MKL1888:Tempel
[581] Tempel (v. lat. templum), bei den Völkern des Altertums ein der Gottheit geweihter Bezirk, dann das auf demselben stehende Gebäude, zur Aufnahme der Götterbilder, des Altars und der Priester, aber nur selten des Volkes bestimmt. Im Innern des eigentlichen Tempelhauses oder der Zelle (cella) stand die Bildsäule oder das Bild der Gottheit, welcher der T. gewidmet war, auf einem Postament an der dem Eingang gegenüberliegenden Mauer, vor ihm ein entweder runder oder viereckiger Opfer- und Betaltar. Die Decke bestand aus Holz, selten aus Stein und war gewöhnlich eben, später bisweilen auch gewölbt. Der Fußboden war anfangs aus Steinplatten, später aus Mosaik hergestellt. Die Säulen des Portikus schmückte man oft mit erbeuteten feindlichen Schilden. Stufen hatten die griechischen T. in der Regel, und zwar liefen sie stets ringsherum. Der dadurch geschaffene Stufenunterbau hieß Krepidoma. Der Platz um den T., soweit er der Gottheit geweiht war, hieß Peribolus. Mit einer Mauer umgeben, enthielt er Altäre, Statuen, Monumente aller Art. Über die T. der alten Ägypter s. Baukunst, S. 482, und über die der Inder s. Höhlentempel. Die Hebräer besaßen nur einen einzigen T., den berühmten T. zu Jerusalem, ihr Nationalheiligtum. Der erste T. (Salomonischer T.), von Salomo seit 990 v. Chr. auf dem Berg Moria mit Hilfe phönikischer Meister errichtet, war ein steinernes Gebäude von 60 Ellen Länge, 20 Ellen Breite und 30 Ellen Höhe, an drei Seiten mit Seitenzimmern umgeben, welche, in drei Stockwerken übereinander, zur Bewahrung der Schätze und Gerätschaften des Tempels dienten, an der vordern Seite aber mit einer 10 Ellen breiten Vorhalle geziert, welche von zwei ehernen Säulen, Jachin und Boas („Festigkeit und Stärke“), getragen wurde. Das Innere enthielt einen 40 Ellen langen Vorderraum, das Heilige, worin die goldenen Leuchter, der Schaubrottisch und der Räucheraltar standen, und einen durch einen Vorhang davon geschiedenen Hinterraum von 20 Ellen Länge, das Allerheiligste, mit der Bundeslade. Beide Räume waren an den Wänden, das Allerheiligste (Adyton) auch am Boden und an der Decke mit Holzwerk getäfelt. Letzteres war nur dem Hohenpriester, das Heilige nur den Priestern zugänglich. Das Tempelgebäude war von einem innern Vorhof der Priester mit dem Brandopferaltar, dem Reinigungsbecken und andern Gerätschaften umgeben und dieser durch Säulengänge mit ehernen Thoren von dem für das Volk bestimmten und von einer Mauer umschlossenen äußern Vorhof geschieden. Nachdem er 586 durch Nebukadnezar zerstört worden war, erhob sich an seiner Stelle nach der Rückkehr der Juden aus der Babylonischen Gefangenschaft der zweite, nach Serubabel genannte T., der wahrscheinlich wie auf der Stätte, so auch nach dem Plan des ersten errichtet und 516 vollendet wurde, diesem aber an Größe und Pracht nachstand. Durch Antiochos Epiphanes 169 entweiht, ward er von Judas Makkabäus wiederhergestellt und befestigt. Unter Herodes d. Gr. begann seit 21 v. Chr. eine gänzliche Umgestaltung des Tempels in großartigerm Maßstab im griechischen Stil (daher Herodianischer T.). Dieser Tempelbau war nach Josephus eine Stadie lang und eine Stadie breit. Im jüdisch-römischen Krieg, 70 n. Chr., war der T. die letzte Schutzwehr der Juden. Seit 644 steht auf der Tempelstätte eine Moschee. Die Aufzeichnungen über den Salomonischen Tempelbau finden sich, außer einzelnen Notizen bei Jeremias 52 und im 2. Buch der Könige 25, im 1. Buch der Könige, Kap. 5–7, und 2. Chron., Kap. 2–4. Vgl. Voguë, Le temple de Jérusalem (Par. 1864, Prachtwerk), außerdem die Schriften über den Salomonischen T. von Keil (Dorp. 1839), Bähr (Karlsr. 1848), Rosen (Gotha 1866), Fergusson (Lond. 1878), Spieß (Berl. 1881), Wolff (Graz 1887). – Die höchste künstlerische Ausbildung erfuhr der Tempelbau durch die Griechen, welche, von der einfachsten Form ausgehend, allmählich zu einer Anzahl von Typen gelangten, die nicht nur für die Römer maßgebend gewesen sind, sondern auch auf die Baukunst der neuern Zeit Einfluß geübt haben. Man unterschied die einzelnen Gattungen der T. entweder nach der Anordnung der Säulenstellungen vor und hinter der Tempelfronte oder an den Seiten des Tempels oder
1. Antentempel. | 2. Prostylos. | 3. Amphiprostylos. |
4. Peripteros. | 5. Dipteros. | 6. Pseudodipteros. |
nach der Zahl der Säulen an der Tempelfronte (vgl. auch Baukunst, S. 486). Die erstere Einteilung ist die geläufigere. Man unterschied demnach: 1) T. in antis (Antentempel), bei welchen zwischen den über den Haupteingang zur Cella vorgeschobenen Seitenmauern (antae) des Tempels zwei Säulen standen. Die dadurch gewonnene Vorhalle hieß Pronaos. Um die Cella auch von hinten zugänglich zu machen, wurde die Rückseite des Tempels später mit einer gleichen Anlage (Opisthodomos, Hinterhaus) versehen (Fig. 1). 2) Prostylos hieß der T., wenn die Stirnseiten der Seitenmauern bis zur Eingangsthür der Cella zurücktraten und die Vorhalle des Tempels allein durch Säulen getragen wurde (Fig. 2). 3) Der Amphiprostylos entsteht, wenn diese Säulenstellung sich am Hinterhaus des Tempels wiederholt (Fig. 3). 4) Der Peripteros ist die Erweiterung des Amphiprostylos durch eine Säulenhalle, welche um alle vier Seiten des Tempels als freier Umgang herumgeführt wird. Es ist die edelste Form des griechischen Tempelbaues, dessen klassisches Beispiel der Parthenon ist (Fig. 4). Eine römische Abart ist der Pseudoperipteros, bei welchem die Säulen in Form von Halbsäulen und Pilastern den Seitenwänden angefügt waren und das Gebälk trugen, [582] im wesentlichen also nur einen dekorativen Zweck hatten. 5) Der Dipteros entsteht, wenn um den T. eine doppelte Säulenstellung herumgeführt wird, also an der Vorder- und Rückseite vier Reihen von Säulen stehen (Fig. 5). Der Pseudodipteros (Fig. 6) unterscheidet sich von dem Dipteros dadurch, daß die innere Säulenstellung fehlt, aber der Zwischenraum zwischen der äußern Säulenstellung und der Cellawand der gleiche geblieben ist. Je nach der Zahl der Säulen an der Vorderseite, welche immer eine gerade war, unterscheidet man: Naos (T.) tetra-, hexa-, okta-, deka- und dodekastylos (d. h. 4-, 6-, 8-, 10- und 12säulige T.). Eine besondere Abart der T. waren die Rundtempel, welche bisweilen auch von Säulen umgeben waren und dann Monopteros hießen. Vgl. Nissen, Das Templum (Berl. 1869).
Tempel, 1) Abraham van den, holländ. Maler, geboren um 1622 zu Leeuwarden, war ein Schüler von Joris van Schooten in Leiden und daselbst bis 1660 thätig und starb 1672 in Amsterdam. Er hat Bildnisse und Porträtgruppen von vornehmer Auffassung, aber konventioneller Detailbehandlung gemalt. Gemälde von ihm befinden sich zu Amsterdam, im Haag, in Berlin, Kassel u. a. O.
2) Ernst Wilhelm Leberecht, Astronom, geb. 4. Dez. 1821 zu Niederkunnersdorf in der Oberlausitz, ließ sich als Lithograph in Venedig nieder und begann 1859 sich mit astronomischen Beobachtungen zu beschäftigen, wandte sich dann 1860 nach Marseille, wo er kurze Zeit an der Sternwarte, dann aber als Lithograph thätig war; 1870 als Deutscher vertrieben, ging er nach Italien, wo er anfangs an der Sternwarte in Mailand beschäftigt war, 1875 aber Observator an der Sternwarte zu Arcetri bei Florenz wurde; hier starb er 16. März 1889. T. hat sich namentlich durch zahlreiche Kometen- und Planetoiden-Entdeckungen und Beobachtung der Nebelflecke bekannt gemacht.