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MKL1888:Stadtbahnen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Stadtbahnen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 872882
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Stadtbahnen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 872–882. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Stadtbahnen (Version vom 08.12.2024)

[872] Stadtbahnen (hierzu die Tafel „Stadtbahnen“). Die außerordentlichen Umwälzungen auf dem Gebiete des Verkehrswesens haben auch eine Umgestaltung des innern Verkehrslebens der großen Mittelpunkte der Handels- und Gewerbthätigkeit zur Folge. Die Geschäftsthätigkeit wird mehr und mehr in den Kern der Städte verlegt, während die Wohngebiete hiervon vollständig abgesondert und in die Vorstädte und Vororte hinausgerückt werden. Dadurch wird ein täglich sich wiederholendes Spiel des Zu- und Abströmens der Bevölkerung nach und von den Geschäftsvierteln, und zwar in den Frühstunden aus den Vorstadtbezirken nach der Innenstadt, in den späten Nachmittagsstunden in umgekehrter Richtung, hervorgerufen. Für diese täglich sich wiederholenden Verschiebungen großer Volksmassen (den englischen residential traffic) sind mit Dampf oder Elektrizität betriebene Vorstadt- oder Vororteisenbahnen das richtige Verkehrsmittel, welches naturgemäß in den Früh- und Spätstunden weit stärker in Anspruch genommen wird als in den übrigen Verkehrsstunden. Den residential traffic aber mit dem Geschäftsinnern der Städte in innige und möglichst vielfache Berührung zu bringen, in der Zwischenzeit aber auch dem binnenstädtischen Geschäftsverkehr selbst zu dienen, ist der Zweck der binnenstädtischen Verkehrsmittel, Droschken, Omnibus, Straßenbahnen und der eigentlichen S. Letztere sollten danach durch die binnenstädtischen Verkehrsgebiete hindurchgeführt werden und die Reisenden thunlichst bis auf Gehweite an ihre Arbeitsstellen heranführen. Die Einrichtung besonders zahlreicher Stationen und Züge im Stadtinnern ist daher Bedingung. Von der Betriebsleitung ist nun zu fordern, daß die Vorortzüge möglichst über die eigentlichen S. geführt werden. Durch das Hinzutreten des eigentlichen Binnenstadtverkehrs, besonders während der Geschäftszeit, wird dann eine stärkere Belastung dieser letztern Bahnen bewirkt. Die Verhältnisse führen dazu, besondere, lediglich den binnenstädtischen Verkehrszwecken dienende Zugverkehre einzurichten, zwischen welche sich die Vorortzüge einschieben. Die Unterscheidung von Vorortbahnen und S. liegt hiernach lediglich in ihrer verschiedenartigen verkehrszwecklichen Inanspruchnahme und der hierdurch bedingten Betriebsweise, nicht aber etwa in der besondern Art der Herstellung als Tunnel- oder Viaduktbahn. In den meisten großen Städten (Paris, Wien etc.) fehlen derartige S. überhaupt noch. Der Vorortverkehr endigt dann in den an das Stadtinnere mehr oder weniger nahe herangeschobenen Kopfstationen.

Die dem Fernverkehr dienenden Linien werden in den meisten Städten ebenso wie solche Vorortlinien in stumpfer Endigung an das Stadtinnere dicht heran- oder in dasselbe hineingeführt. Zweckmäßig (sofern die Umstände dies gestatten) leitet man auch diesen Verkehr durch das Stadtinnere selbst hindurch. Der Fernverkehr folgt nun aber völlig andern Gesetzen als der Vorort- und Stadtverkehr. Die Mitführung von Gepäck und Postsachen, Equipagen und Vieh, namentlich aber auch die Versorgung großer Städte mit Lebensmitteln, also die Mitführung von Fleisch, Gemüse, Milch, Fischen, bedingen eine ganz andre Abfertigungsweise der Fernzüge in geräumigern Stationsanlagen. Es ergibt sich, daß es bei lebhaften Betriebsverhältnissen im allgemeinen notwendig und zweckmäßig ist, den Fernverkehr von dem Vorort- und Stadtverkehr ganz getrennt zu halten und auf getrennten Geleisen und in getrennten Stationen oder Stationsabschnitten abzuwickeln. Sollen Fernzüge mit den in den Stationen nur kurze Zeit sich aufhaltenden Vorortzügen ununterschiedlich auf denselben Geleisen abgefertigt werden, so erübrigt nur, die Abfertigungsbefugnisse für den Fernverkehr einzuschränken, um die Aufenthalte abzukürzen (Berliner Stadtbahn, Ferngeleise). Hiergegen ist es anderseits nur naturgemäß, den innern Stadtverkehr mit dem Vorortverkehr zu verbinden und auf denselben Geleisen zu befördern. Im folgenden sollen wegen ihres innigen Zusammenhanges außer den eigentlichen S. auch die Vorortbahnen besprochen werden, während auf den Fernverkehr nur beiläufig gerücksichtigt wird. In der folgenden allgemeinen Besprechung haben die Londoner, Berliner und New Yorker S., in denen das Charakteristische solcher Bahnen voll zur Geltung kommt, und welche später noch eingehender besprochen werden sollen, als Richtschnur gedient.

I. Allgemeines.

[1. Betrieb auf der Strecke.] Die Vorstadt- und Vorortlinien schließen entweder an die S. des innern Verkehrsgebietes mittelbar oder unmittelbar an, oder endigen in besondern Kopfstationen, die entweder lediglich dem Vorstadt- und Vorortverkehr dienen, oder aber sie münden in besondere Abteilungen der großen Fernbahnhöfe, welche von dem Fernverkehr möglichst getrennt gehalten werden. Die Vorortzüge bewegen sich ferner in der Regel auf besondern Geleisen, die entweder auf einer von den Fernlinien räumlich ganz getrennten Bahnanlage untergebracht sind, oder aber den Stammlinien des Fernverkehrs sich anschmiegen, bis sie im weitern Vorortgebiet von diesen abbiegen, um selbständig ihren Weg in die Vororte weiter zu verfolgen, wo sie bei reich ausgebildetem Verkehr, wie in London, in Rückkehrschleifen (englisch loops) oder in Bogenschleifen und Windungen von mannigfachster Gestaltung die Vorstadtgebiete durchziehen. Die auf diesen Linien verlaufenden Zugbetriebe sind dann je nach den Umständen entweder strahlenförmig zum Stadtinnern gerichtet, wo sie ein und denselben Bahnhof wiederkehrend anlaufen, oder sie pendeln schleifen- und bogenartig über das

[Beilage]

[Ξ]

Stadtbahnen.
Fig. 1. Bahnhof Temple der Londoner innern Ringbahn. Ansicht und Längsschnitt.
Fig. 2. Querschnitt von Fig. 1.
Fig. 3. Bahnhof Sloane Square der Londoner innern Ringbahn. Querschnitt.
Fig. 4. Tunnel der Londoner innern Ringbahn unter der Queen Victoria Street.
Fig. 5. Viadukt der Berliner Stadtbahn im Königsgraben. Ansicht und Längsschnitt.
Fig. 6. Querschnitt von Fig. 5.
Fig. 7. Bahnhof Friedrichstraße der Berliner Stadtbahn.
Fig. 8–10. Viadukte der 2. Avenue-Linie der New Yorker Hochbahnen.
Fig. 11. Viadukt der New Yorker Hochbahn an der Kreuzung der 8. Avenue und der 110. Straße.

[873] Vorstadtgebiet zwischen verschiedenen Stationen der Innenstadt unablässig hin und her (englisch shuttle service oder shuttle cock service, wörtlich: Weberschiffchen- oder Federballbetriebe).

Bei dem Betrieb der Bahnen im Vorstadt- und Vorortverkehr liegt eine große Schwierigkeit darin, den ganzen Verkehr in wenigen Vormittags- und Nachmittagsstunden zu bewältigen. Man hat in der Beziehung Erleichterung zu schaffen gesucht, indem man die den besondern Arbeiterzügen gewährten Verbilligungen auf die Zeit vor und nach der Flut jener Vorortzüge beschränkte, außerdem noch für andre Klassen von Reisenden besondere Ermäßigungen während günstigerer Betriebsstunden eintreten ließ etc. Dann hat man auch den Verkehr der entfernter wohnenden Volksklassen aus dem kürzern Verkehr dadurch ausgeschieden, daß man besondere Vorortschnellzüge eingerichtet hat (Nordlondonbahn, London-Chatham und Doverbahn), die bis nach den betreffenden Vorortstationen ohne Anhalten durchfahren. Diejenigen dieser Vorortverkehre, welche auf eine Stadtbahn übergeführt und mit den daselbst eingerichteten örtlichen Stadtbahnbetrieben innig verschmolzen sind, erhalten eine durchaus starre Zugfolge, entstehend durch das rhythmische Ineinandergreifen der sämtlichen Verkehre. Die üblichen Abstände gleichgerichteter Züge betragen 1/6, 1/4, 1/3, 1/2 Stunde bis 1 Stunde. Die Geschwindigkeiten aller Züge sind an denselben Bahnpunkten einander gleich. Die Stadtbahnverkehre geben hierfür das Tempo an. Kommt eine Stadtbahn nicht in Frage, so wird eine starre Zugfolge nicht erforderlich, indes häufig zur Aufrechterhaltung geordneten Betriebes angewendet. Die Zugfolge wird hierdurch auf den S. eine ganz besonders dichte, deren Maximum etwa der 2–3 Minutenverkehr nach jeder Richtung bildet (London). Aber auch in der Zeit, wo der Vorortverkehr nachläßt, sollte der Abstand der Züge auf der Stadtbahn, ungeachtet des Einwandes, daß alsdann der Verkehr an sich einen weit geringern Umfang habe, dennoch nicht wesentlich vergrößert werden, damit das Publikum jederzeit einen bereiten Zug findet. Durch den Zeitverlust, welcher herbeigeführt wird durch die zu den unvermeidlichen Ab- und Zugängen hinzutretende Wartezeit, drängt das Publikum naturgemäß leicht nach andern Verkehrsmitteln hin.

[2. Betrieb in den Bahnhöfen.] Die Abwickelung des Zugverkehrs ist nicht allein auf den Durchgangsstationen, sondern auch auf den Kopfbahnhöfen der S. sehr einfach. Man nimmt hier vom Umsetzen der Maschinen umkehrender Züge (was sonst mittels Drehscheiben, Schiebebühnen oder Rücklaufgeleisen bewirkt zu werden pflegt) in der Regel, New York ausgenommen, Abstand, fährt vielmehr die eingelaufenen Züge durch die auf einem besondern Stumpfgeleise bereitstehenden Maschinen der vorher abgefertigten Züge ab, worauf die bis dahin vor Kopf des Geleises gefangen gewesene Zugmaschine sich nunmehr ihrerseits auf jenes Stumpfgeleis begibt, um den nächstfolgenden Zug abzuwarten. Ein bezeichnendes Beispiel derartiger Betriebsweise ist in Fig. 1, welche den Moorgatestraßen-Bahnhof der Londoner innern Ringbahn darstellt, mitgeteilt. Hier sind die vorgenannten Stumpfgeleise mit a a bezeichnet. Um Raum und Zeit zu sparen, hat man auf mehreren Londoner Stationen die Einrichtung eines einzigen, zwischen zwei Außensteigen befindlichen Zugabfertigungsgeleises getroffen. Die angekommenen Reisenden steigen an einer Seite aus, gleichzeitig

Fig. 1. Plan des Moorgatestraßen-Bahnhofs der Londoner innern Ringbahn.

[874] die abfahrenden Reisenden an der andern Seite ein.

[3. Höhenlage der örtlichen Bahnen.] Ebenso wie die gegenseitige Kreuzung der Bahnen in Schienenhöhe in städtischen Gebieten durchaus unzulässig ist, ist auch eine Kreuzung städtischer Verkehrsstraßen in Kronenhöhe durch stark belastete örtliche Bahnen nicht denkbar. Letztere sind vielmehr zu unter- oder überführen. Die Bahnen liegen daher auf Dämmen oder in Einschnitten, an deren Stelle in größerer Nähe der Binnenstadt, wo der Grund und Boden teurer wird, Viadukte und Tunnel treten. Der Anschluß einer Bahn an eine andre wird unter thunlichster Vermeidung von Schienenüberkreuzungen hergestellt. Der gegenseitige Anschluß zweigeleisiger Bahnen wird daher, wenn irgend möglich, unter Verwendung einer Rechts- und einer Linksweiche so hergestellt, daß die Geleise der abzweigenden Bahn beide nach der Außenseite der durchlaufenden Linie abgelenkt sind, wonach das eine dieser Geleise im Bogen unter oder über den durchlaufenden Geleisen her mit dem andern wieder zusammengeführt wird. Auch bei abzweigenden eingeleisigen Bahnen sind die Anschlüsse doch doppelgeleisig, was gleichzeitig den Vorteil bietet, daß vor dem Abzweigungspunkt noch ein Zug ungefährdet stehen kann.

[4. Rücksichten bei Anlage der Bahnhöfe.] Infolge der Verschiedenheit in der Höhenlage der Bahn- und Straßenkrone liegen die Stationen über oder unter den Straßen und müssen durch Treppen nach oben, durch Treppen oder Fahrstühle nach unten erreicht werden, durch Fahrstühle, wenn die zu überwindende Höhe über 8–10 m hinausgeht. Das Publikum, welches bei den örtlichen Reisen jede Zeitversäumnis meidet, erwartet in den Stationen die Züge auf den Bahnsteigen und verläßt diese sofort nach dem Aussteigen. Wartesäle sind daher überflüssig. Die Stationen müssen eine gesteigerte Leistungsfähigkeit besitzen, daher leichte Orientierung ohne lästiges, zeitraubendes Fragen ermöglichen, genügend zahlreiche und leicht zugängliche Fahrkartenschalter besitzen, leichte und schnelle Fahrkartenprüfung gewährleisten, mit ausreichenden wegweisenden Aufschriften, deutlichen (auf Schildern, Bänken, Lampen) angebrachten Stationsnamen ausgestattet sein. Die Züge müssen leicht zu besteigen sein (hohe Perrons od. tief liegende Wagenböden) und sollten durch Kopf- und Wagenaufschriften die vorher auf den Stationen angezeigte Fahrrichtung angeben. Unter Umständen ist das Publikum durch Abrufen zu orientieren. Die etwa vorhandenen verschiedenen Fahrklassen sollten an bestimmten, durch Inschriften in den Stationen ein für allemal festgesetzten Stellen halten.

Die Stationen erhalten ferner, was ihre Gesamtanlage betrifft, bei stärkerm Verkehr zweckmäßig getrennte Bahnsteige für die einzelnen Fahrrichtungen, bei durchlaufender zweigeleisiger Bahn also Außensteige. Bei mehr als zwei Geleisen ist dies nicht streng durchführbar. Getrennte Ein- und Ausgänge sind bei stärkerm Verkehr häufig geboten; allerdings ist hierbei in der Regel ein doppeltes Stationspersonal erforderlich. In diesen Beziehungen sind die Anlagen auf der Londoner innern Ringbahn, wo auch der stärkste Verkehr scheinbar mühelos abgewickelt wird, nirgends übertroffen, obwohl die Außenperrons mehrfach nur 4,5 m Breite und 90 m Länge haben. Zu letztern führen je besondere Treppen, deren Verwechselung durch auf den Fahrkarten aufgedruckte Zeichen (O = Outer rail, I = Inner rail), welche auch an der Treppenwand angebracht sind, unmöglich gemacht ist. Die Lochung der Fahrkarten geschieht mit bemerkenswerter Schnelligkeit, da sie zu dem Zweck den Reisenden nicht aus der Hand genommen werden müssen, wie dies z. B. in Berlin geschieht. Bei den New Yorker Hochbahnen sind ebenfalls seitliche Außensteige angewendet. Auf der Berliner Stadtbahn sind Inselsteige vorhanden, welche weniger günstige Treppenanordnungen ermöglichen.

[5. Abfertigung des Publikums.] Die Reisenden betreten die Bahnsteige an bestimmten Eingängen, wo die Prüfung der Fahrkarten oder auch, sofern Fahrkarten nicht ausgegeben werden, die Entrichtung des Fahrgeldes und in letzterm Falle auch die Zählung der Reisenden vorgenommen wird. Die Eingänge dienen bei weniger starkem Verkehr, wo eine strenge Sonderung der ab- und zugehenden Reisenden nicht erforderlich wird, wohl auch als Ausgänge. An diesen werden auch die Fahrkarten, sofern solche während der Reise überhaupt in der Hand der Reisenden bleiben, abgenommen, was dann meist wieder ein besonderes Personal erfordert. Beim Abteilsystem der Züge wird, um an Zeit zu sparen, dem Publikum das Öffnen der Thüren stets selbst gestattet, während beim System mit Kopfthüren der Zutritt wohl nur von dem Schaffner freigegeben wird. Abrufen ist bei ausgiebiger Anbringung der Stationsnamen (an den Wänden, auf Banklehnen und Laternen) nicht erforderlich, vorausgesetzt, daß die Namen nicht durch anderweite Aufschriften schwer auffindbar sind. In Berlin wird nicht ausgerufen, in London, wo dicht aneinander aufgehängte riesengroße Geschäftsanzeigen sämtliche Wände bedecken, wird ausgerufen, und zwar so, daß vor dem Eintreffen der Züge von einem Stationsbeamten die Richtung des ankommenden Zuges und bei der Einfahrt des Zuges der Name der betreffenden Station ausgerufen wird. In New York, wo die zahlreichen, einander genau gleichenden Stationen nach der Straßennummer benannt sind, wird durch die Zugschaffner bei der Abfahrt die nächste Station mit dem Zusatz „next“ und bei der Einfahrt nochmals ohne den Zusatz ausgerufen. Im übrigen wird in London und Berlin durch verstellbare Weisertafeln und wechselbare Aufschriften die Richtung des Zuges noch bekannt gegeben. Wo verschiedene Wagenklassen bestehen, wird das Auffinden derselben, wie schon gesagt, durch besondere Aufschriftstafeln über den Bahnsteigen oder an der Wand erleichtert. Belästigung des Publikums durch Signale mit Dampfpfeifen, Glocken etc. ist im örtlichen Bahnverkehr vermieden.

[6. Züge.] Beim Abteilsystem der Züge wird ein schnelleres Entleeren und Füllen gewährleistet als bei dem System mit Längsgang und Eingang von der Kopfseite. Die Zahl der Fahrklassen ist bei den verschiedenen S. verschieden. In London hat man drei, in Berlin zwei, in New York und auf der City- und Südlondonbahn nur eine Fahrklasse. In letzterm Falle ist die Abfertigung der Züge wesentlich vereinfacht. Die Zusammensetzung der Züge ist eine sich stets gleichbleibende und mit Rücksicht auf die umkehrenden Bewegungen derselben häufig eine ganz symmetrische. Züge, welche in ständigem Kreislauf verkehren, wobei auch eine gerade Anzahl von Zwischenkopfstationen eingeschaltet sein kann, und Züge, welche auf derselben Basis hin und her pendeln, gleichviel, ob dabei Zwischenkopfstationen angelaufen werden, können ihre Wagen in beliebiger Reihenfolge anordnen. Bei Ringfahrten mit einer ungeraden Zahl eingeschalteter Rückkehrpunkte (Zwischenkopfstationen) ist dagegen Gleichmäßigkeit angebracht. Ganze [875] Züge oder einzelne Wagengruppen bilden wohl für gewöhnlich ein untrennbares Ganze (Blockzüge). Die Kuppelungen sind dabei in London besonders kurz, um die Züge kurz zu halten. Die Züge in Berlin und London erhalten an jedem Ende ein Schutzkoupee, das hintere dient dem Schaffner (das vordere in London wohl einem zweiten Schaffner) als Aufenthalt. In London enthält jedes dieser Koupees eine Handbremse. Die Ausrüstung der Züge mit durchgehenden Bremsen ist in neuerer Zeit selbstverständlich. In Berlin wird die Smith Hardy-Luftsaugebremse, in London die Westinghouse- oder selbstthätige Luftsaugebremse, in New York die Eamessche Bremse angewendet. Dampfheizung sind in Berlin und New York in Gebrauch, in London höchstens Fußwärmer. Beleuchtung durch Gas; neuerdings wird Elektrizität versuchsweise angewendet. Der Beförderungsdienst der Züge ist je nach der Art der verkehrenden Wagen verschieden. In London läßt der (hintere) Zugschaffner selbst, in Berlin der Stationsbeamte nach Meldung des Zugschaffners den Zug abfahren. Letzteres ist das Umständlichere. Bei den Zügen mit Längsgang in New York befindet sich zwischen je zwei Wagen auf der Hinterplattform des vordern je ein Schaffner. Der Schaffner auf der Hinterplattform des letzten Wagens gibt das Zeichen zur Abfahrt durch einmaliges Ziehen an einer unter der Wagendecke angebrachten Zugleine, welches vom folgenden Schaffner durch zweimaliges, vom dritten Schaffner durch dreimaliges Ziehen fortgepflanzt und so dem Zugführer mitgeteilt wird. Letzterer bringt dann durch zweimaliges Ziehen an der Leine eine Glocke auf der Lokomotive zum Ertönen, wodurch das Signal zur Abfahrt gegeben ist. Die Fahrgeschwindigkeit ist für alle Züge der Stadtlinien die gleiche. Bei Vorortlinien ist sie wohl etwas größer als bei den Stadtlinien; zudem kommen besondere Vorortschnellzüge in Betracht. Eine größere Geschwindigkeit des Zuges während der Fahrt als 40 km in der Stunde kommt, abgesehen von den Schnellzügen, im allgemeinen nicht vor, durchschnittlich wird mit 30 km gefahren. Die Reisegeschwindigkeit (d. h. die Aufenthalte eingerechnet) ist etwa zu 20–25 km anzunehmen.

Die Zugstärke beträgt in Berlin durchschnittlich 8–10 Wagen, hierunter sind dem Bedürfnis entsprechend etwa 2 Wagen II. Klasse. In London ist die Zugstärke ebenfalls nach dem Bedürfnis verschieden und geht bis zu 12 Wagen, selten darüber hinaus, der Durchschnitt beträgt 10 Wagen. Die auf den S. verwendeten Wagen sind teils zweiachsig, teils haben sie vier Achsen, welche in Drehgestellen vereinigt sind. Die zweiachsigen Wagen I. Klasse haben 4 × 8, die Wagen II. Klasse 4 × 10 oder 5 × 10 und die III. Klasse 5 × 10 Sitze, die vierachsigen Wagen 8 × 10 Plätze III. oder II. Klasse und 6 × 8 Sitze I. Klasse. Gemischte vierachsige Wagen haben drei Abteilungen I. Klasse in der Mitte und je zwei Abteilungen II. Klasse an den Enden. Die Wagen der New Yorker Hochbahnen sind sämtlich als Durchgangswagen gebaut, wie dies in Amerika üblich ist. An den Enden der Wagen sind Längs-, in der Mitte Quersitze so angeordnet, daß auch Raum für Stehplätze verbleibt, welche zu Zeiten starken Verkehrs benutzt werden. Die Zahl der Plätze, 32 Längs-, 16 Quersitze und 32 Stehplätze, beträgt zusammen 80. Es gibt nur eine Klasse für Reisende beiderlei Geschlechts. Die Endplattformen der Wagen sind gegen die Bahnsteige mit Drehthüren, im übrigen durch Gitter seitlich abgeschlossen. Bei den Berliner Wagen ist Rauchen in III. Klasse allgemein gestattet, in der II. Klasse jedoch verboten, in London sind Rauchwagen besonders bezeichnet, in New York besteht allgemeines Rauchverbot, auch auf den Kopfplattformen. Die Züge der City- und Südlondonbahn, deren Wagen etwa wie die der gewöhnlichen Straßenbahnen eingerichtet sind, bestehen aus 3 Wagen zu je 32 Personen auf zwei Längsbänken.

Im Stadt- und Vorortverkehr werden ausschließlich Tenderlokomotiven verwendet. In Berlin bestehen neben dem Stadt- und Ringbahnmuster (Gewicht 40,8 Ton.) noch schwerere Vorortmaschinen (42,66 T.), welche indes im allgemeinen leichter sind als die Londoner Maschinen, von denen eine große Zahl verschiedener Formen besteht. (Gewichte: 47,2 T., 52,7 T. etc.) Die Normaltendermaschinen der New Yorker S. sind nach Forneyschem Muster gebaut und wiegen nur 20,12 T. Der Abstand der Züge ist bei den Londoner und Berliner Bahnen nach dem (Raum-) Blocksystem geregelt, in New York war bisher nur Vorschrift, daß der Abstand der Züge so groß sein muß, daß der folgende Zug zum Stehen gebracht werden kann, ehe er den vorhergehenden erreicht. Bei Nebel und Dunkelheit soll dieses Maß mindestens 76 m betragen.

[7. Fahrkarten.] Die Verschiedenartigkeit der Karten sollte bei den S. nach Möglichkeit eingeschränkt werden. Am größten ist sie in London, wo einfache und Rückfahrtkarten I., II. und III. Klasse, Arbeiter-Tages- und -Wochenkarten, Ausflugskarten, Zeitkarten I. und II. (nicht III.) Klasse, letztere für 1, 3, 6 und 12 Monate, im Gebrauch sind. Arbeiterkarten berechtigen hier nur zu bestimmten Frühzügen bis 8 Uhr, später zu allen Zügen nach 4 Uhr nachmittags, an Sonnabenden bereits nach 12 Uhr mittags. Ist die Fahrt zu allen Zügen freigegeben, so erhöhen sich die Preise auf das Doppelte. Zeitkarten (season and periodical tickets) sind in London im ausgiebigsten Gebrauch, wodurch die Schalterbeamten ganz bedeutend entlastet werden. Die einfachen und Rückfahrtkarten werden bereits am Schalter abgestempelt und gelten nur für die betreffenden Züge. In Berlin gibt es nur einfache Karten II. und III. Klasse; welche nach beiden Richtungen zwischen zwei Stationen gelten, sodann Arbeiter-Tages- und -Wochenkarten mit Ausschluß der Züge zwischen 8 und 4 Uhr, endlich Zeitkarten. Die einfachen Karten werden erst beim Betreten der Bahnsteige abgestempelt und gelten das ganze Jahr hindurch, so daß sie in Vorrat gekauft werden können. Auf den New Yorker Hochbahnen besteht, da es hier nur eine Fahrklasse gibt, auch nur eine Sorte Fahrkarten. Die Fahrpreise sind von der Entfernung unabhängig und nur für die Zeit von 5 Uhr 30 Min. bis 8 Uhr 30 Min. morgens sowie 4 Uhr 30 Min. bis 7 Uhr 30 Min. abends billiger. Gültigkeitsdauer und Benutzbarkeit der Karte ist unbeschränkt. Die Karten werden nach Lösung am Bahnsteigzugang unter Aufsicht des gateman in einen Kasten geworfen, wo ein Maschinenwerk sie durch Zerstechen entwertet. Die Fahrpreise wechseln in London mit der Entfernung, doch, wie bei den Londoner Wettbewerbsverhältnissen der Bahnen untereinander und mit den Straßenverkehrsmitteln wohl erklärlich, ohne Regelmäßigkeit. Auf Einführung von Gruppenfahrsätzen ist nicht Bedacht genommen. Die Höhe der Fahrsätze ergibt sich nach einem aus vielen Fällen gezogenen Durchschnitt zu 7,8, 5,4 und 4,2 Pf. pro Kilometer in der I., II. und III. Klasse für einfache Fahrkarten. Auf der Berliner Stadt- und Ringbahn werden in der III. Klasse 10 Pf., in der [876] II. Klasse 15 Pf. für eine gewisse Zahl von Stationsentfernungen, gewöhnlich fünf, berechnet; im Vorortverkehr sind die Fahrpreise für bestimmte Stationsgruppen einander gleich (Zonentarif). Bis 7,5 km werden in der III. Kl. 10 Pf., bis 15 km 20 Pf., bis 20 km 30 Pf., für jedes weitere Kilometer 3 Pf. mehr erhoben. Die Karten II. Kl. kosten die Hälfte mehr. Die Preise sind wesentlich niedriger als die Londoner. In New York betragen die Fahrpreise (unabhängig von der Entfernung) wie auf der Pferdebahn 5 Cents (20 Pf.) von 5 Uhr 30 Min. bis 8 Uhr 30 Min. vormittags und 4 Uhr 30 Min. bis 7 Uhr 30 Min. nachmittags; sonst 10 Cents (40 Pf.). Für Kinder treten Ermäßigungen ein. Auf der City- und Südlondonbahn betrug anfänglich der Fahrpreis für jeden Abschnitt der 5 km langen Strecke 2 Pence = 162/3 Pf.; jetzt sind einige Verschiedenheiten eingeführt.

[8. Neuere Bestrebungen.] Es muß anerkannt werden, daß vollspurige Viadukt- und Tunnelbahnen mit Lokomotivbetrieb nicht die geeigneten Verkehrsmittel für den Binnenverkehr der Städte sind, da hier eine weitgehende Verzweigung der Verkehrswege gefordert werden muß. Dafür sind sie einerseits zu kostspielig, nehmen anderseits als Hochbahnen viel Raum ein, während sie als Tunnelbahnen den Nachteil haben, daß der Rauch und die Feuergase der Lokomotive die Luft in unerträglicher Weise verunreinigen, abgesehen von sonstigen Unannehmlichkeiten der Fahrt. Man hat, da sowohl die langsamern und schwerfälligern Omnibusse und Pferdebahnen den gesteigerten Ansprüchen des Schnellverkehrs nicht mehr genügen, Droschken aber zu teuer sind, darauf gesonnen, auf andre Weise diesen Verkehrsbedürfnissen gerecht zu werden. Zur Zeit glaubt man, daß durch die elektrische Betriebsweise die erwünschte Reformation auf diesem Gebiete herbeigeführt werde; da ein Schnellverkehr aber in den Straßenzügen selbst inmitten des gewöhnlichen Verkehrs zu gefährlich erscheint, hat man in London wie New York und auch in Berlin und Wien den Bau eines ausgedehnten Netzes von Tunnelbahnen ins Auge gefaßt nach Art der City- und Südlondonbahn. Diese Schnellverkehrsmittel würden ebenso wie Omnibusse und Straßenbahnen mitten im Netz der Vollspurbahnen unabhängig dastehen, auch mit engerer Spur als diese ausgerüstet werden können, indessen für sich eine Ausdehnung in die Vorstädte und selbst Vororte wohl zulassen. In dieser Beziehung steht wohl unzweifelhaft eine Umwälzung im städtischen Verkehrswesen bevor.

II. Londoner Stadt- und Vorortbahnen.

Der Ausgangspunkt des ungemein verzweigten örtlichen Londoner Bahnnetzes ist die innere Ringbahn, die eigentliche Stadtbahn Londons. Sie bildet eine in west-östlicher Richtung langgestreckte, City und Westend, welche als die eigentliche Binnenstadt zu gelten haben, umfahrende, rings geschlossene Schleife. Die City ist der Sitz des Großhandels, das Westend der des offenen Geschäftes und der geselligen Vergnügungen. Die innere Ringbahn ist zweigeleisig, auf 21 km Länge in Tunneln geführt und stellt eine mittelbare Verbindung der dem Fernverkehr dienenden Endbahnhöfe (Paddington der Westbahn, Euston der Nordwestbahn, St. Pancras der Mittellandbahn, King’s Croß der Nordbahn, Liverpool Street und Fenchurch Street der Ostbahn, Cannon Street und Charing Croß der Südostbahn und Victoria der London-Brighton-Südküste und London-Chatham-Dover-Bahnen) dar. Ebenso sind die Bahnhöfe St. Pauls, Ludgate Hill und Holborn Viaduct der letztgenannten Bahn mittelbar einbezogen, während die südlich der Themse belegenen Bahnhöfe London Bridge der Südost- und Brightonbahnen sowie Waterloo der Südwestbahn die innere Ringbahn, welche ebenso wie alle übrigen genannten Stationen ganz nördlich der Themse bleibt, nicht erreichen (s. das Kärtchen, Fig. 2).

Die Verbindung der Ringbahn mit jenen Stationen ist wegen der ungleichen Höhenlage beider bei Paddington, Liverpool Street, Cannon Street, St. Pauls, Holborn und Victoria durch Treppenanlagen und Personentunnel, bei den übrigen Hauptstationen über die Straßen hinweg, bei Liverpool Street noch durch eine Geleisverbindung bewirkt, die indes nicht benutzt wird. Bei Euston und King’s Croß sollen noch Fußgängertunnel hergestellt werden.

Mit der Ringbahn stehen zwischen King’s Croß und Moorgate Street die erweiterten Linien (widened lines) in engster Beziehung, welche, von der Mittelland- und Nordbahn herabkommend, in einem an die Ringbahn angeschmiegten, aber zwischen King’s Croß und Farringdon von deren Nordseite unter ihr hindurch auf die Südseite übergeführten Tunnel verlaufen. Mittels des Bogendreiecks von Farringdon schließt die London-Chatham-Doverbahn an diese Linie an.

Betrieb. Die sehr große Zahl verschiedener Bahngesellschaften in London führte zu ausgedehnten Betriebsvereinbarungen und Gemeinschaftsbetrieben, durch welche es erst möglich war, den von der Allgemeinheit gestellten Anforderungen an einheitliche Betriebsführung zu genügen. So findet man auch in London zahlreiche Fälle von Gemeinschafts- und Pachtstrecken. Die innere Ringbahn nun, deren Südabschnitt im Besitz der Metropolitan District-Gesellschaft steht, deren Nordabschnitt der Metropolitan und deren östlicher Schluß beiden gemeinsam gehört, einerseits und die der Metropolitan gehörigen erweiterten Linien anderseits bilden die beiden Ausgangspunkte für die beiden auf die S. übergeführten Betriebsgruppen des Vorstadt- und Vorortverkehrs. Hiervon sind die zahlreichen Vorortverkehre zu trennen, welche nach den vorgenannten Hauptbahnhöfen geführt sind und in besondern Abschnitten derselben abgefertigt werden. Der lediglich für den Vorortverkehr angelegte Broad Street-Bahnhof ist besonders zu nennen.

a) Betriebsgruppe der innern Ringbahn und der erweiterten Linien. Durch das sogen. „X“ von Earls Court sind zahlreiche westliche Vororte und Wimbledon, durch den Anschluß bei Edgeware Road die an der Westbahn und deren Verzweigungen gelegenen Vororte und durch die Aylesbury-Linie, welche bei Baker Street an die innere Ringbahn anschließt, die nordwestlich gelegenen Vororte in diese Bahn einbezogen. Im O. schließen vermittelst des Bogendreiecks von Aldgate weitere Tunnelstrecken an, zunächst die der Metropolitan- und der Districtbahn gemeinschaftliche Whitechapel-Erweiterung, welche in die unterirdische Ostlondonbahn mündet. Letztere verbindet die Ostbahn mit den Stationen der Brighton- und der Südostbahn bei New Croß.

Die Grundlage und den Ausgangspunkt der Ringbahnverkehre bildet der Verkehr von Zügen, welche, nach jeder Richtung in 10 Minuten Abstand einander folgend, den Ring nach beiden Richtungen, in je 70 Minuten einmal, in beständiger Kreisfahrt durchlaufen und an jeder ihrer 25 Stationen 15–30 Sekunden anhalten (circle trains). Hiermit verschmolzen [877] sind die Züge des Mittel- und Außenringes. Erstere verkehren in halbstündlicher Folge zwischen Mansion House (über das X von Earls Court, Kensington, Addison Road und Edgeware Road) und Aldgate, treten also aus der Ringbahn aus und wieder in dieselbe hinein. Die Außenringzüge zwischen Mansion House, Broad Street und über Willesden, die Nordwest- und Nordlondonbahnen benutzen nur den südlichen Teil der Ringbahn. Die Metropolitan- und die Distriktbahn führen den Innenringbetrieb, die Westbahn den Mittelringbetrieb und die Nordwestbahn den Außenringbetrieb. Die Betriebslängen der drei Ringe betragen:

Innerer Ring 21,0 Kilom. 27 Stationen
Mittelring 23,1 27
Außenring 31,4 30

Zwischen die Züge dieser örtlichen Verkehre sind eine ganze Reihe von Vorortverkehren geschaltet, von denen ein Teil auch lediglich zur Verstärkung der Betriebe vor und nach der Geschäftszeit eingerichtet ist. Diese Verkehre bewegen sich über den nördlichen oder südlichen Abschnitt der Ringbahn, im ersten Falle bei Edgeware Road, im letztern über das X diese verlassend. Die östlichen Endpunkte sind Moorgate Street, Aldgate und Whitechapel nördlich sowie New Croß südlich der Themse; im letztern Falle gehen die Züge unter der Themse her durch den berühmten Brunelschen Themsetunnel. Die westlichen Endpunkte der genannten Betriebe liegen in Hammersmith, Putney, Wimbledon, Ealing und Richmond sowie mehreren im Bereich der Westbahn gelegenen Vororten.

Fig. 2. Karte der Stadt- und Vorortbahnen in London.

Sie haben noch Anschlüsse an Hounslow etc. auf Nebenlinien.

Die Zahl der Personenzüge auf der innern Ringbahn beträgt rund 550 täglich, wozu noch einige nach dem Smithfieldmarkt in der City gerichtete Westbahngüter- (Fleisch- etc.) Züge treten. Im W. ist die Ringbahn auf eine kurze Strecke nur mit etwa der Hälfte der Züge belastet. Die Geschwindigkeit der Ringbahnzüge beträgt ohne Aufenthalt rund 30 km, mit Aufenthalten nur rund 18 km. Auf die höchst verwickelten, aber mustergültig eingerichteten Sicherungswerke, welche allein eine sichere Abwickelung des Zugverkehrs in den unübersichtlichen Tunnelstrecken ermöglichen, sei hier nur hingewiesen.

Durch die Anlage des Bogendreiecks von Farringdon [878] ist erreicht, daß sowohl von Süden auf der London-Chatham-Doverbahn als von N. auf der Metropolitanbahn ankommende Züge bis Moorgate Street gelangen, wie anderseits Vorortzüge in nordsüdlicher Richtung durch London hindurchgeführt werden können. Diese sämtlichen Verkehre, welche Züge der Nord- und Mittellandbahnen sowie der London-Chatham-Dover- und Südostbahnen betreffen, zu welchen aber ferner noch Züge der Südwestbalm (bis Snow Hill) und der Chatham-Dover-Bahn (bis St. Pauls, Ludgate Hill und Holborn) hinzutreten, weichen von der starren Zugfolge gänzlich ab, da hier örtliche Züge nicht das Tempo bestimmen, und lassen die Mitte des Tages mehr oder weniger frei. Die nördlichen Vororte: Hatfield, Barnet, Enfield, Wood Green, der Alexandrapalast etc., die südlichen: Greenwich, Bickley, Beckenham, der Kristallpalast, Richmond, Wimbledon etc., sind einbezogen, während anderseits zahlreiche Züge zwischen Victoria und den nördlichen Vororten durchlaufend verkehren oder sich auch wohl nur bis an eine der Citystationen bewegen.

Die Bahnhöfe in der Innenstadt (Ringbahn) sind vielfach deshalb nicht leicht aufzufinden, weil ihre Zugänge in Mietshäuserfronten, ohne besondere Kenntlichmachung angebracht sind (Mansion House etc.). Wo es indes die Umstände gestatteten, ist zur Vereinzelung der Stationen geschritten (Temple, Fig. 1 u. 2, Taf. „Stadtbahnen“), die in Bezug auf Ausstattung sonst lediglich nach dem praktischen Bedürfnis eingerichtet sind.

b) Betriebsgruppe der oberirdisch an City und Westend in Kopfstationen endigenden Betriebe. Die Mannigfaltigkeit der hierher gehörigen Betriebe ist eine erstaunliche und für den Unternehmungsgeist des thatkräftigen englischen Volkes in hohem Grade bezeichnend. Eine Aufzählung aller der verschiedenen hierher gehörigen Fälle würde viel zu weit führen. Diese Verkehrsgruppe wird durch den Lauf der Themse in zwei große Abschnitte geschieden, von welchen der nördliche wieder in einen westlichen und östlichen zerfällt. Für letztern kommen als Endbahnhöfe Broad Street, Liverpool Street und Fenchurch Street in Betracht. Die Nord- und Südgruppe sind im übrigen durch die Nord- und Südwestverbindungsbahn, die Westlondonbahn und ihre Erweiterung sowie die Ostlondonbahn in gegenseitige Beziehungen gesetzt. Die von Broad Street (Nordlondonbahn) ausgehenden Verbindungen sind nach den Orten der obern Themse, nach den Docks und Orten der untern Themse und nach den Vororten im Gebiete der Nordbahn ausgedehnt. Die Strecke, welche an den Endbahnhof anschließt, hat täglich 660 Züge (außerdem noch 60 Güterzüge). Der Fahrplan der Nordlondonbahn ist durchaus starr und regelmäßig, soweit der Verkehr sich nach O. und W. bewegt, im erstern Fall, weil er mehr den Charakter des Stadtverkehrs hat, im letztern wegen der Gesetzmäßigkeit des Außenringbetriebes. Die Betriebe auf der erweiterten Stadtbahn zwischen Victoria und den Citybahnhöfen der London-Chatham-Doverbahn und der Südlondonbahn zwischen Victoria und dem Londonbridge-Bahnhof der Brightonbahn mögen noch als besonders wichtige Vorstadtbetriebe hervorgehoben werden. Den bedeutendsten Vorortverkehr hat im übrigen die Ostbahn.

Verkehr. Die innere Ringbahn erfüllt den Zweck einer eigentlichen Stadtbahn nur unvollkommen, wie von einer am Umfang der Binnenstadt entlang, statt durch dieselbe hindurch geführten Stadtbahn nicht anders zu erwarten ist. Da das Verkehrsgebiet der innern Ringbahn nicht weit in die Binnenstadt hinübergreift, abgesehen allenfalls von der City, wo der Ring bis auf 800 m zusammengequetscht ist, so ist vor der Hand der üppigsten Entwickelung der binnenstädtischen Verkehrsmittel freier Raum gelassen; da Straßenbahnen in City und Westend und auf den Themsebrücken wegen des starken Verkehrs nicht zugelassen sind, fällt die Personenbeförderung hier lediglich den Omnibussen und Droschken zu. Die Omnibusse thun durch die beispiellose Billigkeit ihrer Fahrsätze den Eisenbahnen erheblich Abbruch. Nach dem Muster der elektrisch betriebenen unterirdischen City- und Südlondonbahn (eröffnet Dezember 1890) zwischen der City und Stockwell (Vorstadtbahn) wird der Ausbau eines über Westend und City sich verzweigenden und in die Vorstädte hinausgeführten Netzes von elektrischen Untergrundbahnen, von denen die sogen. Zentral-Londonbahn bereits genehmigt ist, beabsichtigt. Über die Zahl der auf den Londoner Bahnen beförderten Personen ist Auskunft nicht zu erhalten, da die Statistik nur die auf den Eigentumslinien eines ganzen Bahngebietes beförderten Personen angibt. Einen ungefähren Anhalt geben die Angaben der örtlichen Londoner Bahnen. Hiernach betrugen im J. 1887:

Bahn Zahl der Reisenden auf Fahrkarten Inhaber von Zeitkarten Einnahmen in Millionen Mark
Millionen
Metropolitan 70,69 23628 12,16
Metropolitan­distrikt 41,23 16372 8,63
Nordlondon 29,25 327526 5,94
Ostlondon 5,82 187 0,76
Zusammen: 147,04 367713 27,49

Geschichte. Die in London mündenden Stammlinien verfolgten noch nicht den Zweck, tiefer in das Herz der Landeshauptstadt einzudringen. Erst 1845, im Jahre der „Eisenbahnmanie“, machten sich dahin zielende Bestrebungen geltend. Von 19 Vorlagen über Bahnen im hauptstädtischen Gebiet erhielt nur eine im J. 1853 die Genehmigung des Parlaments, betreffend eine 3,6 km lange Linie der North Metropolitan-Gesellschaft zwischen Edgware Road und King’s Croß, welche jetzt einen Teil der Ringbahn bildet (von Fowler erbaut). Erweiterungen westlich nach Paddington und östlich nach Farringdon wurden 1854 genehmigt, 1963 eröffnet. Die sämtlichen Tunnel wurden zweigeleisig und mit der Brunelschen Weitspur (2,135 m; die übliche Vollspur hat 1,435 m) angelegt. Die Gesellschaft führte fortan den Namen der Metropolitan-Gesellschaft. Eine nun auftretende Flut neuer Projekte veranlaßte, daß 1863 ein Parlamentsausschuß zur Beratung über den zweckmäßigsten allgemeinen Plan eingesetzt wurde. Der Fowlersche Plan der später ausgebauten innern Ringbahn gelangte zur Annahme. In der Folge wurden eröffnet: Die Erweiterung nach Moorgate Street im Dezember 1865, nach Westminster im Dezember 1868, nach Mansion House im Juli 1871, nach Bishopsgate im Juli 1875, nach Aldgate im November 1876, nach dem Tower im September 1882 und des ganzen Ringes im Oktober 1884, gleichzeitig mit der Whitechapel-Erweiterung. Die Ostlondonbahn, mit welcher letztere verbunden ist, wurde 1865 genehmigt, 1869 von New Croß bis Wapping eröffnet, 1876 an die Ostbahn angeschlossen. Sie hat insofern Interesse, als sie die Themse mittels des altehrwürdigen Brunelschen Tunnels unterschreitet.

[879] Die erweiterten Linien wurden mit einem eingleisigen Anschluß an die Nordbahn 1861 genehmigt und bald darauf ausgeführt. Bei einem 1866 bewilligten Umbau wurde der Anschluß erweitert und hierbei auch die Mittellandbahn angeschlossen, 1868 die Verbindung mit der London-Chatham-Dover-Bahn genehmigt. Die Abzweigung, welche die Ringbahn bei Baker Street verläßt, die früher eingeleisig mit Hilfe eines Zugpiloten betriebene St. Johns Wood-Bahn, jetzt ein Teil der Metropolitan, wurde 1864 genehmigt, später zweigeleisig ausgebaut und schrittweise bis Willesden Green (1879), Harrow (1880), Rickmansorth (1885) und Chesham (1888) eröffnet. Die überaus wichtige Nordlondonbahn entstand aus der Ost- und Westindische Docks- und Birmingham-Verbindungsbahn, eines für den Güterverkehr der Nordwestbahn hergestellten Dockanschlusses, welcher 1846 genehmigt wurde. Das Bindeglied mit der City bei Broad Street wurde erst 1861 genehmigt. Auf die Geschichte der übrigen Bahnen ist hier nicht weiter einzugehen. Im übrigen findet fort und fort eine Vermehrung der Vorortlinien und Weiterführung derselben auch in entferntere Vororte statt. Hiermit geht eine Vermehrung der Schienengeleise mehr nach dem Stadtinnern zu Hand in Hand, welche mit ungeheuern Kosten in dicht bebauten Stadtteilen, in welchen die Bahnen auf Viadukten geführt werden, vorgenommen werden muß.

Die Herstellungskosten der innern Ringbahn haben zwischen 61/2 u. 15 Mill. Mk. das Kilometer betragen.

III. Berliner Stadt- und Vorortbahnen.

Die Berliner Anlagen treten gegen die Londoner in ihrer Ausdehnung und Entwickelung sehr weit zurück, wie die in gleichem Maßstabe ausgeführten Übersichtskärtchen (Fig. 2 und 3) sofort erkennen lassen. Man hat hierbei indes im Auge zu behalten, daß die Berliner Anlagen erst viel später entstanden sind als die Londoner, sowie daß, abgesehen von der geringern Einwohnerzahl von Berlin, die Entwickelung dieser Stadt mehr in die Höhe gerichtet ist als in London, wo die größere Breitenausdehnung auch die örtliche Bahnentwickelung weit mehr begünstigt.

Den Ausgangspunkt der örtlichen Berliner Verkehrslinien bildet die Stadtbahn, welche gewöhnlich nach ihrer Entstehung vom Bahnhof Charlottenburg im W. bis zum Schlesischen Bahnhof im O. gerechnet wird und einschließlich dieser beiden Bahnhöfe 12,145 km Länge mißt. In Wirklichkeit ist indes ihre Ausdehnung bis zum Bahnhof Stralau-Rummelsburg anzunehmen, 3,32 km jenseit des Schlesischen Bahnhofes. In der Innenstadt bildet die Bahn, ähnlich wie zahlreiche Strecken der Londoner Bahnen, eine fortlaufende Reihe von Viaduktgewölben (8 km); sie ist viergeleisig, die beiden nördlichen Geleise dienen dem örtlichen, die südlichen auch dem Fernverkehr. Von dem frühern Plan, in die Stadtbahn gewissermaßen als einen langgestreckten Endbahnhof den Fernverkehr einzuleiten, hat man wegen des in den letzten Jahren außerordentlich angewachsenen örtlichen Verkehrs mehr und mehr absehen müssen. Jetzt münden von den Fernzügen in die Stadtbahn nur die der Berlin-Wetzlarer Bahn und die Schnellzüge der Berlin-Lehrter Bahn im W., die Züge der Ostbahn, Niederschlesisch-Märkischen und der Görlitzer Bahn im O. Die nach W. gehenden Fernzüge entspringen und endigen im Schlesischen, die nach O. gerichteten teils im Bahnhof Charlottenburg, teils im Bahnhof Grunewald. Von den Stadtbahnstationen dienen dem Fernverkehr nur Charlottenburg, Zoologischer Garten, Friedrichstraße, Alexanderplatz und Schlesischer Bahnhof. Die übrigen Bahnen, die Anhalter und Potsdamer im S., die Lehrter und Stettiner im N. und die Görlitzer Bahn im O., endigen in ihren gleichnamigen Endbahnhöfen. Der Lehrter Bahnhof nimmt die Hamburger und der Anhalter Bahnhof noch die Dresdener Bahnen auf; die Nordbahn endet im Nordbahnhof. Die Militärbahn sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Für den örtlichen Verkehr hat die Stadtbahn 12 Stationen, die auf dem Kärtchen (Fig. 3) näher angegeben sind. Für den Vorstadt- und Vorortverkehr findet sie angemessene Ergänzung durch den Nord- und Südring. Der erstere, welcher sich im W. an die Hauptgeleise der Lehrter und Hamburger Bahn heranlegt, hat die Zwischenstationen Westend, Beusselstraße,

Fig. 3. Kärtchen der Stadt- und Vorortbahnen in Berlin.

Stromstraße, Wedding, Gesundbrunnen, Schönhauser Allee, Prenzlauer Allee, Weißensee, Landsberger Allee, Zentralviehhof, Friedrichsberg und endet in Stralau-Rummelsburg. In Gesundbrunnen schließen auch die Nord- und Stettiner Bahn an. Der Nordring ist zwischen Charlottenburg und Stralau-Rummelsburg 20,7 km lang.

Der Südring zieht sich durch eine Reihe schnell aufblühender Ortschaften, Treptow, Nixdorf, Tempelhof, Schöneberg, Wilmersdorf-Friedenau, Schmargendorf, Halensee mit den gleichnamigen Bahnhöfen. An der Potsdamer Bahn entlang ist der Südring von Tempelhof und Wilmersdorf bis zum Potsdamer Bahnhof (Ringbahnhof) in das Stadtinnere gezogen. Der Südring ist zwischen Charlottenburg und Stralau-Rummelsburg (an der Potsdamer Bahn entlang doppelt gerechnet) 29,4 km lang.

Es liegt in der Natur der Sache, daß an die Stadtbahn selbst unmittelbar nur die östlichen und westlichen Vororte angeschlossen sind; dann aber führen die Ringbahnen, in deren Gebiet die städtische Bebauung mehr und mehr fortschreitet, den Verkehr der von ihnen berührten Vorstädte und Vororte der [880] Stadtbahn zu. Die Stadtzüge bewegen sich zwischen den Stationen Westend und Schlesischer Bahnhof oder Stralau-Rummelsburg. Die Stadtringzüge entspringen auf den Stationen Westend und Schlesischer Bahnhof, bewegen sich tags über im Kreise in beiden Richtungen und endigen auf den vorgenannten Stationen. Die Südringzüge, deren Bildung zwar auf den Stationen Schlesischer Bahnhof und Charlottenburg erfolgt, entspringen und endigen auf dem Potsdamer Bahnhof. Die über die Stadtgeleise fahrenden Vorortzüge entspringen auf den Stationen Schlesischer Bahnhof, Charlottenburg und Grunewald und bewegen sich zwischen Charlottenburg-Grunewald und Johannisthal-Grünau. Die übrigen über die Ferngeleise der Stadtbahn fahrenden Vorortzüge entspringen oder endigen in den Stationen Schlesischer Bahnhof und Charlottenburg. Die außen liegenden Endpunkte dieser Züge sind westlich Wannsee, Potsdam und Spandau, östlich Strausberg-Rüdersdorf, Erkner und Fürstenwalde. Unterwegs berühren diese Züge zahlreiche im Aufblühen begriffene Orte.

Außer den über die Stadtbahn laufenden Vorortzügen verkehren noch weitere Vorortzüge auf den Stammlinien, und zwar Lehrter Bahnhof-Nauen, Stettiner Bahnhof-Oranienburg, Stettiner Bahnhof-Bernau, Görlitzer Bahnhof-Königs-Wusterhausen, Anhalter Bahnhof-Zossen und -Großlichterfelde, Potsdamer Bahnhof-Werder (Wannseebahn).

Der von den Berlinern, namentlich an Sonn- und Festtagen, stark besuchte Grunewald ist von der Stadtbahn, dem Potsdamer Bahnhof und Westend zugänglich.

Betrieb. Wie die preußischen Bahnen überhaupt, so befinden sich auch die Berliner Bahnanlagen in den Händen des Staates, zum großen Vorteil einheitlicher Betriebsführung. Die letztere ist den Londoner Verhältnissen nachgebildet worden. Der Grundgedanke ist auch hier die Herstellung rhythmischer Zugfolge durch Ineinandergreifen zahlreicher starrer Zugbetriebe. Den Ausgangspunkt hinsichtlich des Ortsverkehrs bildet in Berlin der Stadtbahnbetrieb zwischen dem Schlesischen Bahnhof oder Stralau-Rummelsburg einerseits und Charlottenburg oder Westend anderseits. Mit diesem Betrieb sind die Betriebe des Nord- und Südringes mit halbstündlicher Zugfolge nach jeder Richtung derart verschmolzen, daß durch das Zusammenwirken der drei Betriebe eine gleichmäßige Zehnminutenzugfolge auf der Stadtbahn entsteht. Diese Zugfolge ist aber in den dichtern Verkehrsstunden durch weiter eingeschaltete Lokal- und Vorortzüge auf 3 und 4 Minuten vermindert. Dieser stärkere Verkehr dauert von 5–9 Uhr morgens, 12–4 Uhr mittags und von 6–8 Uhr abends. Ähnliche Verstärkungen, außer mittags, entstehen auf dem Nord- und Südring. Die Betriebslänge des Nordringes beträgt 34,3 km (23 Stationen), die des Südringes 38,5 km (20 Stationen), die Strecke bis zum Potsdamer Bahnhof doppelt gerechnet. Die Reisegeschwindigkeit der Züge beträgt etwa 25 km in der Stunde, die reine Fahrgeschwindigkeit etwa 30 km. Die eigentliche Stadtbahn wird zwischen Stralau-Rummelsburg und Westend in 43, der ganze Nordring in 89, der ganze Südring in 96 Minuten durchlaufen. Die Stadtbahn hat 600 Züge und kommt ohne Fernzüge der Londoner innern Ringbahn nahe; sie geht an Sonntagen, wo noch etwa 90 Sonderzüge abgelassen werden, sogar darüber hinaus. In London ist dagegen der Zugbetrieb an Sonntagen auf etwa ein Drittel vermindert.

Auf der Strecke zwischen Potsdamer Bahnhof und Halensee (letzterer zur Zeit der besuchteste Vorort Berlins) verkehren nachmittags und abends die Züge in 10 Minuten Abstand nach beiden Richtungen.

Geschichte. Die Endbahnhöfe der acht in Berlin einmündenden Bahnen hatten früher untereinander keine leistungsfähige Verbindung, abgesehen von der Anfang der 70er Jahre erbauten Ringbahn, welche indes nur dem Güterverkehr diente. Die hierin liegenden Mißstände durch Bau einer durch die Stadt zu führenden Eisenbahn zu beseitigen, strebte zuerst Orth an. 1872 trat im Auftrage der Deutschen Eisenbahngesellschaft Hartwich der Frage näher. In die Stadtbahn sollten die beiden östlichen Staatsbahnen einerseits, die drei südwestlichen Privatbahnen, die Berlin-Potsdam-Magdeburger, Berlin-Lehrter und Berlin-Hamburger Bahn, anderseits eingeführt werden. Die Vorbereitungen für die Ausführung wurden jedoch im J. 1873 durch die ungünstige Geschäftslage empfindlich gestört, und es entstand für die Anlage der Stadtbahn ein Aktienunternehmen durch Vereinigung der Staatsregierung, der Berlin-Potsdam-Magdeburger, der Magdeburg-Halberstädter und Berlin-Hamburger Bahn mit der Deutschen Eisenbahngesellschaft unter dem Namen der Berliner Stadteisenbahngesellschaft (Aktienkapital 48 Mill. Mk., davon der Staat 21 Mill. und die Deutsche Eisenbahngesellschaft 12 Mill.). Die Deutsche Eisenbahngesellschaft kam ihren Verpflichtungen nicht lange nach. Zudem hatte sich ein Mehraufwand von 9,1 Mill. Mk. als notwendig erwiesen. Demgemäß wurde die Stadteisenbahngesellschaft 1878 aufgelöst, und die Staatsregierung als solche brachte bei dem Landtage 8. März 1878 einen Gesetzentwurf für die Fertigstellung der Stadtbahn ein, mit dessen Genehmigung ein Gesamtbetrag von 65,1 Mill. Mk. bereit gestellt wurde, und zwar: 21 Mill. Mk. aus dem frühern Aktienunternehmen, 35,7 Mill. Mk. laut Landtagsbeschluß 1878, 2,4 Mill. Mk., welche seitens der Deutschen Eisenbahngesellschaft an das frühere Aktienunternehmen bereits eingezahlt, aber verfallen waren, und 6 Mill. Mk. Beiträge der drei Privatbahnen. Hierzu traten noch rund 6,550,000 Mk., welche die Anschlußbahnen für die Endbahnhöfe aufwenden mußten. Die leitende Baubehörde hieß fortan königl. Direktion der Berliner Stadteisenbahn. Sie übernahm die bereits sehr weit geförderten frühern Vorarbeiten für die mit vier Geleisen zwischen dem Niederschlesisch-Märkischen Bahnhof und Charlottenburg geplante Bahnlinie, welche indes später nach genauerer Prüfung noch wesentlich geändert wurde; namentlich traten an die Stelle der früher geplanten Gütergeleise die nunmehrigen Ferngeleise. Eröffnet wurde die Stadtbahn 7. Febr. 1882. Ihre Kosten betragen für das Kilometer im ganzen rund 5 Mill. Mk.

Die Stadtbahn hat eine ganz besondere Wichtigkeit in militärischer Beziehung, insofern sie den Übergang von Militärzügen aus dem W. Deutschlands nach dem O. und umgekehrt unmittelbar gestattet. Unterstützt wird sie hierin von den beiden Ringbahnen. Diese Gesichtspunkte sind seiner Zeit für das Eintreten der Staatsregierung wesentlich ausschlaggebend gewesen, als es sich um Ausbau der Stadtbahn handelte.

Umfang des Verkehrs. Über die Entwickelung des Stadt- und Ringbahnverkehrs in den drei letzten Jahren, in Bezug auf die Zahl der ausgegebenen Fahrkarten und die Einnahmen, gibt die folgende Tabelle Aufschluß:

[881]

Betriebs­jahr Stadt­verkehr Stadt- und Ring­verkehr Ring­verkehr Vorort­verkehr Zu­sammen
  1) Verabfolgte Karten (Fahrkarten, Zeitkarten, Arbeiterkarten).
1888/89 13329539 3317783 3532644 1575989 21755955
1889/90 15503200 3750012 3952841 1793223 24999276
1890/91 19312550 5161231 4671923 2190197 31335901
  2) Einnahme (auf Mark abgerundet).
1888/89 2094425 619695 529495 1020679 4264294
1889/90 2360926 778119 609263 1199236 4947544
1890/91 2591821 994880 739335 1548197 5874233
IV. Die New Yorker Stadtbahnen.

Des ausgedehntesten Netzes von eigentlichen S. darf sich New York rühmen, doch mit dem großen Unterschied gegenüber London und Berlin, daß unmittelbarer Anschluß von Vorortstrecken an diese Bahnen durch die inselartig abgeschlossene Lage der Stadt unmöglich gemacht ist. Sie wird im Süden von der Bai von New York, im W. vom Hudson, im O. vom East River und im N. vom Harlem River begrenzt. Die Breite der Insel beträgt nicht über 3,5, ihre Länge nicht über 19 km. Der südliche Teil der Stadt ist Geschäftsviertel, die Wohnungen der Geschäftsleute finden sich im nördlichen Teil, ferner in den Nachbarstädten Jersey City und Hoboken westlich am Hudson, Brooklyn an der östlichen Seite des East River und andern Vorstadtgebieten, wie Newark, Elizabeth etc. Die Verbindung mit den durch Wasserwege getrennten Städten wird durch Fährboote und über die East River-Hängebrücke hinweg, auf welcher außer Fußsteigen und einer Fahrstraße für Lastfuhrwerke noch eine Kabelbahn angeordnet ist, vermittelt.

Die Manhattaninsel, auf welcher New York liegt, wird von drei der in die Ferne gerichteten Stammlinien erreicht, nämlich den New York-Zentral- und Hudson River-, New York- und Harlem- und New York-New Haven- und Hartford-Bahnen. Diese Bahnen haben ihren Endbahnhof im Zentraldepot und erreichen diesen von N. über den Harlemfluß auf drei- (vier-) geleisiger Bahn, zum großen Teil unterirdisch. Die erstgenannte Bahn hat noch einen besondern Bahnhof, der meist nur von örtlichen, an der Westküste der Insel entlang verkehrenden Zügen benutzt wird. Alle andern Endbahnhöfe der 20 verschiedenen Bahnen, mit Ausnahme derer von Long Island, welche in Brooklyn wurzeln, liegen westlich des Hudson in Jersey City und Hoboken. Um indes die Züge in ununterbrochenem Laufe von Jersey City nach New York leiten zu können, ist der Bau eines zweigeleisigen Tunnels unter dem Hudson in Angriff und ferner eine neue gewaltige Brücke in Aussicht genommen.

Die eigentlichen New Yorker S. (Elevated Railroads) sind Hochbahnen auf eisernen Viadukten, welche die Insel, von deren südlicher Spitze, der Battery, ausgehend, in ihrer Längsrichtung durchziehen. Die Häßlichkeit der Bahnanlagen und die durch sie herbeigeführte Verunstaltung der Straßen sind sprichwörtlich geworden. Von den vorhandenen vier Linien liegen je zwei im westlichen und östlichen Teil der Stadt und werden nach den langgestreckten Straßenzügen (Avenues) bezeichnet, welche sie durchziehen. Die Stationen sind an solchen Punkten angelegt, wo die kürzern Querstraßen (Streets) auf die Bahnen stoßen, und nach diesen auch benannt. Man hat: 1) eine östliche Abteilung mit den Linien der zweiten und dritten Avenue und drei an letztere sich anschließenden Zweiglinien, von denen die eine am Zentraldepot, eine andre am Rathaus und die dritte am East River endigt; 2) eine westliche Abteilung mit den Linien der sechsten und neunten Avenue, welche sich nahe beim Zentralpark zu einer einzigen Linie vereinigen.

Die Hochbahnen sind bis zum Harlemfluß geführt, die unter 1) genannten mit stumpfer Endigung; die Linie unter 2) hat indes auch Anschluß an die Bahnen jenseit dieses Flusses.

Betrieb. Sämtliche Linien sind zweigeleisig, auf jeder findet ein getrennter Zugdienst statt; dies gilt auch von den Seitenlinien nach dem Zentraldepot und dem Ufer des East River, während auf dem Zweige nach dem Rathaus (City Hall) die Züge der dritten Avenuebahn durchlaufend verkehren. Die Strecken sind im folgenden nach ihrer Bezeichnung und Länge angeführt, für die Hauptlinie ist auch die Fahrzeit angegeben.

  Hauptlinien Länge Fahr­zeit Zweiglinien Länge
von bis Kilom. Min. von bis Kilom.
2. Ave­nue 129. Straße South Ferry 14,06 43 42. Straße Grand Central Depot 0,26
3.  129.     13,65 43 34.  34. Straßen­fähre 0,50
Chat­ham Square City Hall 0,58
6.  155.     17,32 52      
058.     8,34 29      
9.  059.     8,88 26      

Die Züge bestehen aus 2–5 vierachsigen Wagen, die durch Tenderlokomotiven bewegt werden. Der zeitliche Abstand der Züge ist auf den einzelnen Linien verschieden, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht.

  Zwischenraum zwischen zwei Zügen Wagenzahl in einem Zuge
höchstens mindestens höchstens mindestens
2. Avenue 12 Minuten 2 Minuten 5 4
3.   15   1 Min. 12 Sek. 5 2
6.   20   1  29   5 3
9.   12   3 Minuten 4 3

Die Gesamtfahrzeit auf der dritten Avenuebahn (13,65 km), welche 27 Stationen zählt, beträgt 43 Minuten, was 19 km Reisegeschwindigkeit entspricht. Die reine Fahrgeschwindigkeit beträgt 30 km, darf aber auch im besondern Fall 40 km keinesfalls überschreiten. Der Sonntagsdienst der Bahnen ist auf den Linien der zweiten und neunten Avenue ganz ausgesetzt, auf den übrigen Linien beschränkt. Der Werktagsdienst beginnt auf den erstern Linien morgens um 5 Uhr und endet um 8 Uhr abends. Auf den beiden andern Linien wird die ganze Nacht hindurch gefahren. Die meisten Züge fahren von 630 bis gegen 9 Uhr morgens, und 4 bis 730 nachmittags, d. h. vor und nach der Arbeits- oder Geschäftszeit.

Es sind im ganzen 94 Stationen mit Abständen von 400–800 m vorhanden. Die Fahrbahnen sind für die beiden Geleise jeder Strecke fast durchweg getrennt, die Zwischenstationen sind daher als Doppelbahnhöfe ohne Verbindung in Schienenhöhe hergestellt. [882]

Fig. 4.

Nur an den Abzweigungen sind erhöhte Übergänge über den Bahnkörper selbst vorhanden. Die Bahnsteige sind so hoch, daß sie wie in London mit den Wagenböden in derselben Ebene liegen. Es sind zwei getrennte Zu- und Abgänge für die Reisenden vorhanden. Die Wagen, deren Gesamtzahl 921 beträgt, sind mit Petroleumlampen gut erleuchtet.

Geschichte. Nachdem eine in den 60er Jahren im NW. von New York erbaute Hochbahn sich als nicht betriebsfähig gezeigt hatte, unternahm 1872 die New York Elevated Railroad Company den Bau der in der Abbildung 4 durch ununterbrochene Linien dargestellten Strecken. Gleichzeitig begann aber eine zweite Gesellschaft, die Metropolitan Elevated Railroad Company, mit der ersten wetteifernd, den Bau der in der Abbildung gestrichelt gezeichneten Bahnen. Bis 1878 wurden die Linien vollendet und ein wetteifernder Betrieb eingeführt. Zum Nutzen der Gesellschaften wie des Publikums wurde diesem Wettkampf aber bald dadurch ein Ende gemacht, daß die gesamten Bahnen an eine dritte Gesellschaft, die Manhattan Railway Company, im J. 1875 auf 999 Jahre verpachtet wurden. Die Betriebsführung ist nunmehr eine völlig einheitliche.

Die Herstellungskosten der New Yorker Bahnen betragen rund 1,2 Mill. Mk. für das Kilometer. Was den Umfang des Verkehrs betrifft, so wurden im Betriebsjahr, endigend 30. Sept. 1889, bei 51,5 km Betriebslänge der Bahnen 179,5 Mill. Reisende befördert, wofür die entsprechenden Einnahmen rund 361/3 Mill. Mk. betrugen.

[Stadtbahnen sonstiger Städte.] Nach dem Vorgang der Londoner Bahngesellschaften haben zahlreiche andere englische Städte, Liverpool (Mersey-Tunnelbahn etc.), Glasgow u. a., Stadtbahnstrecken eingerichtet. In Deutschland folgen Köln, Hamburg-Altona, in Amerika Brooklyn, Chicago etc. den Verkehrsbedürfnissen durch Anlage von örtlichen Bahnen, die mehr oder minder ausgedehnt sind. Von einem weitern Eingehen auf diese Bahnen wird indes hier Abstand genommen. Auf dem europäischen Festland ist aber Berlin die einzige Stadt, welche bisher dem Ausbau eines einheitlichen und umfassenden Netzes von Vorortbahnen näher getreten ist.

Litteratur: Sérafon, Les chemins de fer métropolitains (Par. 1885); Gaudin und Zuber, Le chemin de fer métropolitain de Berlin (das. 1887); Buzzi, La Ferrovia metropolitana di Berlino (1883); Frank, Der Betrieb auf den englischen Bahnen (Wien 1886); Schwabe, Über englisches Eisenbahnwesen (Berl. 1871; neue Folge, Wien 1877); Kemmann, Der Verkehr Londons mit besonderer Berücksichtigung der Eisenbahnen (Berl. 1892); Troske, Die Londoner Untergrundbahnen (das. 1892); Rea, Railways terminating in London (New York 1888).