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MKL1888:Tapēten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tapēten“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Tapēten“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 15 (1889), Seite 515517
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Tapēten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 515–517. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tap%C4%93ten (Version vom 16.04.2023)

[515] Tapēten, Gewebe, Leder oder farbiges und gemustertes Papier zur Bekleidung der Wände. T. und Teppiche (v. lat. tapetum, griech. tapes, Decke) haben ihren gemeinsamen Ursprung im Zelte der wandernden Völkerschaften und gelangten aus diesem in die Wohnungen der seßhaften Völker. Tyros, Sidon und Pergamon waren im Altertum berühmt wegen ihrer Teppiche. Aus dem Orient, wo sich die Bildweberei und Stickerei schon früh zu hoher Vollkommenheit entwickelt hatte, brachten Araber diese Kunst nach Europa. Während man in Frankreich und Italien [516] die orientalischen Gewebe in Seide nachahmte, verarbeitete man in dem nördlichern Belgien nur Wolle und lieferte im 14.–17. Jahrh. namentlich in Antwerpen, Brüssel, Brügge, Courtrai gewirkte T. mit figürlichen Darstellungen nach Entwürfen hervorragender Künstler. Im 17. Jahrh. galten solche Wandteppiche, zu welchen selbst Rubens Vorlagen lieferte, und auf denen später mit Vorliebe Genrebilder von Teniers, Jagden u. dgl. m. nachgebildet wurden, als kostbares Besitztum. Sehr geschätzt waren die T. von Arras, unter denen diejenigen, welche Leo X. nach Kartons von Raffael anfertigen ließ, besonders berühmt geworden sind (vgl. Arrazzi). Neben den gewirkten T. fertigte man auch solche aus Seide oder Leinen, die mit Malereien oder Stickereien geschmückt wurden. Ein solcher Wandteppich befindet sich zu Bayeux in Frankreich (Departement Calvados), ein 70 m langer, 0,50 m hoher Leinwandstreifen, auf welchem in Stickerei mit Leinwandfäden die Eroberung Englands durch die Normannen dargestellt ist. Aus den Niederlanden gelangte die Teppich- und Tapetenweberei auch nach Frankreich (um 1550 Schule von Fontainebleau) und Deutschland, und unter Ludwig XIV. legte Colbert eine Teppichweberei in der Fabrik der Gebrüder Gobelin an, aus welcher die nach diesen Fabrikanten benannten Gobelins (s. d.) hervorgingen. Die Herstellung derselben (je nachdem die Kette senkrecht oder wagerecht aufgezogen wird, Hautelisse- oder Basselisseweberei genannt) ist ungemein mühsam und gleichsam ein Sticken oder Malen mit dem Faden. Auf die Kette des leinwandartigen Gewebes wird das auf durchsichtiges Papier gezeichnete Muster gelegt und mit Punkten auf die Kette übertragen, worauf jede Farbe, welche auf der Zeichnung isoliert steht, in Schußfäden mittels kleiner Spulen aus freier Hand eingezogen wird. Die Savonnerietapeten (nach dem Ort ihrer Anfertigung, einer frühern Seifenfabrik in Chaillot, benannt) ahmen persische und türkische T. nach und erfordern gleichfalls viel Handarbeit, indem die Noppen einzeln an die Kettenfäden angeknüpft werden. Schon im 11. Jahrh. wurden in Spanien Ledertapeten (Cordovatapeten) hergestellt, indem man das Leder versilberte, polierte und mit goldfarbenem Lack überzog, worauf die Muster mit hölzernen Modeln eingepreßt und der Grund von oben mit Bunzen gemustert wurde. Auch trat später Malerei hinzu. Im 16. Jahrh. wurden Ledertapeten in Venedig und Sizilien, im 17. Jahrh. in den Niederlanden und Frankreich, auch in Deutschland und England verfertigt, bis sie im 18. Jahrh. durch Seiden- und Papiertapeten verdrängt wurden. In neuerer Zeit sind sie wieder in Aufnahme gekommen, doch wird das Leder meist durch eine Nachahmung aus Papiermasse ersetzt. Ein billigerer Ersatz der Ledertapeten waren die Wachstuchtapeten, welche auch mit Wollpulver (Flocktapeten) gemustert wurden. Neben ihnen sind noch zu erwähnen: die Kattuntapeten der Holländer, atlas- und damastartig gewirkte seidene T., wie Brocatelles, Bergamées etc., die mit der Nadel auf Kanevas ausgeführten Chinatapeten, die Federtapeten (s. d.) etc.

Heutigestags versteht man unter T. die zur Wandbekleidung angewendeten Papiertapeten, welche in Stücken (Rollen) von etwa 0,5 m Breite und 10 bis 11 m Länge oder als Borten von geringerer Breite oder auch in abgepaßten Größen (Plafond- und Füllungstapeten) einfarbig und gemustert hergestellt werden. Zur Erzeugung derselben dient im Stoff gefärbtes oder einseitig mit Farbe überzogenes (grundiertes) Papier. Man trägt die mit Leimlösung gemischte Farbe mit Bürsten oder auf der Grundier- (Foncier-) Maschine auf. Hierbei läuft das Papier von einer Rolle ab über eine große Trommel, nachdem es von einer Filzwalze die Farbe erhalten hat, welche durch hin- und hergehende Bürsten verstrichen wird. Darauf folgt ein Trocknen in einer Hängemaschine, welche sich unmittelbar an die Grundiermaschine anschließt. Sollen die T. Glanz erhalten (Glanztapeten), so werden sie nach dem Grundieren satiniert, indem man sie mit Talkum abbürstet. Glätte erhalten sie mittels Kalander (s. d.). So vorbereitet gelangen die Rollen zum Bedrucken, wobei entweder, wie beim Kattundruck, Druckformen oder neuerdings vielfach Tapetendruckmaschinen, welche in der Stunde 800–900 m Papier bedrucken, zur Verwendung kommen. Das Wesen derselben besteht in Druckwalzen aus Holz, Letternmetall oder Kupfer, in deren Peripherie die Muster entweder erhaben oder vertieft vorhanden sind. Eine solche Maschine besteht aus einem Apparat zur ununterbrochenen Zuführung des Papiers, aus so viel Druckwalzen, als Farben verwendet werden sollen, aus ebensoviel Vorrichtungen zum Auftragen der Farben, aus einem widerstandsfähigen Organ zum Auflegen des Papiers während des Druckens, endlich aus einer Vorrichtung zum Aufhängen und Trocknen der bedruckten Papiere. Auch die auf Maschinen gedruckten T. müssen nachher geglättet werden.

Besondere Arten von T. sind: Veloutierte T. (Wolltapeten, Samttapeten), auf welchen der Grund oder ein Teil des Musters mit festklebenden, gefärbten kurzen Wollhärchen (Scherwolle) oder auch fein zerriebenen Holzspänchen (Holzwolle) derart bedeckt ist, daß diese Stellen eine dichte und gleichmäßig wollige Oberfläche zeigen. Das Veloutieren wird nach dem Drucken dadurch vorgenommen, daß man die Stellen der T., welche Wolle annehmen sollen, mittels hölzerner Formen mit einem sehr zähen Leinölfirnis bedruckt oder bestreicht, dann in einem langen Kasten mit einem Boden aus Kalbleder oder Pergament ausbreitet, Scherwolle ausstreut und den Deckel des Kastens schließt. Durch Trommeln auf dem Boden desselben mit Holzstäben werden die Wollstäubchen in die Höhe geworfen und verteilen sich herabfallend auf den T., wo sie an den noch nassen gefirnißten Stellen kleben bleiben und mit antrocknen. Vergoldete und versilberte T. stellt man durch Andrucken von Blattgold oder Blattsilber an mit Leinöl bedruckte Stellen oder durch direktes Bedrucken mit pulverförmigem Gold, Silber oder Bronze her. Gepreßte (gaufrierte) T. heißen solche, welchen mittels eines besondern Walzwerks (Gaufriermaschine) ein Reliefmuster aufgedruckt ist. Gefirnißte T. Mit dem Firnissen bezweckt man, den T. ein hohen Glanz zu geben, sie gegen Feuchtigkeit zu schützen, so daß sie abgewaschen werden können, und widerstandsfähiger zu machen. Man bedient sich dazu in der Regel des Kopalfirnisses, der mit großen Bürsten wie beim Grundieren aufgetragen wird. Namentlich sind es die die Holzmaserung nachahmenden Holztapeten, welche gefirnißt werden, um ihnen das Ansehen polierter Holzflächen zu geben. Iristapeten sind solche, bei denen zwei oder mehrere nebeneinander aufgetragene Farben durch sanft verwaschene Mitteltöne ineinander übergehen, woraus ein buntes, dem Farbenreichtum des Regenbogens zu vergleichendes Ansehen hervorgeht. Die Irisierung kann entweder beim Grundieren oder beim Drucken vorgenommen werden. Vgl. Exner, Die T.- [517] und Buntpapierindustrie (Weim. 1869); Hoyer, Fabrikation des Papiers, der Buntpapiere und T. (Braunschweig 1887); Seemann, Die Tapete (Wien 1882); Planchon, Étude sur l’art de fabriquer les tapisseries des gobelins (Par. 1867); Guiffrey, Müntz und Pinchart, Histoire générale de la tapisserie (das. 1878–85, 100 Tafeln); de Campeaux, Tapestry (Lond. 1878); Guiffrey, La tapisserie depuis le moyen-âge, etc. (Tours 1885); Müntz, La tapisserie (Par. 1888); Farabulini, L’arte degli arazzi e la nuova galleria dei Gobelins al Vaticano (Rom 1885); Havard u. Vachon, Les manufactures nationales (Par. 1889). S. auch Tapezieren.