Zum Inhalt springen

MKL1888:Pompēji

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pompēji“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Pompēji“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 13 (1889), Seite 219223
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Pompeji
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Pompeji
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Pompēji. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 219–223. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pomp%C4%93ji (Version vom 11.10.2023)

[219] Pompēji (ital. Pompeï), alte, von den Oskern gegründete, später (um 425) von den Samnitern in Besitz genommene und durch griechischen Einfluß verschönerte Stadt in Kampanien, auf einer isolierten Anhöhe an dem einst schiffbaren und als Hafen dienenden Sarnus im Hintergrund einer Meeresbucht gelegen (s. Karte „Umgebung von Neapel“), mochte kurz vor ihrem Untergang (79 n. Chr.) etwa 30,000 Einw. zählen und war eine kommerziell rege Landstadt, welche die reichen Römer auch gern zur Villeggiatur benutzten. Seine Selbständigkeit verlor P. unter Sulla, es mußte einen Teil seines Gebiets für eine Militärkolonie hergeben und wurde selbst als Kolonie [220] konstituiert. Nachdem schon 63 ein Teil der Stadt durch ein Erdbeben zerstört worden war, wurde dieselbe nebst mehreren andern Orten (Stabiä, Herculaneum) infolge des bekannten Ausbruchs des Vesuvs 24. Aug. 79 n. Chr. durch einen Regen von Bimsstein und Asche verschüttet. Obgleich Nachgrabungen schon in antiker Zeit stattgefunden hatten, blieb die Stadt doch bis 1748 gänzlich verschollen. Seitdem begannen die Ausgrabungen, welche aber planmäßig erst unter Murat 1808–15 durchgeführt wurden und in neuester Zeit unter der Leitung Fiorellis mittels eines jährlich vom Staat hierfür ausgeworfenen Betrags von 60,000 Lire systematisch und mit sorglichster Erhaltung alles Gefundenen betrieben werden.

Plan der Ausgrabungen in Pompeji bis 1888.
01 Apollotempel
02 Jupitertempel
03 Macellum
04 Curia
05 Merkurtempel
06 Eumachia-Gebäude
07 Schule
08 Gerichtssäle
09 Curia Isiaca
10 Gladiatorenkaserne
11 Temp. d. Fortuna Augusta
12 Temp. d. kapit. Gottheiten
13 Isistempel
14 Thermengebäude
15 Großes Theater
16 Kleines Theater
17 Fullonica
18 Haus d. Poeta tragico
19 Haus des Sallustius
20 Haus des Meleager
21 Haus d. Kastor u. Pollux
22 Casa del Fauno
23 Haus des Lucretius
24 Casa di Pansa
25 Casa del Balcone.

Man gräbt jetzt in wagerechten Schichten, und zwar wird möglichst erst ein von vier Straßen umgebener Häuserkomplex, eine sogen. Insula, völlig aufgedeckt, bevor man weiter schreitet; das verkohlte Holz wird auf das genaueste ersetzt. Bis jetzt ist nahezu die Hälfte der Stadt ans Tageslicht gebracht, darunter das Forum samt seinen Glanzbauten; Ruggiero berechnet das Gesamtareal von P. auf 662,684 qm, wovon bis 1880: 264,424 qm ausgegraben waren (vgl. obigen Plan). Die 6–6,5 m starke Decke besteht zu unterst aus einer 2–2,5 m dicken Schicht von Lapilli, größern und kleinern Bimssteinbrocken, sodann einigen Zentimetern Asche u. einigen Zentimetern schwerer, schwarzer Lapilli. Auf dieser ganzen über 3 m dicken Schicht liegt eine 60 cm dicke Aschenlage, dann gegen 10 cm schwarzer Lapilli, wechselnd mit einer dünnen Aschenschicht, endlich eine etwa 2,2 m dicke Lage von Asche, deren obere Hälfte allmählich in fruchtbare Erde umgewandelt ist. Die Einwohner sind bei der längere Zeit andauernden Katastrophe zum größten Teil entkommen; man hat bis jetzt nur einige Hundert Gerippe gefunden. Die Gebäude sind zum Teil durch Erdbeben und unter der Last der verschüttenden Massen eingestürzt, die obern Stockwerke, soweit sie aus der Verschüttungsmasse hervorragten, durch die spätere Bearbeitung des Landes zu Grunde gegangen. Trotzdem bietet der bis jetzt ausgegrabene Teil Pompejis (s. Plan) das treue Bild einer alten griechisch-italischen Stadt der ersten Kaiserzeit (neben Resten älterer Epochen) dar, zumal es derjenige ist, welcher das Forum und die bedeutendsten öffentlichen Gebäude, Tempel, Basilika, Bäder, Theater und Amphitheater, umfaßt und überdies eine reiche Menge von Wohnhäusern, Läden und industriellen Anlagen enthält. Der Abstand der entferntesten Punkte der Stadt, des Amphitheaters und des Herkulaner Thors, beträgt 1250 m; die Längenachse mißt 1045 m, die kurze Achse 730 m, der Mauerumfang etwa 3160 m.

Die Straßen sind meist gerade, aber schmal (3–9 m), im rechten Winkel sich durchkreuzend; die eigentliche Fahrstraße ist mit polygonalen Lavablöcken sorgfältig gepflastert. Die Trottoirs sind 1/4 m hoch, 1–2 m breit und verschieden belegt. Von einem Trottoir zum andern führen große elliptische Trittsteine, zwischen welchen Raum für die durchfahrenden Wagen gelassen war. An manchen Kreuzungen der Straßen sind Brunnen mit viereckigen Becken angebracht, an den Ecken stehen vielfach kleine, den Schutzgöttern der Straßen (Lares compitales) errichtete Altäre. Einen Einblick in das Alltagstreiben gewähren die an den Außenwänden der Häuser angemalten Inschriften, Empfehlungen von Kandidaten zu den städtischen Ämtern, Ankündigungen von Spielen u. a. enthaltend, sowie die überall angebrachten Kritzeleien des verschiedensten Inhalts. Der wichtigste Punkt der Stadt ist das schon erwähnte Forum civile, welches sich in einer Länge von 157 m und in einer Breite von 33 m ausdehnt und auf drei Seiten von [221] einer doppelgeschossigen Säulenreihe umschlossen wurde, wovon die untere dorisch, die obere ionisch war. Der ganze Platz ist von öffentlichen Gebäuden umgeben: der Basilika, dem Apollotempel, einer Verkaufshalle und einem für ein Gefängnis gehaltenen Gebäude auf der westlichen Langseite, dem Jupitertempel auf der nördlichen Schmalseite (mit einem Triumphthor an einer Seite und einem Eingangsbogen zu beiden Seiten), ferner dem Macellum, der Curia oder dem Senaculum, dem sogen. Merkurtempel, dem Gebäude der Eumachia und der sogen. Schule auf der östlichen Langseite, endlich den drei Gerichtssälen auf der südlichen Schmalseite. Sieben Zugänge führten zu diesem Herzen der Stadt; aufgerichtete Steine vor demselben machten den Platz für Wagen unzugänglich. Durch Gitterthüren konnte er ganz abgesperrt werden. Der ganze Boden war mit Travertinplatten bedeckt; gegen die Säulen hin sieht man Piedestale für Statuen, in der Mitte größere Basen für Reiterstatuen. Übrigens ist allerorts ersichtlich, daß zur Zeit der Katastrophe das meiste noch in Restauration begriffen war. Am Südrand der Stadt liegt ein zweiter, gleichfalls interessanter Platz, das Forum triangulare, welches man durch eine propyläenartige, schöne ionische Vorhalle betritt. Es ist von einer dorischen Säulenhalle vorn und an den beiden Langseiten begrenzt, während sich die dritte Seite frei auf die herrliche Aussicht öffnet. Auf ihm liegen die geringen Reste eines altgriechischen, ohne Grund dem Herkules zugeschriebenen Tempels. Östlich von diesem Platz liegt eine bedeutende Gruppe öffentlicher Gebäude: die beiden Theater, der Tempel der Isis, der Tempel der kapitolinischen Gottheiten, die sogen. Curia Isiaca, wahrscheinlich ein Turnplatz (palaestra), die Gladiatorenkaserne. Am westlichen Ausgang der Stadt führt das Herkulaner Thor, mit großem Bogen und kleinen Seitenbogen für die Fußgänger, auf die berühmte Gräberstraße mit ihren Monumenten, mit den schönsten Blicken auf Golf und Berge. An derselben liegen namentlich die Grabdenkmäler des Augustalen M. Cerrinius Restitutus, des Aulus Vejus, des T. Terentius Felix, des Munatius Scaurus mit dem berühmten Gladiatoren-Stuckrelief, des Augustalen Calventius Quietus in sehr schönem Stil mit niederer, hinten giebelförmig erhöhter Umfriedigung, des M. Alleius Luccius Libella, der Nävoleja Tyche u. a., ferner die Villen des Cicero und des M. Arrius Diomedes. P. enthält außer dem schon oben genannten griechischen Tempel 7 hervorragende Tempelbauten, von denen 2 in der Nähe des Forum triangulare, 4 unmittelbar am Forum civile und eine in dessen Nähe liegen. Der am Forum civile gelegene Tempel des Apollo (früher fälschlich Venustempel genannt, der richtige Name ergab sich aus einer oskischen Inschrift im Fußboden), aus vorrömischer Zeit stammend, ist leider sehr zerstört, aber eine der schönsten und größten Ruinen Pompejis (54 m lang, 33 m breit). Innen bildete ein zum Teil noch erhaltener Portikus mit 9 Säulen an den Schmalseiten und 17 Säulen an den Langseiten ein großes Rechteck, dessen Wände einst mit Malereien geschmückt waren. Vor dem Aufgang zur Cella sieht man einen großen Altar. 14 Stufen von Kalkstein führen zum Tempel hinan, der auf einem Podium von 21/3 m Höhe, 22 m Länge und 12 m Breite ruht; in ihm liegt der Omphalos, das bekannte Symbol des Apollo. An der Nordseite des Forums erhebt sich auf einem 3 m hohen Unterbau der Jupitertempel. In der Mitte der 15 Stufen, die hinaufführen, stand einst auf dem die Treppe unten rampenförmig teilenden Vorplan (der wohl zugleich als Rednerbühne diente) der Altar. Von der hoch gelegenen, 15 m breiten, 12 m tiefen Vorhalle sieht man nur noch 12 ungleiche Säulenstümpfe. Die Cella hinter der Vorhalle ist 18,5 m lang, zeigt aber nur noch Bruchstücke der bemalten Wände und des Mosaikfußbodens; sie enthielt eine kolossale Jupiterstatue. In der Mitte der Ostseite des Forums liegt der Tempel des Genius des Augustus. Vom Forum aus gelangt man zunächst in eine Säulenhalle und aus dieser auf den Vorhof, in dessen Mitte ein 11/2 m hoher Marmoraltar mit in Relief dargestelltem Opfer steht. Der kleine Tempel selbst, mit Postament für das Kultusbild, ist an die Rückseite des Hofs angelehnt. An der Forumstraße, zu der man nordwärts durch den Triumphbogen rechts vom Jupitertempel gelangt, liegt der Tempel der Fortuna Augusta, ein Bau aus der Zeit des Augustus, 24,5 m lang und 9,5 m breit, mit einer Vorhalle, welche 4 korinthische Säulen in der Fronte hatte. Von Säulen und Gebälk aus Marmor sind nur geringe Reste vorhanden. Weiter nach O., an der die Stadt von N. nach S. durchschneidenden Stabianer Straße liegt der Tempel der kapitolinischen Gottheiten (Jupiter, Juno, Minerva), fälschlich Äskulaptempel genannt, der kleinste der pompejanischen Tempel, 21 m lang, 7 m breit, und nahe dabei der laut einer Inschrift nach dem Erdbeben von 63 neuerbaute Isistempel, ein mit Stuck bekleideter Ziegelbau, einer der vollständigst erhaltenen von P., 30 m lang, 18,5 m breit, mit einem Tempelhof, dessen 4 Seiten von 22 unten roten, oben weißen dorischen Säulen umgeben sind, dazwischen 5 Altäre; in der Mitte der über 8 Stufen erhöhte Tempel.

P. besitzt außer den angeführten Tempelbauten eine Anzahl sehr interessanter öffentlicher Gebäude. Zu diesen gehört die Basilika, für Handel und Rechtspflege bestimmt, das größte und älteste Gebäude am Forum (s. den Plan bei Art. Basilika). Dasselbe ist dreischiffig und enthält 28 kannelierte Backsteinsäulen, welche 2 Umgänge zu je 12 Säulen an den Langseiten und 2 von je 4 Säulen an den Schmalseiten bilden. Den Säulen entsprechen die aus den Wänden (mit in Stuck nachgeahmter Marmorbekleidung) vortretenden Halbsäulen, über denen sich eine obere Säulenstellung mit Fensteröffnungen befand. Am Ende des Baues befindet sich das Richtertribunal, unter demselben ein Gewölbe unbekannter Bestimmung. Ferner, ebenfalls am Forum, östlich vom Jupitertempel, das sogen. Pantheon, in Wahrheit ein Macellum, d. h. eine Viktualienmarkthalle, welche zugleich eine Kapelle für den Kaiserkultus enthielt. Sie hat zwei Reihen Verkaufsläden, von denen eine auf die nördlich vorbeiführende Straße geöffnet ist, die andre, auch nach N., auf den innern Hof. Dieser, 37,5 m lang, 27 m breit, war mit einer (nicht erhaltenen) Säulenhalle umgeben; in der Mitte befinden sich auf einer niedrigen zwölfeckigen Erhöhung 12 viereckige Basen, welche wahrscheinlich einen auf Säulen ruhenden Kuppelbau trugen, unter dem sich ein Brunnen befand und Fische verkauft wurden. Dem Eingang gegenüber, an der Ostseite des Gebäudes liegen 3 große Gemächer, von welchen das mittlere eine über 5 Stufen zugängliche Kapelle für den Kultus des Augustus ist. Seine Statue stand dem Eingang gegenüber, in den Seitennischen andre Statuen der kaiserlichen Familie. Das links anstoßende Gemach war vielleicht der Festraum des dem Kaiserkultus gewidmeten Kollegiums der Augustalen; das zur Rechten enthält eine Fleischbank. Südlich vom Macellum, auch am Forum, liegen die Curia [222] oder das Senaculum, vermeintlich das Sitzungslokal der Dekurionen, in Wahrheit wohl ein dem Kaiserkultus dienender Raum, es ist ein 20 m langer, 18 m breiter Saal mit halbkreisförmiger Erweiterung an der Rückseite, in der Mitte auf Marmorboden einen Altar enthaltend; ferner das Gebäude der Eumachia (eine Warenbörse?), von Ziegeln errichtet und mit Marmor bekleidet. Dasselbe hat eine 39,5 m lange und 12,5 m tiefe Vorhalle (Chalcidicum) gegen das Forum hin, aus welcher man durch den in der Mitte angebrachten Haupteingang in einen weiten Hof gelangte, den ein breiter Portikus umzog. Dem Eingang gegenüber befindet sich eine halbrunde Nische mit Piedestal, welches die Statue der Concordia Augusta trug. Ein bedeckter Gang (Krypte) zog sich an drei Seiten des Gebäudes hin und öffnete sich mit Fenstern auf den Portikus. Bemerkenswert sind die beiden umfangreichen Thermengebäude (s. den Plan bei Art. Bad, Fig. 2). Die ältern Bäder, 1824 ausgegraben, bilden eine von vier Straßen umschlossen Gebäudeinsel, 49,5 m lang, 53 m breit, und bestehen aus einem Apodyterium (Auskleidezimmer), 11,5 m lang, 6,8 m breit, mit reichen Ornamenten und Reliefs am Gesims, Mosaikfußboden und Steinbänken, aus welchem man in das Frigidarium, das kalte Bad mit Bassin, gelangt, ferner dem Tepidarium, dem warmen Luftbad, 10 m lang, 5,5 m breit, mit Malereien, Stuckreliefs und Telamonen reich ausgestattet, dem Caldarium, dem warmen Wasserbad, 5,5 m breit und 16,5 m lang, mit viereckiger Marmorwanne für etwa zehn Personen, einem runden Marmorbecken für die lauwarmen Abwaschungen und Übergießungen, Mosaikfußboden, welcher auf Ziegelpfeilern ruht, zwischen denen sowie hinter den die Wände bekleidenden Thonplatten sich die Hitze aus den Öfen frei verbreiten konnte. Eine andre Abteilung, das Frauenbad, enthält die gleichen Räume mit einfacherer Ausstattung. Die neuen Thermen wurden erst 1857–60 ausgegraben und daher „neu“ genannt, sind aber beträchtlich früher erbaut als die erstern. Dieselben umfassen ein geräumiges Peristyl, die Palästra für jene Gymnastik, welche als Vorbereitung zum Baden diente; auf der einen Seite derselben ein Schwimmbassin mit zugehörigen Räumen, auf der andern ein Männerbad, bestehend aus Frigidarium mit elegant dekoriertem Vorzimmer, Apodyterium mit reichen Reliefs, Tepidarium und Caldarium, ferner ein Frauenbad mit Cepadyterium, Tepidarium und Caldarium; endlich liegen auf der Rückseite der Palästra einige Zellen für Einzelbäder. Südöstlich von den neuen Thermen, an das Forum triangulare anstoßend, liegt das Große Theater, welches zu den besterhaltenen des Altertums gehört. Es lehnt sich nach griechischer Bauweise mit seinen Sitzreihen an den Abhang des Hügels an, so daß nur die vier obersten Sitzreihen auf einem gewölbten Korridor aufliegen. Zwei seitliche große Eingänge mit Seitentreppen zum ersten und zweiten Halbkreisabsatz befinden sich in der Tiefe zu beiden Seiten der Szene. Der Zuschauerraum ist hufeisenförmig, hat 68 m Durchmesser, konnte 5000 Personen fassen und durch ein Zeltdach überdeckt werden. Er zerfällt in drei Abteilungen: die unterste Cavea mit 4 Stufen und den Ehrensesseln der Duumvirn, Dekurionen und Augustalen, die mittlere mit 20 Sitzreihen für die Bürgerschaft, die oberste mit 4 Sitzreihen für den Plebs. Die Bühne, 33 m breit und nur 6,5 m tief, erhebt sich 1,5 m über den Boden der Orchestra. Hinter der Bühne gelangt man zum Kleinen Theater (um 75 v. Chr. erbaut), auch Odeon genannt, für etwa 1500 Personen; es war laut der Inschrift mit einem Dach versehen. Hieran anstoßend, liegt zwischen dem Großen Theater und der Stadtmauer die Gladiatorenkaserne mit Treppenzugang vom Forum triangulare, ein großer, vierseitiger Portikus, ursprünglich zum Großen Theater gehörig und bestimmt, bei Regenwetter den Zuschauern Schutz zu bieten, später wohl für die Übungen bestimmt, von Säulen umgeben, mit Schlafzimmern, Küche, Gefängnis und Wohnräumen. Getrennt von allen diesen Gebäuden liegt am Südostende der Stadt das Amphitheater, aus der Zeit der Sullanischen Okkupation, welches sich eiförmig von N. nach S. hinzieht, einen größten Durchmesser von 130 und einen kleinsten von 102 m hat. Der größte Durchmesser der in die Erde vertieften Arena ist 69 m, der kleinste 37 m. Die Zuschauerplätze steigen in 34 Stufen aus vulkanischem Tuff empor und bilden vier Rangordnungen mit Plätzen für ca. 20,000 Personen. In die Arena, den Kampfplatz, münden zwei einander gegenüberliegende Thorbogen, durch welche die gerüsteten Gladiatorenscharen ihren Einzug hielten; daneben sind zwei kleine, viereckige, vergitterte Räume für die harrenden Bestien angebracht.

An industriellen Etablissements finden sich namentlich Bäckereien, Walkereien u. eine Gerberei. Besonders interessant ist die Fullonica, die Fabrik der Walker. Um einen massiven Umgang von elf Pfeilern, welche noch eine obere Galerie tragen, liegen die Schlaf- und Wohnzimmer der Arbeiter sowie die Werkstätten, Trockenräume etc.; links am Ende des Umganges sind vier große Wasserbehälter, deren Wasser je von einem höhern in den niedrigern abfloß, und längs derselben ist eine Estrade, an deren Ende sich sechs kleine Zellen zur Aufnahme der Waschbütten befinden. Was die Privathäuser von P. betrifft, so sind dieselben meist aus kleinen, durch Mörtel verbundenen Bruchsteinen, Lava, Lavaschlacken und Kalkstein mit Stucküberzug, häufig mit Ecken und Thürpfosten aus Ziegeln erbaut; Marmor ist erst in der Kaiserzeit, in größerer Ausdehnung nur in öffentlichen Gebäuden, zur Wandbekleidung verwandt worden. Die Grundfläche der vornehmern Häuser ist zuweilen sehr bedeutend; aber sie zerfällt bei allen Häusern in auffallend viele kleine Räume, welche nur 4–5 Personen Platz zur freien Bewegung boten. Die Außenseite der Häuser ist meist schmucklos; größere Fenster sind nur bisweilen im Oberstock, im Erdgeschoß bloß kleine, oft vergitterte Öffnungen. Großes Leben gewährten der Straße die vielen engen und niedrigen, aber weit offenen Läden, welche sich auch bei vornehmen Häusern finden, aber in der Mehrzahl vom Innern derselben geschieden sind und mit eignen kleinern Wohnungen im Obergeschoß in Verbindung standen. Die Schönheit des Hauses entfaltete sich nur nach innen. Eine behagliche Wohnung hatte jenseit des Eingangsflurs (prothyron) ein Atrium als ersten Hof mit einem nach innen geneigten, entweder auf Querbalken oder auf Säulen ruhenden Dach und mit einem Bassin in der Mitte zur Aufnahme und Fortleitung des Regenwassers. Um dasselbe lagen Schlafzimmer und Wirtschaftsräume. An den beiden Enden der Atriumseiten sind zwei offene Flügelräume (alae), dem Eingang gegenüber das Tablinum, ein auf das Atrium und meist auch auf den zweiten Hof geöffnetes, vermutlich als Empfangssalon dienendes Zimmer. Zur Seite desselben führt ein Verbindungsgang zum zweiten Hof, gegen welchen auch das neben dem Tablinum etwa noch vorhandene Konversations- und Speisezimmer gerichtet ist. Der zweite Hof (peristylium) [223] ist die eigentliche Privatwohnung und besteht meist aus einem kleinen Garten oder einem von Blumenbeeten umrahmten Wasserbecken, welches von einem Säulengang umschlossen ist. Auf diesen Umgang öffnen sich die Zimmer der Familie, an der Rückseite des Peristyliums ist zuweilen noch ein Festsalon (oecus). In manchen Häusern gelangt man noch zu einer dritten Abteilung, dem eigentlichen Garten (viridarium). Die obern Geschosse, welche das Atrium und Peristylium ganz oder teilweise umschlossen, enthielten meist Schlafzimmer für die Dienerschaft, nach außen auch Mietwohnungen. In reichem Maße sind die Räume der pompejanischen Häuser mit Ornamenten, Malereien und Mosaikgemälden ausgestattet. Die nennenswertesten der Privatgebäude sind: das Haus des Pansa (s. Tafel „Baukunst VI“, Fig. 4–6), eine der größten Wohnungen der Stadt, durch Harmonie der Maße und Vollständigkeit des Plans zum Musterbild der antiken Häuser geworden; das Haus des Poeta tragico (nach einem unrichtig erklärten trefflichen Gemälde im Tablinum, jetzt im Museum zu Neapel, so benannt), ein kleines, aber sehr geschmackvolles Haus, durch seine Malereien, namentlich aus dem Homerischen Kreis, hochberühmt; das Haus des Sallustius, durch Eleganz und bedeutende Wandmalereien ausgezeichnet; das Haus des Meleager, eine reichgeputzte, schöne Wohnung ohne Laden und von zierlicher Anlage; das Haus des Kastor und Pollux, ein großes Doppelhaus, mit einem zwischen zwei Atrien in der Mitte liegenden Peristyl; die Casa del Fauno, eine der größten und prächtigsten Privatwohnungen von P., mit berühmten Mosaiken; das Haus des Lucretius, eine der reichsten Wohnungen, mit einer Fülle von ornamentalem Schmuck; an der 1862 bloßgelegten Casa del Balcone pensile ist die in die Straße hinausragende Erkerwohnung bemerkenswert. Die in P. aufgefundenen überaus zahlreichen häuslichen Gerätschaften aller Art, Schmucksachen, Münzen etc., die ein helles Licht über das häusliche Leben der Alten verbreiten, befinden sich, wie alle bedeutenden Fresken, Mosaiken, ornamentalen Wanddekorationen (s. Tafel „Ornamente I“, Fig. 48, 50 bis 53) und Skulpturwerke, jetzt größtenteils im Nationalmuseum zu Neapel. Vgl. Mazois, Les ruines de Pompéi (Par. 1812–38, 4 Bde.); Gell und Gandy, Pompeiana (Lond. 1817–30, 4 Bde.; neue Folge 1832, 2 Bde.); Cooke, Delineations of Pompeii (das. 1818–27, 2 Bde.); Zahn, Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde von P., Herculaneum und Stabiä (Berl. 1828–60, 3 Abtlgn.); Derselbe, Neuentdeckte Wandgemälde in P. (Stuttg. 1828[WS 1], 40 Blatt); Ternite, Wandgemälde aus P. und Herculaneum (mit Text von K. O. Müller; fortgesetzt von Welcker, Berl. 1841–44, 3 Hefte); „Herculaneum und P., vollständige Sammlung der daselbst entdeckten Malereien, Mosaiken und Bronzen“, gestochen von Roux und Bouchet, mit Text von Barré (deutsch, Hamb. 1838–41, 6 Bde.); Overbeck, P. in seinen Gebäuden, Altertümern und Kunstwerken (4. Aufl., mit Mau, Leipz. 1884); Nissen, Pompejanische Studien (das. 1877); Fiorelli, Gli scavi di Pompei dal 1868 al 1872 (Neap. 1873); Schöner, P. (Stuttg. 1877); „Pompei e la regione sotterrata da Vesuvio nell’ anno 79“ (Neap. 1879, Sammelwerk zur 18. Säkularfeier der Verschüttung); Presuhn, Die letzten Ausgrabungen von 1874–81 (2. Aufl., Leipz. 1881, 80 Tafeln); Mau, Pompejanische Beiträge (Berl. 1879); Derselbe, Geschichte der dekorativen Wandmalerei (das. 1881); Furchheim, Bibliotheca Pompejana (Bibliographie, Neap. 1879) u. a.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1288