MKL1888:Physostígma
[43] Physostígma Balf., Gattung aus der Familie der Papilionaceen mit der einzigen Art P. venenosum Balf. (Kalabarbohne, s. Tafel „Arzneipflanzen III“), einer mehrjährigen Kletterpflanze, welche große Ähnlichkeit hat mit unserer Feuerbohne, aber einen holzigen Stamm von 4 cm Dicke besitzt und zu einer Höhe von mehr als 15 m emporsteigt. Die Blätter sind dreizählig gefiedert; die achselständigen, hängenden Blütentrauben haben große, purpurrote Blüten, deren Narbe ein halbmondförmiges, blasenartiges Anhängsel besitzt. Die Hülsen sind etwa 14 cm lang und enthalten 1 oder 3 dunkel schokoladenbraune Samen, welche ca. 3 cm lang, nierenförmig und durch eine tiefe, von erhabenen Rändern umgebene Rinne ausgezeichnet sind. Die Pflanze wächst am Golf von Guinea zwischen 4–8° nördl. Br. und 6–12° östl. L. und ist auch in Indien und Brasilien eingeführt worden. Die Eingebornen benutzen die fast geruch- und geschmacklosen, aber höchst giftigen Bohnen zu einer Art Gottesurteil, d. h. man gibt sie den der Hexerei Beschuldigten zum Verschlucken, und Erbrechen oder Nichterbrechen entscheidet über die Schuld des Individuums. Die Pflanze wurde 1840 durch Daniell bekannt, 1859 beschrieb sie Balfour, und wenige Jahre später entdeckte Fraser ihre eigentümliche arzneiliche Wirkung. Diese beruht auf dem Gehalt an einem Alkaloid, Physostigmin (Eserin) C15H21N3O2, welches man als farb-, geruch- und geschmacklose, in Alkohol und Äther leicht lösliche, alkalisch reagierende, bei 45° schmelzende Masse erhält, die sich bei 100° zersetzt. Außerdem enthält die Bohne Calabarin, ein dem Strychnin ähnliches Alkaloid, und indifferentes Physosterin. Das Physostigmin lähmt die motorischen Nerven und bewirkt ganz bedeutende Pupillenkontraktion. Man [44] benutzt ein aus den Bohnen bereitetes Extrakt besonders bei Untersuchung der Augen, um die nach Atropineinträufelung entstandene künstliche Pupillenerweiterung zu beseitigen, auch als Heilmittel bei letzterer und Akkommodationslähmung sowie bei Tetanus, Neuralgien, Epilepsie etc.