MKL1888:Tanzmusik
[514] Tanzmusik, die bei Gesellschaftstänzen üblichen Musikstücke, als deren zur Zeit beliebteste zu nennen sind: Walzer, Mazurka, Schottisch (Polka), Tirolienne (Ländler), Galopp, Polonäse, Française, Kontertanz (Anglaise) und Quadrille. Aus verschiedenen Tänzen zusammengesetzt ist der Kotillon. Haupteigenschaften guter T. sind: gut gruppierte Rhythmen, fließende, ungesuchte, gefällige und dabei pikante Melodien mit ansprechender Harmonie und interessanter Instrumentation. In der Komposition der [515] höhern theatralischen T. oder des Balletts haben besonders Benda, Weigl, Winter, Righini, Adam, Beethoven („Prometheus“), Spontini, Weber, Meyerbeer, Halévy, in neuester Zeit Rubinstein (Ballettmusik in der Oper „Feramors“) Ausgezeichnetes geleistet, während die Musik für gesellschaftliche Tänze in unsrer Zeit vor allen durch Strauß und Lanner, denen sich Gungl, Labitzky und Lumbye beigesellten, ausgezeichnete Pflege fand. In Frankreich stehen an der Stelle der erstgenannten Walzerkönige die Quadrillenkomponisten Tolbecque, Musard, Offenbach, Lecocq, als Komponist von Ballettopern L. Delibes. – Die ältern Tänze waren ursprünglich Tanzlieder, so die deutschen Ringelreihen und Springtänze, die spanischen Sarabanden, die französischen Branles, Gavotten, Couranten, Giguen, Rigaudons, Musetten, Bourrées, Passepieds, Loures etc., die italienischen Paduanen, Gagliarden, Ciaconen, Passamezzi, die englischen Ballads, Hornpipes, dänischen Reels etc. Die Instrumentenspieler verbreiteten die Melodien, und sie mögen oft genug schon vor dem 16. Jahrh. nur von Instrumenten ohne Gesang gespielt worden sein. Eine kunstgemäße mehrstimmige Bearbeitung für Instrumente erfuhren sie, wie es scheint, zuerst im Anfang des 16. Jahrh., aus welcher Zeit uns viele gedruckte Sammlungen erhalten sind. Eine Sammlung deutscher Tanzlieder und Tanzmelodien enthält Böhmes „Geschichte des Tanzes in Deutschland“ (Bd. 2, Leipz. 1886). In eine neue Phase der Entwickelung traten die Tanzstücke, als man anfing, ihrer mehrere zu cyklischen Formen zu vereinigen, wobei zunächst die Einheit der Tonart das Bindemittel bildete. In der daraus entspringenden Form der Partie (Partita) oder Suite (s. d.), die besonders für Klavier allein und für Violine allein oder mit Klavier um die Wende des 17.–18. Jahrh. mit Vorliebe gepflegt wurde, erfuhren die Tanzstücke erhebliche Weiterungen, so daß sie statt kurzer achttaktiger Reprisen ausgeführte Themen, Gegenthemen und Durchführungen erhielten. In unserm Jahrhundert finden teilweise noch die ältern Tanzstücke Pflege (besonders das Menuett), sei es in der Form der Sonate oder Suite oder in noch freiern Zusammenstellungen von Stücken verschiedener Art oder einzeln (Gavotte), teils sind auch die neuesten Tänze einer kunstvollen Ausgestaltung unterworfen worden, so von Haydn (Menuette), Beethoven („Deutsche Tänze“ und „Kontertänze“), Weber („Aufforderung zum Tanz“, Es dur-Polonäse, Ekossäsen etc.), Schubert (Walzer, Ländler, Ekossäsen), Chopin (Polonäsen, Mazurken, Walzer), Schumann („Ballszenen“, „Faschingsschwänke“, „Karneval“), Brahms („Walzer“, „Ungarische Tänze“ etc.), Kiel („Deutsche Reigen“, Walzer für Streichquartett), Liszt („Valse de bravour“, „Chromatischer Galopp“), Raff (Humoresken, Tarantella etc.) u. a.