab und 1306 unter dem Großmeister Jakob von Molay nach Paris übersiedelte, um sich anscheinend müßigem Wohlleben zu ergeben. Hiermit gab er sich in die Gewalt Philipps IV. von Frankreich, der nach den Schätzen des Ordens lüstern und wegen der Haltung desselben in seinem Streit mit Bonifacius VIII. und wegen seiner Unabhängigkeit gegen ihn erbittert war. Auf Grund der Aussagen zweier verdächtiger Männer erhob er gegen die T. die Anklage wegen Verleugnung Christi, Verehrung des Götzenbildes Baphomet (s. d.), Verspottung des Abendmahls, unnatürlicher Wollust etc., – Beschuldigungen, welche durch manche Umstände, durch frivole Äußerungen mancher Templer, durch frühere Anklagen seitens der Päpste, so 1208 Innocenz’ III. u. a., unterstützt werden, aber durch unwiderlegliche Zeugnisse noch nicht bewiesen sind. Namentlich ist die Behauptung von einer förmlichen ketzerischen Geheimlehre der T. (vgl. Prutz, Geheimlehre und Geheimstatuten des Tempelherrenordens, Berl. 1879), wonach sie an einen Doppelgott, den wahren himmlischen und den andern, der die Freuden der Welt erteile, geglaubt und letztern im Bild eines aus edlem Metall geformten Menschenkopfs verehrt hätten, keineswegs unbestritten. Am 13. Okt. 1307 wurden die T. in Frankreich mit ihrem Großmeister verhaftet. Gleichzeitig begann die Einziehung ihrer Güter. Man erpreßte von den Rittern durch die Folter Geständnisse, die dann als unverwerfliche Beweise der Strafbarkeit aller Mitglieder angesehen wurden. Nicht bloß die Reichsversammlung in Tours, auch Papst Clemens V. erklärte die Anklage gegen die T. für begründet und befahl 12. Aug. 1308 überall das gerichtliche Einschreiten gegen sie. Der Prozeß dauerte bis 5. Juni 1311, worauf dann das Konzil von Vienne das Urteil fällen sollte, aber zu fällen sich weigerte. Noch vor dem Schluß der Akten ließ Philipp 54 Ritter verbrennen (12. Mai 1310), denen die Folter kein Geständnis abgezwungen hatte. Papst Clemens V. hob den Orden durch eine Bulle vom 22. März 1312 auf, ohne jedoch ein Verdammungsurteil zu wagen. Der Großmeister wurde mit dem 80jährigen Großprior Guido von der Normandie und mehreren andern Rittern auf einer Insel der Seine zu Paris 18. März 1313 auf des Königs Befehl, weil er die auf der Folter erzwungenen Geständnisse öffentlich zurückgenommen, bei langsamem Feuer verbrannt. Die Güter der T. wurden in Frankreich, in Kastilien und einem Teil von England von der Krone eingezogen, in Aragonien und Portugal aber dem Orden von Calatrava, in Deutschland den Johannitern und Deutschen Rittern überwiesen. In Portugal bestand der Orden unter dem Namen Christusorden, in Schottland unter dem Namen Ritter von der Distel fort. In der Mitte des 18. Jahrh. bemühten sich die Jesuiten, das auftauchende Freimaurerwesen mit dem alten Templerorden in Verbindung zu bringen, um den Bund in katholisch-hierarchischem Sinn zu lenken. So entstand der neue Templerorden in Frankreich, dessen Haupttendenzen die Bewahrung des ritterlichen Geistes und das Bekenntnis eines aufgeklärten, in der Zeitphilosophie wurzelnden Deismus waren, und dem die ersten Personen des Hofs und der Pariser Gesellschaft beitraten. Nachdem derselbe während der Revolution sich aufgelöst hatte, sammelte in den letzten Jahren das Direktorium seine Trümmer wieder, und man suchte nun dem Bund eine politische Richtung zu geben. Napoleon I. begünstigte ihn als ein Adelsinstitut. Die Restauration sah den aufgeklärte Tendenzen verfolgenden Bund zwar mit argwöhnischen Augen an, doch bestand derselbe fort. Die Philhellenenvereine fanden in ihm eifrige Teilnehmer. Nach der Julirevolution trat der Bund sogar in Paris wieder öffentlich hervor und zwar mit kommunistischen Tendenzen, und seine Mitglieder nannten sich Chrétiens catholiques primitifs. Seine Geheimlehre war in einem „Johannisevangelium“ zusammengefaßt. Der Orden erlosch 1837. Vgl. Wilcke, Geschichte des Ordens der T. (2. Ausg., Halle 1860, 2 Bde.); Michelet, Procès des Templiers (Par. 1841–51, 2 Bde.); Havemann, Geschichte des Ausgangs des Tempelherrenordens (Stuttg. 1846); Merzdorf, Geheimstatuten des Ordens der T. (Halle 1877); Schottmüller, Der Untergang des Templerordens (Berl. 1887, 2 Bde.); Prutz, Entwickelung und Untergang des Tempelherrenordens (das. 1888).