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MKL1888:Tabakssteuer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tabakssteuer“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Tabakssteuer“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 15 (1889), Seite 483484
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Tabakssteuer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 483–484. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tabakssteuer (Version vom 26.10.2022)

[483] Tabakssteuer. Als entbehrliches, aber doch in großen Mengen von der erwachsenen arbeitsfähigen Bevölkerung verbrauchtes Genußmittel bildet der Tabak ein finanziell sehr ergiebiges und geeignetes Mittel der Besteuerung. Letztere kommt vor in der Form der

1) Handelsbesteuerung, am einfachsten durchgeführt in England, wo schon seit 1652 (ebenso für Irland mit einer Unterbrechung von 1799 bis 1831, dann für Schottland seit 1782) der Tabaksbau verboten ist und die Steuer durch reine Verzollung in Verbindung mit Lizenzen erhoben wird. In Portugal, wo 1664 das Monopol eingeführt worden war, ist heute für die Lizenz zum Tabaksbau eine Gebühr zu entrichten. Neue Tabaksfabriken dürfen nach Gesetz vom 27. Jan. 1887 nicht mehr errichtet, bestehende nicht erweitert werden. Schweden, welches seinen Tabak größtenteils aus Rußland bezieht, erhebt nur einen Zoll, dagegen keine innere Abgabe. Die von Händlern und Fabrikanten erhobenen Lizenzen können überhaupt nur die Bedeutung von Ergänzungssteuern haben, da sie eine Belastung nach der Steuerfähigkeit, bez. dem Geschäftsumfang nicht ermöglichen, daher mäßige Sätze nicht überschreiten dürfen. In andern Ländern bildet der Tabakszoll eine Ergänzung der innern Verbrauchssteuer.

2) Die Rohprodukten- od. Pflanzungssteuer (Urproduzentensteuer) trifft die inländischen Erzeugnisse an Rohtabak entweder in der Form der Flächen- oder in der der Gewichtssteuer. Die Flächensteuer wird nach der Größe der mit Tabak bepflanzten Fläche bemessen, wobei auch noch Abstufungen nach der Ertragsfähigkeit des Bodens statthaben können. Im übrigen nimmt sie keine Rücksicht auf die insbesondere von Jahr zu Jahr wechselnde Menge und auf Qualität des erzeugten Tabaks. Diese Steuer bestand in Preußen seit 1828, nachdem seit 1819 nach dem Gewicht besteuert worden war, im Zollverein von 1868 bis 1879. Sie wurde 1879 durch die Gewichtssteuer ersetzt, welche nach dem Gewicht des Tabakserzeugnisses bemessen wird, während die Flächensteuer für kleine Pflanzungen von weniger als 4 Ar Flächengehalt als Regel beibehalten wurde. Das zu erwartende Ergebnis wird an Ort und Stelle vor der Ernte amtlich eingeschätzt. Später findet amtliche Nachzählung und Verwiegung statt. In Belgien (1883) wird die Steuer nach der Pflanzenzahl bemessen, indem nur in weitern Grenzen das Gewicht (drei Abstufungen nach der Bodengüte) in Rechnung gezogen wird. Diese Steuer nimmt keine Rücksicht auf die Qualität und beengt durch ihre Kontrollen den Tabaksbau (Kulturzwang, Pflanzung in Reihen und gleichen Abständen, Verbot der Mischung mit andern Pflanzen, Vollendung des Köpfens und Ausgeizens vor Erhebung der Blätterzahl, Vernichtung aller vor der Ernte stattfindenden Abfälle etc.). Flächen- wie Gewichtssteuer reizen bei hohen Steuersätzen zur Verschlechterung des versteuerten Rohtabaks durch Beimengungen, gestatten nicht eine richtige Bemessung der Ausfuhrvergütung und bedingen oft lange dauernde Steuervorschüsse.

3) Die Fabrikatsteuer, welche in den Vereinigten Staaten seit 1868, in Rußland seit 1877 besteht, wird nach Gewicht und Form der aus der Fabrik in den Handel übergehenden Fabrikate (Rauch-, Schnupftabak, Zigarren etc.) erhoben. Bei derselben lassen sich Stempelmarken (Banderollen) anwenden, welche der Fabrikant von der Behörde bezieht und an seinen Waren in der Art anbringt, daß sie bei dem Verbrauch zerstört werden müssen, was bestimmte Vorschriften über die Verpackung etc. sowie eine scharfe Kontrolle des Tabakshandels nötig macht. Die Fabrikatsteuer ermöglicht eine wenn auch nicht sehr weit gehende Unterscheidung der Qualitäten sowie eine genauere Bemessung der Ausfuhrvergütung, dann ist ihre Erhebung dem wirklichen Verbrauch zeitlich nahegerückt. Dagegen beansprucht sie lästige und teure, bis zum Tabaksbau sich erstreckende Kontrollen, begünstigt durch ihre Technik den Großbetrieb und bringt leicht den Tabaksbauer in Abhängigkeit von letzterm.

4) Die Besteuerung des Tabaks auf dem Weg der Monopolisierung wurde in Frankreich schon 1674 eingeführt, wo sie mit kurzen Unterbrechungen (1719–23 und 1723–30) bis 1791 bestand und 1810 durch Napoleon I. wieder ins Leben gerufen wurde. Das Tabaksmonopol besteht ferner in Österreich-Ungarn und zwar in einzelnen Landesteilen ob der Enns schon seit 1670, in allen Ländern diesseit der Leitha seit 1828 und in der gesamten Monarchie seit 1851, in Spanien seit 1730, in Mexiko seit 1764, in Italien seit 1865 (ursprünglich verpachtet, seit 1884 von der Regierung in eignen Betrieb genommen), Rumänien seit 1865, in der Türkei seit 1884 (Verpachtung), in Serbien seit 1885 (ebenfalls mit Verpachtung an eine Gesellschaft). Diese Besteuerungsform kommt nur als volles Tabaksmonopol vor, d. h. der Staat behält sich das ausschließliche Recht des Ankaufs heimischen Rohtabaks, der Einfuhr fremder Tabake und das der inländischen Tabaksfabrikation vor, um durch Vermittelung von konzessionierten Verkäufern den Tabak zu Preisen zu verkaufen, welche einen Überschuß über die Kosten als Steuer ergeben. Die Einfuhr ausländischer Tabaksfabrikate ist in Frankreich ganz verboten, in Österreich nur ausnahmsweise gegen Lizenzen gestattet. Der Tabaksbau wird im Inland nur in bestimmten Anbaubezirken gegen Staatserlaubnis und unter Kontrolle gestattet, die Erzeugnisse desselben sind gegen alljährlich von der Verwaltung festgesetzte Preise an dieselbe abzuliefern. Für und gegen das Tabaksmonopol lassen sich im wesentlichen die Gründe vorführen, die überhaupt für und wider die Monopolisierung geltend gemacht werden. Es gestattet Kostensparung durch Zentralisierung und Minderung des Zwischenhandels (Frankreich hat nur [484] 16 Staatsfabriken mit etwa 18,000 Arbeitern, während in Deutschland die Verarbeitung der doppelten Menge Rohtabaks sich auf fast 11,000 selbständige Betriebe mit etwa 110,000 beschäftigten Personen verteilt), es erspart Kosten der Kontrolle und Erhebung, gewährt Sicherheit gegen Fälschung, es ermöglicht, den Steuerfuß der Qualität anzupassen und denselben nach Bedarf zu ändern, endlich, und darin besteht seine eigentlich praktische Bedeutung, läßt es die vollständigste Ausbeutung einer ergiebigen Steuerquelle zu. Dagegen ist die Monopolisierung mit den Schattenseiten verknüpft, welche dem weniger beweglichen Staatsbetrieb mit seiner büreaukratischen Beamtenwirtschaft überhaupt anhaften. Insbesondere befürchtet man in Deutschland, es möchte die Staatsgewalt allzusehr alle andern Lebenskreise überwuchern. Ob nun diese Übelstände oder jene Vorteile des Monopols überwiegen, dies läßt sich nur von Fall zu Fall beantworten. In Deutschland steht der Monopolisierung vorzüglich der Umstand im Weg, daß hier Industrie und Handel in Tabaken sich lebhaft entwickelt haben und infolgedessen nicht allein die Frage der Entschädigung große Schwierigkeiten bereitet, sondern auch die Änderung in der Steuerform erhebliche wirtschaftliche Umwälzungen bewirken würde. Das auf den Handel mit Rohtabak beschränkte Monopol, bei welchem der Staat als alleiniger Aufkäufer den Tabak mit einem Preiszuschlag an Händler abgibt, ist noch nirgends zur Durchführung gekommen.

Im Deutschen Reich war in 1000 Mk. der Ertrag

durch­schnitt­lich jähr­lich der Tabaks­steuer des Eingangs­zolls von Tabak der Netto­ertrag der Tabaks­abgaben
im ganzen auf den Kopf
1871–79 1490 14687 15967 0,37
1881–86 9909 29059 38503 0,84
1886–87 11067 36992 47535 1,02

Die Reineinnahme des Staats aus den Tabaksgefällen war in Millionen Mark in

Frankreich 1815: 25,7, 1883: 242,8
Österreich 1869: 59,2, 1883: 76,5
Ungarn 1869: 22,2, 1884: 37,4
Italien 1877: 63,7, 1883: 86,8
Großbritannien 1842: 72,4, 1883: 181,3
Verein. Staaten 1883: 208,6, 1884: 138,6

Auf den Kopf entfiel 1883, bez. 1884 eine Reineinnahme in

Frankreich von 6,95 Mk.
Großbritannien 5,10
Spanien 4,32
Österreich 4,16
Verein. Staaten 4,15
Italien 3,30
Ungarn 2,46
Norwegen 1,59
Schweden 0,91
Deutschland 0,81
Rußland 0,65
Dänemark 0,55
Belgien 0,34
Holland 0,05

Vgl. Mayr, Das Deutsche Reich und das Tabakmonopol (Stuttg. 1878); M. Mohl, Denkschrift für eine Reichstabakregie (das. 1878); Felser, Das Tabakmonopol u. die amerikanische Tabaksteuer (Leipz. 1878); Derselbe, Zur Tabaksteuerfrage (das. 1878); H. Pierstorff, Entwickelung der Tabaksteuergesetzgebung in Deutschland seit Anfang dieses Jahrhunderts (in den „Jahrbüchern für Nationalökonomie“ 1879, Heft 2); Mährlen, Die Besteuerung des Tabaks im Zollverein (Stuttg. 1868); R. Schleiden, Zur Frage der Besteuerung des Tabaks (Leipz. 1878); Krükl, Das Tabaksmonopol in Österreich und Frankreich (Wien 1879); Creizenach, Die französische Tabaksregie (Mainz 1869); Aufseß, Über die Besteuerung des Tabaks (Leipz. 1878); Reinhold, Das Tabaksteuergesetz vom 16. Juli 1879 (das. 1881).