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MKL1888:Seife

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seife“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 829832
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Seife. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 829–832. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seife (Version vom 07.09.2024)

[829] Seife, das Produkt der Einwirkung von ätzenden Alkalien und Wasser auf Fette. Letztere bestehen aus Glyceriden der Stearinsäure, Palmitinsäure und Ölsäure (Stearin, Palmitin, Olein) und werden durch Ätzkali oder Ätznatron zersetzt (verseift), indem sich stearin-, palmitin- und ölsaures Alkali, deren Gemisch die gewöhnliche S. bildet, und Glycerin abscheidet. Je reicher das Fett an Stearin und Palmitin ist, um so [830] härter wird die S., während die oleinreichen Öle weichere S. liefern. Von größerm Einfluß auf die Konsistenz der Seifen ist aber die Natur des Alkalis. Mit Ätzkali bereitete Seifen sind stets weich, schmierig, hygroskopisch (Schmierseifen), während die Natronseifen (Sodaseifen) hart, fest, luftbeständig sind. Wenn man die Lösung einer Kaliseife mit Kochsalz (Chlornatrium) behandelt, so entstehen Natronseife und Chlorkalium. Man benutzt zur Seifenbereitung Talg, Palmöl, Palmkernöl, Kokosöl, Baumöl, Sesamöl, Erdnußöl, Baumwollsamenöl, Thran, Leinöl, Hanföl, seltener Rüböl, Schmalz, Pferdefett, Illipe- oder Bassiaöl, Galambutter, Vateria-, Mafurratalg etc. Ferner wird die in Stearinfabriken abfallende Ölsäure auf S. verarbeitet und zur Darstellung der Harzseifen das Fichtenharz, stets aber nur in Verbindung mit Fetten, da die Seifen aus reinem Harz niemals fest werden und auch als Schmierseifen nicht verwendbar sind. Die Alkalien werden in der Form von Laugen, Lösungen von Ätzkali oder Ätznatron, angewandt. Früher bereitete der Seifensieder diese selbst aus Holzasche oder Pottasche (kohlensaures Kali), gegenwärtig meist aus Soda (kohlensaures Natron) mit Hilfe von Ätzkalk, welcher dem Alkalisalz die Kohlensäure entzieht, so daß aus kohlensaurem Kali, resp. Natron Ätzkali, bez. Ätznatron wird. Sehr häufig verwenden aber die Seifenfabrikanten fertiges Ätznatron aus den Sodafabriken. Da nun mit 40 Teilen Ätznatron dasselbe erreicht wird wie mit 56 Teilen Ätzkali, und da überdies die Natronverbindungen erheblich billiger sind als die entsprechenden Kaliverbindungen, so werden letztere fast nur noch zu Schmierseifen benutzt, während man früher, als Pottasche billiger war als die Soda, Kaliseifen darstellte und diese durch Kochsalz (Chlornatrium) in Natronseife verwandelte. Die Konzentration der Laugen richtet sich teils nach dem einzuschlagenden Verfahren bei der Seifenbereitung, teils nach der Natur des zu verarbeitenden Fettes. Talg erfordert z. B. schwache, Kokosöl sehr starke Laugen. Die zur Verseifung der Fette erforderliche Menge Alkali läßt sich nicht im allgemeinen angeben, da die Zusammensetzung der Fette erheblich schwankt. Dagegen läßt sich genau berechnen, daß zur Verseifung von

  Ätznatron Ätzkali
100 Teilen Palmitin erforderlich sind 14,9 20,8 Teile
100 Stearin 13,5 18,9
100 Olein 13,6 19,1

Dies gilt jedoch nur für Kernseifen, welche bei der Bereitung durch Kochsalz von der überschüssigen Lauge, dem Wasser und dem darin gelösten Glycerin geschieden werden. Bei den Leimseifen, welche überschüssige Lauge und Glycerin eingeschlossen enthalten und durch einfaches Erstarren des Seifenleims entstehen, sowie bei den Schmierseifen, welche dickliche Lösungen von S. in Lauge darstellen, liegen die Verhältnisse wesentlich anders. Bei der Fabrikation billiger Seifen wird auch Wasserglas in großer Menge angewandt, und in Nordamerika benutzt man zur Verseifung aus Kryolith erhaltenes Natronaluminat. Die Verseifung der Fette erfolgt nicht augenblicklich beim Zusammentreffen mit Ätzkali; vielmehr bildet sich zuerst eine emulsionsähnliche Mischung des Fettes mit der Lauge, es entstehen saure fettsaure Salze, welche die übrige Fettsubstanz suspendiert enthalten, diese wird dann allmählich auch verseift, und die sauren Salze werden in neutrale, in S., übergeführt. Die Verseifung führt man in großen, stumpf kegelförmigen, schmiedeeisernen Kesseln aus, welche durch direktes Feuer geheizt und mit einem Aufsatz (Sturz) aus Holz oder Mauerwerk versehen werden, um das Übersteigen der schäumenden Masse zu verhindern. Die Anwendung von Dampf ist nur vorteilhaft, wenn man denselben auf 150–160° überhitzt und direkt in die zu verseifende Masse leitet. Neuerdings leitet man wohl die Verseifung mit Hilfe des Dampfes ein und kocht die S. auf direktem Feuer fertig. Zur Darstellung von Talgkernseife kocht man das Fett unter allmählichem Zusatz von starker Lauge, bis eine Probe des entstandenen Seifenleims auf Glas vollkommen klar erscheint. Dann fügt man 10–12 Proz. Kochsalz zu und erreicht dadurch bei der Unlöslichkeit der S. in Kochsalzlösung eine vollständige Gerinnung des Seifenleims zu weißlichen Flocken, zwischen welchen klare Salzlösung steht. Durch das Klarsieden in dem bedeckten Kessel, bis der Schaum verschwunden ist und nur noch große durchsichtige Blasen aufsteigen, kernt die S., zieht sich mehr und mehr zu rundlichen Körnern zusammen und erreicht endlich die erforderliche Beschaffenheit, um in Formen geschöpft werden zu können, in welchen sie erstarrt. Häufig wird die Kernseife geschliffen und zwar von oben, indem man nach dem Klarsieden ganz schwache Lauge oder Wasser hinzufügt, oder bei sehr unreinen Materialien von unten, indem man die Unterlauge abzieht und Lauge mit etwas Salz zusetzt. Bei starkem Kochen wird die S. dann wasserhaltiger. Die nicht geschliffene S. erstarrt zu einer gleichmäßigen weißlichen oder grauweißen Masse, in der etwas wasserhaltigen aber scheidet sich bei langsamem Erkalten die Stearin- und Palmitinseife kristallinisch von der Oleinseife, welche alle färbenden Verunreinigungen (Eisenseife, Schwefeleisen) einschließt. So entsteht die Kern- und Flußbildung der marmorierten S., welche noch verstärkt wird, wenn man Eisenvitriol, Bolus oder Frankfurter Schwarz bei der Verseifung zusetzt. Läßt man möglichst dünn geschliffene S. längere Zeit ruhig stehen und schöpft sie dann vom Bodensatz ab, so erhält man reine weiße Kernseife, welche aber mehr Wasser enthält als die marmorierte. Die Marmorierung bietet also die beste Garantie, daß der Wassergehalt eine gewisse Grenze nicht überschreitet. Wird nicht geschliffene S. nach dem Klarsieden in Formen geschöpft, so durchzieht man sie mit einem Rührstab der Breite, dann der Länge nach in geraden Linien. Derartig gerührte S. zeigt nach dem Erstarren die sogen. Mandeln oder Blumen, nämlich Reihen von dunklern mandelförmigen Stellen in hellerm Grund. 100 Teile Talg geben 155 Teile auf Mandeln gerührte Kernseife und etwa 5 Proz. mehr geschliffene marmorierte S. In Frankreich wird Olivenöl, auch Erdnuß-, Sesam- und raffiniertes Baumwollsamenöl, in England Palmöl auf Kernseife versotten. Oft wird auch Palmöl in Verbindung mit Ölsäure verarbeitet. Die Ölsäure neutralisiert man mit einem Gemisch von kohlensaurem und ätzendem Alkali. Man setzt die Ölsäure zu der siedenden Lauge, kocht unter weiterm Zusatz von Lauge, bis die S. fertig ist, salzt dann aus etc. Diese S. ist weicher und leichter löslich als Talgkernseife, wird aber härter, wenn man mit der Ölsäure etwas Talg verarbeitet. Die sogen. Wachsseife (Bleichseife) wird aus einem Gemisch von Talg, Kokosöl und Palmöl dargestellt, ist sehr rein und vollkommen neutral, schäumt besser als Talgseife und eignet sich auch für Färbereien. Sie wird häufig mit Nitrobenzol parfümiert (Mandelseife). Kernseife wird auch mit Harz dargestellt, indem man entweder fertige Kernseife mit fertiger Harzseife mischt, oder eine Mischung von Fetten mit Harz verseift, dann [831] die S. aussalzt, klar siedet, in Formen füllt und so stark mit heißem Wasser schleift, daß ein flüssiger Leim entsteht.

Die Leimseifen werden stets mit Kokosöl dargestellt, welches sich zwar sehr leicht, aber nur mit starken Laugen verseifen läßt und eine S. liefert, die unbeschadet ihrer Härte 50–60, selbst 75 Proz. Wasser, auch schwache Lauge bindet, niemals marmoriert, sondern stets weiß, alabasterartig durchscheinend ist, sehr stark schäumt und sich nur mit Hilfe von sehr viel Kochsalz aussalzen läßt. Rührt man Kokosöl bei 80° mit starker Lauge zusammen, so wird es sehr schnell verseift, und die S. kann alsbald in Formen gefüllt werden. Meist wird reine Kokosseife und besonders Toilettenseife auf kaltem Weg dargestellt, indem man das geschmolzene Fett in die Form bringt, die Lauge unter beständigem Rühren zusetzt und, wenn die Masse hinreichend verdickt ist, Farbstoffe und Parfüme beimischt. Gemische von Kokosöl mit andern Fetten werden wie gewöhnlich gekocht, aber auch diese Seifen binden sehr viel Wasser und Salzlösung, erscheinen dabei vollkommen hart, schrumpfen aber beim Aufbewahren stark ein und überziehen sich, wenn sie freies Alkali enthalten, mit feinen weißen Kristallen. Diese Seifen werden vielfach mit Stärke, Leim, Kreide, Thon etc. verfälscht, auch mit Wasserglas gefällt. Sehr verbreitet sind die nach ihrem Ursprungsort benannten Eschweger Seifen (künstliche Kernseifen), welche gute Marmorierung zeigen, fest und trocken sind, aber ziemlich viel Wasser enthalten. Zu ihrer Darstellung verseift man Talg oder Palmöl oder eine Mischung von beiden mit Sodalauge, salzt aus, schöpft den Kern in eine Kühlbütte und mischt ihn mit einer mit Kali- und Natronlauge bereiteten Kokosseife und kocht unter Zusatz von Lauge und etwas Salzwasser, um größere Ausbeute zu erzielen. Die S. wird dann in Formen gefüllt und die Flußbildung durch gutes Zudecken befördert. 100 Teile Fett liefern 200 Teile S. und mehr.

Harzseifen werden aus Kokosöl, Palmöl, Talg und Harz dargestellt, und zwar nimmt man auf 100 Teile Fett 30–100 Teile Harz und mischt entweder die für sich bereiteten Seifen, oder mischt das Harz mit dem Fett und verseift dies Gemisch direkt. Diese Seifen pflegen stark mit Salzwasser gefüllt zu sein, enthalten freies Alkali, lösen sich leicht in Wasser und schäumen sehr gut. Man erhält 300 Proz. Ausbeute und mehr. Aus ungebleichtem Palmöl und wenig Harz erhält man gelbe, bei sehr hohem Harzgehalt braune Seifen.

Schmierseife wird aus Leinöl, Hanföl, Thran, Rüböl, Ölsäure und Kalilauge dargestellt. Man setzt indes stets etwas Natronlauge zu, weil dieselbe billiger ist und natronhaltige S. mehr Wasser bindet, ohne zu weich zu werden. Das Fett wird zuerst mit schwacher Lauge, dann unter Zusatz von stärkerer Lauge gekocht und schließlich die S. mit sehr starker Lauge abgerichtet. Die richtige Beschaffenheit erkennt man an einer auf Glas getropften Probe oder mit der Zunge. 100 Teile Fett liefern 240–250 Teile Schmierseife, doch werden häufig bis 400 Teile dargestellt, indem man die S. mit Stärkemehl, Thon, Speckstein verfälscht oder mit Wasserglas versetzt. Auch wird die Schmierseife mit Harzseife vermischt, indem man das Harz für sich verseift, oder indem man es der Schmierseife zusetzt und dann mit Lauge bis zur Verseifung kocht. Man unterscheidet im Handel Ölseife (Kronseife, braune, schwarze, grüne S.), eine dicke, durchscheinende, braune bis schwarze, auch grüne, penetrant riechende Masse mit 50 Proz. Wassergehalt, welche aus Hanföl, Leinöl, Rüböl, Thran, Ölsäure dargestellt und mit Indigo grün, mit Galläpfelabkochung und Eisenvitriol schwarz gefärbt wird, und glatte Elain- oder Silberseife, welche gewöhnlich aus Palmöl und Ölsäure oder aus Ölen unter Zusatz von Sodalauge dargestellt wird und gelblichweiß mit silberartigem Schein ist. An manchen Orten wird eine klare Schmierseife mit gröbern, körnig kristallinischen Ausscheidungen von stearin- und palmitinsaurem Kali dargestellt, indem man das Öl mit Palmöl oder Talg versetzt, eine möglichst sodafreie Lauge anwendet und die S. bei 9–12° langsam erkalten läßt. Bisweilen wird das Korn durch Beimischung von Stärke-, Thon- und Kalkkörnchen nachgeahmt. Die Toilettenseifen, wie Mandelseife etc., werden sorgfältig aus sehr reinen Materialien dargestellt, gefärbt und parfümiert; transparente S. erhält man durch Auflösen trockner Talgseife in Alkohol und Eingießen der klaren, gefärbten und parfümierten S. in Blechformen, in welchen sie in einigen Wochen erstarrt; Glycerinseife wird in ähnlicher Weise durch Lösen von Glycerin in S. bereitet. Die Bimssteinseife wird durch Einrühren von Bimssteinpulver in geschmolzene S. dargestellt und von Handarbeitern benutzt. Während die mit Alkalien hergestellten Seifen in Wasser löslich sind, bilden die alkalischen Erden, die Erden und die Metalloxyde mit den Säuren der Fette unlösliche Verbindungen. Von diesen unlöslichen Seifen entsteht Kalkseife beim Waschen mit hartem Wasser; daher bildet letzteres mit S. keinen Schaum und eignet sich überhaupt nicht zum Waschen. Kalkseife entsteht auch in Dampfkesseln, wenn mit kalkhaltigem Speisewasser Schmieröl hinein gelangt. Auch spielt sie eine Rolle bei der Darstellung von Stearinsäure. Thonerdeseife kommt beim Wasserdichtmachen der Gewebe, beim Avivieren mit Thonerdesalzen gebeizter Gewebe, beim Leimen des Papiers zur Anwendung; Manganseife dient als Sikkatif; Bleiseife ist Bleipflaster; ein Gemenge von Kupfer- und Eisenseife dient zum Bronzieren von Gipsabgüssen; Arsenikseife ist ein Gemisch von S., arseniger Säure, Pottasche, Kalk und Kampfer und wird zum Konservieren von Tierbälgen benutzt. Zu medizinischen Zwecken bereitet man eine Kaliseife (Sapo kalinus) aus Ätzkali, Leinöl und Wasser unter Zusatz von Spiritus, eine Natronseife (Sapo medicatus) aus Ätznatron, Schmalz, Olivenöl und Wasser unter Zusatz von Spiritus und Aussalzen mit Kochsalz und etwas Soda. Jalappenseife (Sapo jalapinus) besteht aus gleichen Teilen Natronseife u. Jalappenharz, die man unter Zusatz von Spiritus miteinander verbindet. Die Kaliseife dient als Einreibung zur Aufsaugung chronischer Lymphdrüsenanschwellungen, von Ausschwitzungen in Herzbeutel und Bauchfell, die Natronseife wird auf Pillen, zu Seifenpflaster und Seifenspiritus verarbeitet, Jalappenseife dient als abführendes Mittel. – Die gewöhnliche S. löst sich in Alkohol und in wenig Wasser. Verdünnt man aber die wässerige Lösung sehr stark, so zersetzt sich die S. unter Abscheidung von unlöslichem sauren, stearin- und palmitinsauren Alkali, während basisches Salz gelöst bleibt. Dies wirkt lösend auf den Schmutz, welcher der Haut oder den Geweben meist durch Vermittelung von Fett anhaftet, das Fett wird von der alkalischen Lösung aufgenommen, und so wird der Staub etc. beweglich und haftet an den Flocken des unlöslichen sauren Salzes, welche also für die Reinigung nicht bedeutungslos sind. Bei der Wirkung der S. kommt auch die große Benetzbarkeit aller Körper durch Seifenlösung [832] und die alkalische Beschaffenheit der letztern in Betracht.

Zusammensetzung einiger Seifen:

  Wasser Fette Säuren Natron gebund. Natron frei Kali Fremde Salze Rest
Talgkernseife
23,80 61,00 7,50 2,20 3,00 2,5
8,43 81,25 8,55 8,55 1,77
Kokosseife
36,80 46,40 6,90 2,10 3,30 5,4
73,50 22,00 4,50
Palmölseife
24,80 61,20 1,70 8,00 1,30 3,0
35,40 49,60 1,00 7,00 1,10 2,1
Ölsäureseife 21,00 66,00 13,00 13,00
Schmierseife
45,81 42,17 6,43 5,59
50,08 38,50 7,26 4,16
Marseiller S. durch­schnittlich 30,00 64,00 6,00 6,00

Die S. war schon den Alten bekannt; Plinius erwähnt sie als äußerliches Medikament und als Haarverschönerungsmittel; er rühmt die S. aus Ziegentalg und Holzasche und erzählt, daß die Germanen harte und weiche S. hätten. Auch Galenos spricht von der deutschen S., welche als Reinigungsmittel benutzt werde; es scheint danach, als ob die S. eine germanische Erfindung sei, welche die Römer auf ihren Eroberungszügen kennen lernten. Nachdem die Seifensiederei aus einem Haushaltungsgeschäft in den gewerblichen Betrieb übergegangen war, scheint sie sich jahrhundertelang durch das Mittelalter hindurch ohne besondere Entwickelung erhalten zu haben. In Frankreich waren um die Mitte des 17. Jahrh. Marseille, Toulon und Lyon Hauptplätze für die Seifenfabrikation, und Marseille hat sich seitdem zum wichtigsten Fabrikplatz der Welt erhoben. Mächtige Förderung erhielt die Seifenindustrie, seitdem Chevreul die Natur der Fette und mithin das Wesen des Verseifungsprozesses kennen gelehrt, anderseits die Entwickelung der Sodaindustrie einen mächtigen Anstoß gegeben hatte. Nun entwickelte sich die Seifenindustrie in wahrhaft staunenerregender Weise. Als mächtiger Hebel der Sodafabrikation und auf das innigste mit fast allen Zweigen chemischer Gewerbthätigkeit verschmolzen, bildet sie eins der wichtigsten Glieder in der Entwickelungsgeschichte der chemischen Gesamtindustrie. Gegenwärtig wird in Liverpool allein mehr S. jährlich exportiert als vor Begründung der Sodaindustrie in sämtlichen Häfen Großbritanniens zusammengenommen. Die Darstellung der Leimseifen begann seit Einführung des Kokosöls zu Ende der 20er Jahre. Vgl. Perutz, Industrie der Fette und Öle (Berl. 1866), und die Handbücher der Seifenfabrikation von Wiltner (3. Aufl., Wien 1884; „Toilettenseifen“, das. 1884), Fischer (6. Aufl., das. 1880), Engelhardt (das. 1886, 2 Bde.; „Toilettenseifen“, das. 1888) und besonders Deite (Berl. 1887); Brannt, Treatise on the manufacture of soap (Lond. 1888); Unna, Über medizinische Seifen (Leipz. 1885). Zeitschriften: „Der Seifenfabrikant“ (hrsg. von Deite, Berl., seit 1881); „Seifensieder-Zeitung“ (hrsg. von Engelhardt, Augsb., seit 1874).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 756
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[756] Seife. Bei der Untersuchung von S. wird der Wassergehalt durch Trocknen bei 110° bestimmt. Die letzten Anteile Wasser hält S. sehr energisch fest, auch zieht die getrocknete sehr begierig wieder Wasser an. Zur Bestimmung des Fettsäuregehalts übergießt man 6–10 g S. mit der 20–30fachen Menge zwölffach verdünnter Schwefelsäure, erwärmt bis zur völlig klaren Abscheidung der fetten Säuren, schmelzt diese mit einer gewogenen Menge gut getrockneten weißen Wachses oder Stearinsäure zusammen, legt den erstarrten Kuchen auf ein Filter, wäscht ihn mit destilliertem Wasser, bis dieses frei von Schwefelsäure ist, und trocknet ihn unter einer Glocke über konzentrierter Schwefelsäure. Von dem Gewicht des Kuchens zieht man dasjenige des Wachses ab, der Rest repräsentiert die fetten Säuren der S. Um unverseiftes Fett in S. zu entdecken, wird sie fein gepulvert, mit Sand gemischt, bei 100° getrocknet und mit Petroläther ausgezogen. Beim Verdunsten des letztern bleibt das Fett zurück, welches auf seine Verseifbarkeit geprüft werden muß, da dem Fett häufig Mineralöle beigemischt werden. Die Frage, aus welchen Fetten eine S. hergestellt ist, ist sehr schwer, häufig gar nicht zu beantworten. Einige Anhaltspunkte gewährt die Menge Kali, welche zur Verseifung der aus der S. abgeschiedenen fetten Säuren erforderlich ist. Man filtriert 1–2 g der Säuren ab, verseift sie mit überschüssiger alkoholischer Kalilauge und titriert den Rest des Kalis mit Halbnormalsalzsäure. Der so gefundene Verseifungswert mit dem spezifischen Gewicht der fetten Säuren und dem Schmelz- und Erstarrungspunkt derselben dient zur Beurteilung. Durch Ermittelung des Verseifungswertes läßt sich namentlich feststellen, ob Kokosöl oder Palmöl benutzt worden war. Die Gegenwart von Harz ist meist an Farbe u. Geruch der S. zu erkennen. Zur quantitativen Bestimmung des Harzes löst man 0,5 g der fetten Säuren der S. in Alkohol, setzt tropfenweise Kalilauge bis zur alkalischen Reaktion zu, erhitzt bis zur Verseifung, füllt mit Äther auf 100 ccm auf, schüttelt mit 1 g fein zerriebenem Silbernitrat, nimmt 50–70 ccm der ätherischen Lösung ab, bringt sie in einen graduierten Cylinder, schüttelt mit wenig Silbernitrat, dann mit 20 ccm verdünnter Salzsäure, hebt einen Teil der ätherischen Lösung ab, verdunstet zur Trockne, wägt den Rückstand und stellt ihn als Harz in Rechnung. Zur Untersuchung des Alkalis zersetzt man eine Probe S. mit Säure und prüft, ob die wässerige Flüssigkeit ein oder zwei Alkalien enthält. Im ersten Fall zersetzt man eine andre Probe S. mit überschüssiger titrierter Säure und titriert den Rest der Säure zurück. Sind zwei Alkalien zugegen, so wird eine weitere Probe mit Salzsäure zersetzt und in der wässerigen Flüssigkeit das Kali mit Platinchlorid. Zur Bestimmung des unverseiften Alkalis löst man eine Probe S. in Wasser, setzt Kochsalz bis zur Sättigung hinzu, trennt die abgeschiedene S. von der Lösung, spült sie mit Kochsalzlösung ab und titriert das Alkali in der Flüssigkeit. Zur Bestimmung des Glycerins löst man die S. in Wasser, zersetzt sie mit der erforderlichen Menge Schwefelsäure, trennt die fetten Säuren von der Salzlösung, neutralisiert diese genau mit Soda, verdampft sie zur Trockne und entzieht dem Rückstand durch Alkohol das Glycerin. S. wird sehr häufig verfälscht. Kieselsäure, Kreide, Thran, Stärkemehl bleiben ungelöst zurück, wenn man die S. in Alkohol löst; enthält die S. Wasserglas, so scheidet Säure aus der wässerigen Lösung gallertartige Kieselsäure ab.