MKL1888:Pusey
[473] Pusey (spr. pjuhsĭ), Edward Bouverie, engl. Theolog und Gründer einer entschieden katholisierenden Richtung in der englischen Hochkirche, des nach ihm benannten Puseyismus (Anglokatholizismus), geb. 1800, ward 1828 Kanonikus des Christchurch College und Professor der hebräischen Sprache an der Universität Oxford. Unbefriedigt von der Starrheit der englischen Hochkirche, war P. früher dem deutschen Protestantismus auf einer Reise durch dessen Vaterland näher getreten. Zurückgekehrt, geriet er 1836 unter den Einfluß seines Freundes Newman (s. d.), der ihn hart an die Grenzen des römischen Katholizismus führte, wenngleich er selbst innerhalb der nach ihm benannten Richtung stets mehr das mystische, Newman dagegen mehr das hierarchische Element vertrat. Die nächste äußere Veranlassung zur Entstehung der anglokatholischen Bewegung hatte schon 1833 eine Versammlung mehrerer Mitglieder der Universität Oxford gegeben behufs der Organisation des Widerstandes gegen die von den Whigs versuchte „Liberalisierung der Kirche“. Diesem Zweck sollte auch die von Gesinnungsgenossen, wie Williams, Froude, Palmer, Bowden, Newman, Ward, Oakley, Perceval, Thomdike, Keble, seit 1833 veranstaltete Herausgabe der sogen. „Tracts for the times“ („Zeitgemäße Abhandlungen“) dienen, welche sich, 90 an der Zahl, über das ganze Gebiet der Theologie verbreiteten und sich immer offener zu katholischen Grundsätzen bekannten. Die Anhänger Puseys hießen daher auch Traktarianer (Tractarians) u. der Puseyismus traktarianische Kontroverse (the tractarian controversy, tractarianism). 1841 wurde die Fortsetzung der Traktate jedoch von der Regierung untersagt und P. selbst 1843 vom sogen. Board of heresy, einer Art Ketzergericht, seines Predigtamtes auf zwei Jahre entsetzt. Seine Ansichten waren im wesentlichen allerdings katholisch. Er verlangte die Geltung der Tradition der apostolischen Nachfolger der Bischöfe und Priester, die Herstellung der Messe, die Einführung der Kirchenbuße, der Fasten und der Ohrenbeichte. In Bezug auf das Abendmahl lehrte er wenigstens halbkatholisch, und die 39 Artikel wollte er im katholischen Sinn verstanden und ergänzt wissen. P. fand namentlich unter den Studenten in Oxford und der von da ausgehenden jüngern Geistlichkeit zahlreiche Anhänger. So kam es endlich zur Spaltung, namentlich infolge der Verurteilung eines Buches von Ward vom „Ideal der Kirche“, in welchem der Verfasser die Rechtfertigung durch den Glauben eine „verdammliche, pestilenzialische lutherische Ketzerei“ genannt hatte, durch die Universität Oxford. Nachdem Oakley, Ward, Wingfield, Newman zur katholischen Kirche übergetreten waren, folgten mehrere hundert englische Geistliche, darunter auch Manning, der spätere katholische Erzbischof. P. selbst verblieb in der anglikanischen Kirche und starb 16. Sept. 1882. Nach der Ausscheidung der Extreme ist der Stand des Puseyismus ein andrer geworden, und derselbe dauert nur in der veräußerlichten Form des sogen. Ritualismus unter der Geistlichkeit fort, welche den Kultus dem römischen in der That so nahe geführt hatte, daß er äußerlich von demselben nicht mehr zu unterscheiden war (Anrufung der Heiligen und der Engel, Marienkultus, Fegfeuer und Totenmessen, Letzte Ölung, Kniebeugung, Weihrauch, brennende Lichter, Elevation der Hostie etc.). Das Volk jedoch bekundete, besonders seitdem Pius IX. 1850 die katholische Hierarchie in England wiederhergestellt hatte, eine steigende Abneigung gegen ihn. Auf katholischer Seite fanden diese Bemühungen, wie immer, wenig Entgegenkommen, da man hier bei solchen Gelegenheiten nur von der einfachen Rückkehr zur alleinseligmachenden Kirche etwas wissen will. Vgl. Weaver, Der Puseyismus (deutsch, Leipz. 1844); Mettgenberg, Ritualismus und Romanismus in England (Bonn 1877); Jelf, Ritualism, Romanism an the English reformation (Lond. 1876).