MKL1888:Straßenbau
[374] Straßenbau. Die Straßen zerfallen in Land- und Stadtstraßen. Erstere verbinden zwei Ortschaften miteinander, und wenn dies nicht durch eine gerade und ebene Straße möglich ist, so haben die Vorarbeiten demgemäß die beste Trace auszumitteln, was an Ort und Stelle oder mit Hilfe von Karten geschehen kann, in welche Höhenkurven (Schichtenlinien, Niveaukurven) eingetragen sind. Man sucht dabei die notwendigen Unterbauarbeiten thunlichst zu vermindern. Krümmungen sind bei Straßen, sofern sie die Länge nicht unnötigerweise sehr vergrößern, ohne Nachteil; von wesentlicher Bedeutung sind aber stärkere Steigungen. Eine allgemeine Regel für die größte gestattete Steigung läßt sich nicht geben: sie muß der ortsüblichen Wagenladung entsprechen. Man darf sie heute steiler wählen als früher, da der schwere Frachtverkehr größtenteils durch die Bahnen besorgt wird; Laissle empfiehlt 3 Proz. für Hauptstraßen in der Ebene, 5–6 Proz. im Hügelland, 7 Proz. im Gebirge. Die Breiten der Fahrbahnen und Bankette wechseln mit der Frequenz der Straße und betragen für zwei sich ausweichende Wagen und Fußgänger bez. 4,5–5,5 und 1–1,25 m. Ein Sommerweg, d. h. ein nicht befestigter Streifen für leichte Wagen, Vieh etc., dessen Anlage sich dort empfiehlt, wo der Unterbau billig, die Befestigung der Fahrbahn teuer ist, erfordert eine Breite von 2,5–3 m, ein Weg für zwei sich ausweichende Reiter 1,5–2 und ein Materialstreifen 1–1,25 m Breite. Statt der letztern werden auch in Entfernungen von 100–200 m besondere Lagerplätze für das Unterhaltungsmaterial angelegt; dagegen erscheint es fehlerhaft, einen Teil der Fußwege zum Lagerplatz für Straßenmaterial zu verwenden. Die Straßengräben erhalten, je nach der zu gewärtigenden Wassermenge, eine Sohlenbreite von 0,25–0,5 bei einer Tiefe von 0,5–1 m und nach der größern oder geringern Kohäsion des Erdreichs 1–11/2füßige Böschungen. Die gewöhnliche Befestigung der Landstraßen bildet die Versteinung oder Chaussierung. Die Dicke der Versteinung soll in der Mitte mindestens 25–30, an den Rändern 20–25 cm und die zur Beförderung des Wasserabflusses dienende Wölbung ihrer Oberfläche (Pfeil) etwa 1/48 bis 1/32 ihrer Breite betragen. Nach Umpfenbach genügt eine Abdachung (zwei geneigte Ebenen) von 1/40–1/50 oder eine Wölbung (Kreisbogen), welche 1/30–1/50 der Straßenbreite zur Pfeilhöhe hat. Die Steinbahn kann mit einer Packlage hergestellt werden, d. h. mit einem 13–15 cm hohen Unterbau aus Steinen, die man auf die breite Seite (Kopf) stellt, deren Zwischenräume man oben auskeilt, und die man mit einer in der Straßenmitte 12–17 cm hohen Schicht zerschlagener walnußgroßer Steine (Decklage) bedeckt. Manchmal faßt man die Packlage mit größern Randsteinen (Bordsteinen) ein, und um die Zwischenräume der Decksteine auszufüllen und hierdurch das Einfahren der Straße zu erleichtern, wird zuweilen eine bis zu 5 cm starke Schicht Kies in einer oder mehreren Lagen auf derselben ausgebreitet. Schließlich ist die Straße stets mit einer schweren Straßenwalze mehrmals zu überfahren. Viele Straßenbaumeister ziehen die makadamisierte Straße (nach ihrem Erfinder Mac Adam) vor, bei welcher gleichmäßig kinderfaustgroße Steinstücke auf dem trocknen Untergrund in dünnen Lagen aufgetragen werden, bis sie eine 25–30 cm hohe Lage bilden, die man zum Schluß bei feuchter Witterung tüchtig überwalzt. Wo Steine mangeln, legt man Kiesstraßen an, verwendet das gröbere Material zu unterst, das feinere in den darüberliegenden Schichten und mengt der obersten, damit sie besser binde, etwas Lehm bei.
Zur Befestigung der Fahrbahn (des Fahrdammes) städtischer Straßen ist Chaussierung trotz der billigen Anlage wenig geeignet: sie nutzt sich rasch ab, erfordert daher öftere Erneuerung und ist teuer in der Unterhaltung, gibt außerordentlich viel Staub und Schmutz, ist wasserdurchlässig, mit Einem Wort, nur in wenig belebten Straßen verwendbar. Den Vorzug verdient Pflaster aus natürlichen oder künstlichen Steinen, auch aus Gußeisenblöcken, Holzpflaster und Asphalt. Das ehemals sehr verbreitete rauhe Pflaster aus Geröllen wird mehr und mehr von dem regelmäßigen Reihenpflaster verdrängt, dessen Steine an der Oberfläche rechteckig bearbeitet sind. Die Oberfläche muß eine Wölbung von 1/100–1/60 der Breite erhalten, und des bessern Auftretens der Pferde sowie des raschern Wasserabflusses wegen sollen die Reihen senkrecht zur Straßenrichtung laufen. Die untere Fläche der Steine soll nicht kleiner sein als etwa 2/3 der obern, und die Höhe der Steine darf nicht zu sehr wechseln, sonst drücken sie sich ungleich in die Bettung ein. Am besten, aber in manchen Gegenden zu teuer, ist Würfelpflaster aus parallelepipedisch bearbeiteten Steinen, welche, wenn sie thatsächlich Würfel sind, wie in Wien (18 cm Seitenlänge), ein mehrmaliges Umwenden gestatten. Die Größe schwankt: so hat Brüssel Prismen von 10 cm Breite, 16 cm Länge, 13 cm Höhe, Turin Platten von 60 cm Länge, 30 cm Breite, 15–20 cm Höhe. Die Steine erhalten eine etwa 25 cm dicke Unterlage (Bettung) bloß von Sand oder von Kies und Sand darüber. Wo der Boden leicht beweglich ist, wie in Berlin, gibt man eine starke Unterlage von geschlagenen Steinen, auf diese eine Kiesdecke, welche vor dem Aufsetzen der Würfel festgewalzt wird. Der Pflasterer (Steinsetzer) setzt die Steine des gewöhnlichen Pflasters zunächst etwa 5 cm höher, als sie später liegen sollen; dann wird das Pflaster mit Sand überdeckt und abgerammt. Gut ist es, wenn bei der nunmehr folgenden abermaligen Sandüberdeckung der Sand durch Wasserspülung in die Fugen getrieben wird. Häufig, namentlich unter Wagenständen u. dgl., werden die Fugen durch Einguß von Zementmörtel oder Asphalt wasserundurchlässig gemacht, um das Eindringen der Jauche, also eine Infizierung des Untergrundes, zu [375] verhindern. In England wird vielfach statt der Sandunterlage eine ungefähr 25 cm starke Betonunterlage angeordnet und dadurch große Haltbarkeit erzielt, allerdings unter störender Erschwerung aller Ausbesserungen an unter der Fahrbahn liegenden Rohrleitungen und Telegraphenkabeln. Pflastersteine dürfen mit der Zeit nicht zu glatt werden und müssen hart und fest sein, Bedingungen, welche von allen Felsarten Granit mit am besten erfüllt.
Man hat bei verschiedenen, namentlich holländischen, Stadt- und Landstraßen statt natürlicher Steine bis zur Verglasung hartgebrannte Ziegel, Klinker, benutzt, welche ähnlich wie andres Reihenpflaster unterbettet und so aufgestellt werden, daß ihre breite Seite die Dicke der Steindecke bildet. Gußeisenpflaster besteht aus vielfach durchbrochenen großen Gußeisenplatten (bis 100 kg schwer), die auf der geebneten Unterlage verlegt werden und zur Vermeidung einseitigen Setzens untereinander in Verbindung stehen. Die Durchbrechungen werden mit Sand und Kies ausgefüllt, um dem Pflaster Rauhigkeit zu geben. Es hat sich bis jetzt nicht bewährt. Holzpflaster besteht aus 15–17 cm hohen Holzblöcken von rechteckigem, selten sechseckigem Querschnitt, welche auf einer Unterlage von Sand, Beton oder hölzernen, manchmal in Teer getränkten Dielen ruhen. Man füllt die Fugen, welche zuweilen Filzeinlagen erhalten, mit Sand, einer Mischung von Sand und Asphalt oder Mörtel. Man verwendet meist Tannenholz und imprägniert die Blöcke oder taucht sie vor dem Versetzen in heißen Teer. Eine Verbindung der Klötze durch hölzerne Dübel ist wenig üblich. Holzpflaster ist in der Anlage eher billiger als Reihenpflaster, scheint aber bei starkem Verkehr sehr zu leiden. Es bewirkt ein geräuschloses Fahren und empfiehlt sich aus diesem Grund für Thoreinfahrten und enge, stark belebte Gassen sowie seines geringen Gewichts wegen als Brückenbelag. In England wird es viel verwendet, so z. B. in zahlreichen Straßen der Londoner City; auch in Berlin ist es an mehreren stark frequentierten Stellen benutzt worden. Asphaltstraßen werden aus Stampfasphalt (komprimiertem Asphalt) hergestellt. Dieser besteht aus natürlichem Asphaltstein, d. h. Kalkstein, der zwischen 7 und 11 Proz. Bitumen enthalten muß und sich z. B. im Val de Travers (Kanton Neuenburg), bei Seyssel (Aindepartement), Limmer (Hannover) und auf Sizilien findet. Der rohe Stein wird zwischen gerieften Walzen zerkleinert und hierauf auf 120–130° erhitzt, wobei er zu Pulver zerfällt. Zur Herstellung der Fahrbahn, welche eine Wölbung von 1/100–1/300 erhält, wird das Pulver in großen Eisenpfannen abermals erhitzt und dann auf der vorgerichteten Betonunterlage von 10–20 cm Stärke aufgetragen und mit heißen Rammen, auch wohl einer heißen Walze verdichtet; schließlich wird mit einer Art Plätteisen die Oberfläche vollends geglättet und mit etwas feinem Sand überstreut. Die aufgetragene Schicht ist 7/5mal so stark als die spätere gestampfte, 4–6 cm dicke Asphaltlage. Da es auf eine gleichmäßige Unterlage wesentlich ankommt, bedarf bei nachgiebigem Untergrund die Betonlage selbst eines Grundbaues aus festgewalztem Kleinschlag. Im allgemeinen dürften die Kosten der Herstellung von Asphaltstraßen geringer sein als die von Granitwürfelpflaster, die der Unterhaltung größer. Die Vorteile der Asphaltstraßen sind: Ebenheit der Fahrbahn, also leichte Fortbewegung der Fuhrwerke, große Reinlichkeit, Wasserundurchlässigkeit, geräuschloses Fahren; die Nachteile sind: leichtes Stürzen der Pferde, schwierige Ausbesserung bei nassem Wetter, also insbesondere im Winter. Übrigens hat es sich gezeigt, daß die Gefahr des Stürzens sehr abnimmt, wenn Pferd und Kutscher sich an den Asphalt gewöhnen, und daß, während sich auf vereinzelten Asphaltbahnen viele Unfälle zutragen, auf einem größern mit Asphalt befestigten Straßennetz die Anzahl der Stürze verhältnismäßig nicht mehr bedeutend ist; bezüglich der Häufigkeit von Fußkrankheiten der Pferde soll sogar Asphalt dem Pflaster vorzuziehen sein. Künstliche Steine aus Asphalt haben sich bisher nicht behaupten können.
Fußwege städtischer Straßen liegen meist zu beiden Seiten des Fahrdammes, besitzen ein schwaches Quergefälle gegen die Straßenmitte zu und liegen mit ihrer gewöhnlichen Begrenzung, den Randsteinen (Bordsteinen, Bordschwellen), 5–20 cm über dem anstoßenden tiefsten Teil der Fahrbahn, welcher als Gosse (Straßenrinne, Kandel, Rinnstein) zur Wasserableitung dient. Neben versteinten Fahrbahnen findet man manchmal einfach mit Kies überdeckte Fußwege (Gehwege), sonst stellt man Trottoirs aus Pflaster, Plattenbelag, Stampfasphalt oder Gußasphalt her. Hausteinplatten kann man unmittelbar auf den festgestampften Untergrund in Mörtel legen; Thonplättchen mit ebener oder gerippter Oberfläche erfordern schon eine Betonunterlage von 8–10 cm Stärke oder mindestens eine Kiesbettung. Zum Gußasphalt (der mit dem bereits beschriebenen Stampfasphalt nicht zu verwechseln ist) verwendet man den im Handel vorkommenden Asphalt-Goudron, d. h. eine Mischung von natürlichem Asphaltpulver (s. oben) mit ungefähr 5 Proz. reinem Erdharz (Goudron). Der Asphalt-Goudron wird an der Baustelle in Kesseln geschmolzen unter Zusatz von noch etwas Erdharz und so viel Kies, daß etwa 35 Proz. Kies in der neuen Mischung enthalten sind, welche man, wenn sie genügend heiß ist, auf die Unterlage ausbreitet. Letztere ist gemauert oder besteht aus einer 8–10 cm starken Betonschicht. Die Gußasphaltdecke wird meist in zwei Lagen hergestellt und erhält eine Dicke von 15 bis 20 mm, in Thoreinfahrten etwa 30 mm.
Geschichtliches. Kunststraßen legte man schon in den ältesten Zeiten an. Die Spuren der Römerstraßen, welche sich über das ganze Gebiet des römischen Reichs zerstreut vorfinden, haben dem neuern S. zum Vorbild gedient. Die römischen Kunststraßen erhielten, wie Plinius und Vitruv berichten, zuerst ein Substrat von einer Art Beton, welches einer 20 cm starken Steinplattenschicht (statimen) als Unterlage diente. Auf letztere kam eine neue, ebenfalls 20 cm starke Schicht in Mörtel versetzter Steine (rudus), welche durch eine 8 cm starke Betonschicht (nucleus) bedeckt wurde, auf der dann die eigentliche Straßendecke (summum dorsum) aus Pflaster oder Kies hergestellt wurde. Manchmal fehlte jedoch eine oder die andre Lage, oder es wurden Lehmschichten zwischengeschaltet u. dgl. mehr. An den Seiten erhielt der Straßendamm Böschungen oder (bisweilen mit Stufen versehene) Strebemauern. Augustus, Vespasian, Trajan und Hadrian haben Bauten der Art anlegen lassen, die uns jetzt fast unglaublich erscheinen. Nachdem diese Straßen nach dem Umsturz des Reichs in Verfall geraten, ließ Karl d. Gr. die alten Kunststraßen wieder ausbessern und neue anlegen. In Deutschland reichen die ersten Spuren eines geregelten Straßenbaues nicht über das 13. Jahrh. zurück. Doch waren diese Ausführungen noch höchst mangelhaft. Infolge des mit der Entwickelung eines regern Geschäfts- und Verkehrslebens wachsenden Bedürfnisses [376] an Kunststraßen gründete man in Frankreich 1720 ein besonderes Korps der Ingenieure, in dessen Hand man den mit verhältnismäßig bedeutendem Kostenaufwand verknüpften Straßen- und Brückenbau legte. Vervollkommt wurde diese Einrichtung noch durch die Gründung der École des ponts et chaussées 1795, durch welche Ingenieure für S. wissenschaftlich ausgebildet wurden. Später wurde durch ähnliche Organisationen und technische Bildungsanstalten der S. auch in andern Staaten gefördert. Die Fortschritte der neuesten Zeit betreffen weniger die durch die Eisenbahnen ihrer frühern Bedeutung teilweise beraubten Landstraßen als die Anlage städtischer Straßen, wie z. B. die Neuenburger Asphaltindustrie, von einigen später in Vergessenheit geratenen Anfängen abgesehen, erst 1832 durch den Grafen Sassenay begründet wurde; die erste Verwendung des Stampfasphalts erfolgte später durch den Ingenieur Merian aus Basel. Vgl. Umpfenbach, Theorie des Neubaues, der Herstellung und Unterhaltung der Kunststraßen (Berl. 1830); Wedeke, Handbuch des Chausseebaues etc. (Quedlinb. 1835); Launhardt, Über Rentabilität u. Richtungsfeststellung der Straßen (Hannov. 1869); Ahlburg, Der S. mit Einschluß der Konstruktion der Straßenbrücken (Braunschw. 1870); v. Kaven, Der Wegebau (2. Aufl., Hannov. 1870); Zur Nieden, Der Bau der Straßen und Eisenbahnen (Berl. 1878); Heusinger v. Waldegg, Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1884); Osthoff, Wege- und S. (das. 1882); Dietrich, Die Asphaltstraßen (Berl. 1882); Derselbe, Baumaterialien der Steinstraßen (das. 1885).