MKL1888:Postanweisungen
[278] Postanweisungen (engl. Money orders, franz. Mandats de poste, ital. Vaglie postali, holl. Postwissels, schwed. Postanwisning), von der Post ausgestellte Anweisungen, auf Grund deren Geldbeträge bei der Absendungspostanstalt eingezahlt und von der Bestimmungspostanstalt an den Adressaten ausgezahlt werden. Die Anfänge des Postanweisungsverfahrens sind in einer 1848 in Preußen getroffenen Einrichtung zu suchen, wonach auf Briefe oder Briefadressen bei der Post bare Einzahlungen bis zu 25 Thlr. geleistet werden konnten. Erst die erhebliche Ermäßigung der Portosätze und die Vereinfachung der Behandlung der P. haben das Verfahren zu seiner jetzigen Ausdehnung gebracht, in welcher es in allen Kulturstaaten Anwendung findet. 1887 betrug der Gesamtumsatz an P. in Deutschland jährlich über [279] 58 Mill. Stück mit einem Betrag von 31/2 Milliarden Mark und im Gesamtbereich des Weltpostvereins 140 Mill. Stück mit einem Wert von 71/2 Milliarden Frank. Die P. werden auf von der Post gelieferten Formularen ausgestellt; ein angefügter Abschnitt kann zu schriftlichen Mitteilungen jeder Art benutzt werden. Am Bestimmungsort wird das Formular dem Empfänger zugestellt; die Auszahlung des Betrags erfolgt bei der Postanstalt gegen Rückgabe des quittierten Formulars; der Abschnitt kann vom Empfänger zurückbehalten werden. Der Meistbetrag der auf je ein Postanweisungsformular zulässigen Einzahlung beträgt in Deutschland 400 Mk. An Gebühren sind ohne Unterschied der Entfernungen zu zahlen: bis 100 Mk. 20 Pf., über 100–200 Mk. 30 Pf., über 200–400 Mk. 40 Pf. Über den Austausch von P. im internationalen Verkehr ist gemäß Art. 13 des Pariser Weltpostvertrags vom 1. Juni 1878 ein besonderes Übereinkommen zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Luxemburg, Norwegen, Portugal, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Ägypten, der Türkei, Tripolis und Tunis geschlossen worden. Danach beträgt der Meistbetrag einer internationalen Postanweisung 500 Fr. und die Gebühr 25 Cent. für je 25 Fr. Wert, mindestens aber 50 Cent. (in Deutschland 20 Pf. für je 20 Mk., mindestens aber 40 Pf.). Die Einzahlung erfolgt in der Währung des Aufgabegebiets, die Auszahlung nach dem von dem Bestimmungsland festgesetzten Kurs in der Währung des Ankunftsgebiets. Außer nach den oben bezeichneten Ländern findet noch von Deutschland, Australien, Barbados, Kanada, der Kapkolonie, Großbritannien und Irland, Britisch-Ostindien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Japan und den niederländischen Kolonien in Ostindien ein Austausch von P. unter ähnlichen Bestimmungen statt. Auch auf telegraphischem Weg kann in Deutschland und einigen andern Ländern die Überweisung der auf der Postanweisung eingezahlten Beträge auf Verlangen des Absenders erfolgen. Dies Verlangen ist am Post- oder Telegraphenschalter des Ausgabeortes zu stellen, worauf die Ausfertigung des Telegramms der Post- oder Telegraphenanstalt obliegt. Für telegraphische P. hat der Aufgeber zu entrichten: die Postanweisungsgebühr, die Gebühr für das von der Aufgabeanstalt auszufertigende Telegramm sowie endlich für die Bestellung am Bestimmungsort (welche bei telegraphischen P. stets im Weg der Eilbestellung erfolgt) die Eilbestellgebühr. Eine vereinfachte Form der P. sind die Postnoten (s. d.).
[733] Postanweisungen sind im internationalen Verkehr seit 1. Mai 1888 nach Chile zugelassen. Im Verkehr mit Niederland und den niederländischen Besitzungen in Ostindien ist der Meistbetrag der P. seit 1. April 1888 gleichmäßig auf 250 Gulden erhöht. Die den Geldumsatz erleichternde, 1. Okt. 1883 zunächst in Berlin eingeführte Einrichtung auf dem Gebiete des Postanweisungsverkehrs: solchen Personen, welche bei der Reichsbank ein Girokonto besitzen, die zur Auszahlung bestimmten Postanweisungsbeträge auf Wunsch ihrem Girokonto gutschreiben zu lassen, wurde 1884 auf neun weitere wichtige Handelsplätze des Reichspostgebiets ausgedehnt. Im J. 1889, nachdem diese Einrichtung in 41 Städten eingeführt worden war, betrug die Zahl der Teilnehmer an dem Giroverfahren 863. Im J. 1888 sind 2 Mill. P. mit einem Gesamtbetrag von 190 Mill. Mk. durch den Giroverkehr beglichen worden. Vgl. Tinsch, Die Postanweisung zivilrechtlich betrachtet (Leipz. 1889).