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MKL1888:Polignac

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Polignac“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Polignac“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 13 (1889), Seite 182183
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Polignac. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 182–183. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Polignac (Version vom 25.09.2022)

[182] Polignac (spr. -linjack), alte Adelsfamilie Frankreichs, nach dem Schloß (dem alten Apolliniacum) im Departement Oberloire benannt, beherrschte seit dem 9. Jahrh. mit dem Vikomtetitel die Landschaft Velay und hinterließ 1385 bei ihrem Aussterben Namen und Güter der verwandten Familie Chalançon. Die namhaftesten Glieder dieser sind:

[183] 1) Melchior de, geb. 11. Okt. 1661 zu Puy en Velay, ward Geistlicher und begleitete den Kardinal von Bouillon 1689 und 1692 zum Konklave nach Rom. 1695 ward er nach Polen gesandt, um die Wahl des Prinzen von Conti zum König zu betreiben; er bewirkte sie auch, doch kam August von Sachsen dem Prinzen in der Besitznahme des Throns zuvor. P. ward darauf nach seiner Abtei Bonpart verwiesen. Mit mehr Glück beteiligte er sich 1712–13 an den Friedensunterhandlungen zu Utrecht, worauf er zum Kardinal erhoben und mit mehreren Pfründen beschenkt wurde. Während der Regentschaft des Herzogs von Orléans als Anhänger des alten Hofs in die Verschwörung des Fürsten Cellamare verwickelt, ward er in seine Abtei verwiesen und 1721 als französischer Botschafter nach Rom gesandt, wo er zur Schlichtung der religiösen Streitigkeiten in Frankreich die Bulle Unigenitus erwirkte. Auch legte er eine sehenswerte Sammlung von Antiquitäten an, welche Friedrich II. von Preußen nach seinem Tod kaufte, die aber 1760 im Schloß von Nieder-Schönhausen bei Berlin von den Österreichern zerschlagen wurde. 1729 nach Frankreich zurückgekehrt, starb P. 3. April 1742 als Bischof von Auch. Sein Gedicht „Anti-Lucretius, sive de Deo et natura“ (Par. 1745 u. öfter, 2 Bde.; in franz. Verse übersetzt 1813) bezweckte die Widerlegung der alten Philosophie. Seine Biographie schrieb Faucher (Par. 1777, 2 Bde.).

2) Jules de, Großneffe des vorigen, ward 1780 in den Herzogstand erhoben und gewann durch seine Gemahlin Jolanthe Martine Gabrielle de Polastron (geb. 1749), eine Vertraute der Königin Marie Antoinette und Erzieherin von deren Kindern, großen Einfluß am Hof, den er hauptsächlich zur Bereicherung seiner Familie benutzte. Beim Beginn der Revolution entfloh die Familie P. im Juli 1789 aus Frankreich. Die Herzogin starb 9. Dez. 1793 in Wien, und P. begab sich nun mit seinen Söhnen und der Herzogin von Guiche, seiner Tochter, zum Zaren nach Petersburg, der sie mit dem Heimatsrecht und mit reichen Gütern in Litauen und der Ukraine beschenkte. Nach der Restauration zum Pair von Frankreich ernannt, starb P. 21. Sept. 1817 in Rußland.

3) Armand Jules Marie Héraclius, Herzog von, ältester Sohn des vorigen, geb. 17. Jan. 1771 zu Paris, beteiligte sich mit seinem Bruder Jules an der Verschwörung Pichegrus (s. d.) u. Cadoudals (s. d.) und ward deshalb samt jenem im Februar 1804 in Paris verhaftet. Zum Tod verurteilt, aber durch Vermittelung der Kaiserin Josephine zu lebenslänglicher Haft begnadigt, entflohen beide 1813 und wurden nach dem Sturz Napoleons I. die eifrigsten Anhänger des Absolutismus. Armand wurde 1815 Mitglied der Kammer, Adjutant des Grafen Artois und, nachdem dieser König geworden war, Großstallmeister. Der Tod seines Vaters 1817 erhob ihn zum Pair von Frankreich. Nach der zweiten französischen Revolution begab er sich mit Karl X. ins Exil. Er starb 30. März 1847 in St.-Germain en Laye.

4) Auguste Jules Armand Marie, zuerst Graf, hernach Fürst von P., Bruder des vorigen, geb. 14. Mai 1780 zu Versailles, teilte bis 1814 dessen Schicksale und ward von Ludwig XVIII. als Gesandter nach Rom geschickt, wo er sich als Anhänger des äußersten Absolutismus zeigte. 1816 zum Pair von Frankreich erhoben, wollte er wegen Gewissensskrupel die Konstitution nicht beschwören, bis der Papst seine religiösen Bedenken beseitigte. 1820 erhob ihn letzterer zum römischen Fürsten. 1823 wurde P. Gesandter in London. Am 8. Aug. 1829 zum Minister des Auswärtigen und zum Ministerpräsidenten ernannt, ward er der eigentliche Urheber der berüchtigten Ordonnanzen vom 25. Juli 1830, welche den Sturz Karls X. zur Folge hatten. P. ging zwar als Begleiter desselben mit nach Cherbourg, verließ ihn jedoch wieder, wurde 15. Aug. 1830 zu St.-Lô erkannt und verhaftet, 21. Dez. aller seiner bürgerlichen Rechte verlustig erklärt und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er trat dieselbe in Ham an und benutzte sie zur Abfassung seiner „Considérations politiques“ (Par. 1832). Im November 1836 wieder freigegeben, ging er nach England und starb 29. März 1847 in Paris. Sein ältester Sohn und gegenwärtiger Chef der Familie, Jules Armand Jean Melchior, Herzog von P. und römischer Prinz, geb. 12. Aug. 1817, stand in bayrischen Militärdiensten und lebt in Paris.